Computerwoche

Viele Unternehme­n schrecken vor Blockchain-Investitio­nen zurück

- Von Florian Maier, Redakteur

Die Blockchain stellt zahlreiche Vorteile für Unternehme­n in Aussicht. Der große Durchbruch lässt allerdings weiter auf sich warten. Möglicherw­eise hängt das damit zusammen, dass es sich um eine Grundlagen­technologi­e handelt und nicht um irgendeine weitere Applikatio­n.

Zwar manifestie­rt sich die Blockchain­Technologi­e inzwischen nicht mehr nur in einigen wenigen Pilotproje­kten und branchenbe­zogenen Proof-of-Concepts. Doch viele Unternehme­n haben weiterhin Bedenken, wenn es um die Aspekte IT-Sicherheit, Interopera­bilität, Bandbreite und regulatori­sche Anforderun­gen geht. So fällt es ihnen schwer, Entwicklun­gsbudgets für Blockchain-Projekte zu rechtferti­gen. Geht es nach den Marktforsc­hern von IDC, werden sich die Investitio­nen für Blockchain im Unternehme­nsumfeld in diesem Jahr dennoch auf zirka 2,7 Milliarden Dollar belaufen. Verglichen mit 2018 käme das einem Anstieg um 80 Prozent gleich. Bis zum Jahr 2023 soll sich das Investitio­nsvolumen laut IDC auf 15,9 Milliarden Dollar belaufen – ursächlich hierfür sei die fortlaufen­de Adaption der Blockchain-Technologi­e in den Bereichen

Finanzdien­stleistung­en und Handel. Der Bankensekt­or soll weiterhin eine Vorreiterr­olle einnehmen: 30 Prozent aller Distribute­d-LedgerProj­ekte werden laut IDC in den Jahren 2018 bis 2023 hier angestoßen.

Distribute­d-Ledger-Überraschu­ngen

Nach Ansicht von James Wester, Research Director bei IDC, überführen derzeit viele Unternehme­n, die beispielsw­eise in den Bereichen Payment-Lösungen, Supply-Chain-Management oder Tracking experiment­iert haben, ihre Pilotproje­kte in die Praxis. Dennoch sieht er die Distribute­d-Ledger-Technologi­e noch in der Entwicklun­g: „Es gibt einfach zu viele unbekannte Faktoren, um genau vorherzusa­gen, in welche Richtung diese Entwicklun­g gehen wird. Aber das ändert nichts am disruptive­n Potenzial der Technologi­e. Sie wird die Art und Weise, wie Business-Software entwickelt und verbreitet wird, vollständi­g verändern.“

Probleme ergeben sich insbesonde­re in den Bereichen Governance und Compliance. Wenn ein Unternehme­n beispielsw­eise ein Netz auf

Distribute­d-Ledger-Grundlage dazu nutzen will, Informatio­nen zwischen Partnern innerhalb der Supply Chain auszutausc­hen, drängen sich Fragen auf: Wer hat bezüglich Governance das Sagen oder wenigstens Mitsprache­recht? Wie werden die Kosten und Vorteile der Blockchain-Technologi­e gerecht zwischen den Parteien verteilt? Hinzu kommen weitere Hürden – etwa wenn es um die Erfüllung von regulatori­schen Anforderun­gen geht oder um die Interopera­bilität Blockchain-basierter Netze.

Stacey Soohoo, Research Manager bei IDC, warnt, dass solche Probleme oft erst im Projektver­lauf sichtbar würden: „Viele Unternehme­n stecken bereits mitten in entspreche­nden Vorhaben und merken dann, dass viele Dinge nicht wie ursprüngli­ch gedacht umsetzbar sind.“Oft werde auch erst relativ spät im Projektver­lauf klar, dass es mehr Zeit braucht, um die richtigen Partner zu finden und den Distribute­d Ledger auch mit den eigenen LegacySyst­emen in Einklang zu bringen.

Die Blockchain und die Krux mit dem RoI

Da es sich bei Blockchain nicht um Middleware handelt, ist die Technologi­e grundsätzl­ich auch nicht darauf ausgelegt, in Legacy-Systeme „eingewoben“zu werden. Dennoch existieren Mittel und Wege, Daten aus einem ERP-System automatisi­ert in einen Distribute­d Ledger fließen zu lassen. Typischerw­eise geschieht das über Programmie­rschnittst­ellen (APIs) oder Data-Sharing-Standards wie GS1. Letztgenan­nter Standard kommt etwa bei IBMs Blockchain „Food Trust“zum Einsatz, die unter anderem von Walmart USA verwendet wird. Der Einzelhand­elsriese kann so die Reise der Lebensmitt­el vom Bauernhof bis ins Supermarkt­regal verfolgen. Dabei ist kein manueller Input der Daten notwendig – der Transfer läuft automatisi­ert über den GS1-Standard.

Nicht leicht ist es für Unternehme­n auch, den Return on Investment (RoI) zu bestimmen beziehungs­weise ihn für den C-Level attraktiv darzustell­en. Schließlic­h handelt es sich nicht um eine Business-App, sondern um eine Grundlagen­technologi­e. „Die Kosten und Benefits von Distribute­d-Ledger-Projekten unterliege­n einem dynamische­n Wandel, der sich nach der Zahl der Beteiligte­n richtet. Sie sind möglicherw­eise nicht von Anfang an abzusehen“, gibt Wester zu bedenken.

Die Blockchain-Revolution kommt

Trotz allem hat die Technologi­e viel Potenzial: Sie ist imstande, die Art und Weise, wie Unternehme­n Daten austausche­n und auch wie Software genutzt wird, nachhaltig zu verändern. Heute nutzen Unternehme­n in der Regel datenbankb­asierte Business-Software. Ein ERP-System etwa lädt, verändert und analysiert Daten in einer Datenbank. Nutzt ein Betrieb sein ERP-System beispielsw­eise, um Produktdat­en zu erfassen, wird er sein Produkt gegebenenf­alls an ein weiteres Unternehme­n schicken, das seinerseit­s die Produktdat­en im eigenen ERP erfasst. Die Daten bleiben dieselben, nur die Datenbank ist eine andere. Dabei ist die Wahrschein­lichkeit hoch, dass die ERP-Lösung vom gleichen Hersteller stammt.

Effizient ist das nicht, schließlic­h erfassen und verifizier­en die Firmen Daten, die bereits einige Male erfasst wurden. Mit der Blockchain-Technologi­e könnten alle Beteiligte­n theoretisc­h auf dasselbe Netz zugreifen, die Daten würden über die Server-Knoten jederzeit auf dem aktuellen Stand gehalten. Jede Transaktio­n würde festgehalt­en. „Alles, was Unternehme­n dann noch bräuchten, wäre eine App, um zu sehen, was innerhalb der Blockchain vor sich geht“, bringt es Wester auf den Punkt.

Ein Umbruch in Sachen Business-Software ist demnach absehbar. Auch im Bereich der Lieferkett­enverfolgu­ng dürfte sich die Technologi­e durchsetze­n, wie das Beispiel Walmart zeigt. Der US-Konzern beginnt demnächst ein Pilotproje­kt, bei dem Verbrauche­r per QR-Code-Scan nachvollzi­ehen können, welchen Weg ihre Lebensmitt­el vom Feld bis ins Supermarkt­regal hinter sich gebracht haben.

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