Viele Unternehmen schrecken vor Blockchain-Investitionen zurück
Die Blockchain stellt zahlreiche Vorteile für Unternehmen in Aussicht. Der große Durchbruch lässt allerdings weiter auf sich warten. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass es sich um eine Grundlagentechnologie handelt und nicht um irgendeine weitere Applikation.
Zwar manifestiert sich die BlockchainTechnologie inzwischen nicht mehr nur in einigen wenigen Pilotprojekten und branchenbezogenen Proof-of-Concepts. Doch viele Unternehmen haben weiterhin Bedenken, wenn es um die Aspekte IT-Sicherheit, Interoperabilität, Bandbreite und regulatorische Anforderungen geht. So fällt es ihnen schwer, Entwicklungsbudgets für Blockchain-Projekte zu rechtfertigen. Geht es nach den Marktforschern von IDC, werden sich die Investitionen für Blockchain im Unternehmensumfeld in diesem Jahr dennoch auf zirka 2,7 Milliarden Dollar belaufen. Verglichen mit 2018 käme das einem Anstieg um 80 Prozent gleich. Bis zum Jahr 2023 soll sich das Investitionsvolumen laut IDC auf 15,9 Milliarden Dollar belaufen – ursächlich hierfür sei die fortlaufende Adaption der Blockchain-Technologie in den Bereichen
Finanzdienstleistungen und Handel. Der Bankensektor soll weiterhin eine Vorreiterrolle einnehmen: 30 Prozent aller Distributed-LedgerProjekte werden laut IDC in den Jahren 2018 bis 2023 hier angestoßen.
Distributed-Ledger-Überraschungen
Nach Ansicht von James Wester, Research Director bei IDC, überführen derzeit viele Unternehmen, die beispielsweise in den Bereichen Payment-Lösungen, Supply-Chain-Management oder Tracking experimentiert haben, ihre Pilotprojekte in die Praxis. Dennoch sieht er die Distributed-Ledger-Technologie noch in der Entwicklung: „Es gibt einfach zu viele unbekannte Faktoren, um genau vorherzusagen, in welche Richtung diese Entwicklung gehen wird. Aber das ändert nichts am disruptiven Potenzial der Technologie. Sie wird die Art und Weise, wie Business-Software entwickelt und verbreitet wird, vollständig verändern.“
Probleme ergeben sich insbesondere in den Bereichen Governance und Compliance. Wenn ein Unternehmen beispielsweise ein Netz auf
Distributed-Ledger-Grundlage dazu nutzen will, Informationen zwischen Partnern innerhalb der Supply Chain auszutauschen, drängen sich Fragen auf: Wer hat bezüglich Governance das Sagen oder wenigstens Mitspracherecht? Wie werden die Kosten und Vorteile der Blockchain-Technologie gerecht zwischen den Parteien verteilt? Hinzu kommen weitere Hürden – etwa wenn es um die Erfüllung von regulatorischen Anforderungen geht oder um die Interoperabilität Blockchain-basierter Netze.
Stacey Soohoo, Research Manager bei IDC, warnt, dass solche Probleme oft erst im Projektverlauf sichtbar würden: „Viele Unternehmen stecken bereits mitten in entsprechenden Vorhaben und merken dann, dass viele Dinge nicht wie ursprünglich gedacht umsetzbar sind.“Oft werde auch erst relativ spät im Projektverlauf klar, dass es mehr Zeit braucht, um die richtigen Partner zu finden und den Distributed Ledger auch mit den eigenen LegacySystemen in Einklang zu bringen.
Die Blockchain und die Krux mit dem RoI
Da es sich bei Blockchain nicht um Middleware handelt, ist die Technologie grundsätzlich auch nicht darauf ausgelegt, in Legacy-Systeme „eingewoben“zu werden. Dennoch existieren Mittel und Wege, Daten aus einem ERP-System automatisiert in einen Distributed Ledger fließen zu lassen. Typischerweise geschieht das über Programmierschnittstellen (APIs) oder Data-Sharing-Standards wie GS1. Letztgenannter Standard kommt etwa bei IBMs Blockchain „Food Trust“zum Einsatz, die unter anderem von Walmart USA verwendet wird. Der Einzelhandelsriese kann so die Reise der Lebensmittel vom Bauernhof bis ins Supermarktregal verfolgen. Dabei ist kein manueller Input der Daten notwendig – der Transfer läuft automatisiert über den GS1-Standard.
Nicht leicht ist es für Unternehmen auch, den Return on Investment (RoI) zu bestimmen beziehungsweise ihn für den C-Level attraktiv darzustellen. Schließlich handelt es sich nicht um eine Business-App, sondern um eine Grundlagentechnologie. „Die Kosten und Benefits von Distributed-Ledger-Projekten unterliegen einem dynamischen Wandel, der sich nach der Zahl der Beteiligten richtet. Sie sind möglicherweise nicht von Anfang an abzusehen“, gibt Wester zu bedenken.
Die Blockchain-Revolution kommt
Trotz allem hat die Technologie viel Potenzial: Sie ist imstande, die Art und Weise, wie Unternehmen Daten austauschen und auch wie Software genutzt wird, nachhaltig zu verändern. Heute nutzen Unternehmen in der Regel datenbankbasierte Business-Software. Ein ERP-System etwa lädt, verändert und analysiert Daten in einer Datenbank. Nutzt ein Betrieb sein ERP-System beispielsweise, um Produktdaten zu erfassen, wird er sein Produkt gegebenenfalls an ein weiteres Unternehmen schicken, das seinerseits die Produktdaten im eigenen ERP erfasst. Die Daten bleiben dieselben, nur die Datenbank ist eine andere. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die ERP-Lösung vom gleichen Hersteller stammt.
Effizient ist das nicht, schließlich erfassen und verifizieren die Firmen Daten, die bereits einige Male erfasst wurden. Mit der Blockchain-Technologie könnten alle Beteiligten theoretisch auf dasselbe Netz zugreifen, die Daten würden über die Server-Knoten jederzeit auf dem aktuellen Stand gehalten. Jede Transaktion würde festgehalten. „Alles, was Unternehmen dann noch bräuchten, wäre eine App, um zu sehen, was innerhalb der Blockchain vor sich geht“, bringt es Wester auf den Punkt.
Ein Umbruch in Sachen Business-Software ist demnach absehbar. Auch im Bereich der Lieferkettenverfolgung dürfte sich die Technologie durchsetzen, wie das Beispiel Walmart zeigt. Der US-Konzern beginnt demnächst ein Pilotprojekt, bei dem Verbraucher per QR-Code-Scan nachvollziehen können, welchen Weg ihre Lebensmittel vom Feld bis ins Supermarktregal hinter sich gebracht haben.