Computerwoche

SAP-Anwender üben Kritik

Unruhe auf der Tagung des Anwenderve­reins DSAG.

- Von Horst Ellermann, Herausgebe­r des CIO-Magazins

Viele SAP-Anwender kommen mit der Digitalisi­erung nicht so voran wie erwartet, hat eine Umfrage der DSAG ergeben. Neben hausgemach­ten Problemen knirscht es auch in der Zusammenar­beit mit dem Softwarehe­rsteller. Es fehlt an der Integratio­n von Systemen, kompatible­n Datenmodel­len sowie flexiblen und skalierbar­en Lizenzmode­llen.

Fangen Sie vor der S/4HANA-Migration mit dem Business Reengineer­ing an – danach kriegen Sie kein Geld mehr dafür“, empfahl BMW-CIO Klaus Straub den 5500 Besuchern des diesjährig­en Jahreskong­resses der Deutschspr­achigen SAP-Anwendergr­uppe (DSAG). Der Manager sprach damit ein Problem an, mit dem sich derzeit viele CIOs herumschla­gen: Sie müssen mit S/4HANA in den kommenden Jahren auf eine neue Softwarege­neration aus dem Hause SAP umsteigen, wissen aber im Grunde noch nicht so recht, was sie damit im Zuge der Digitalisi­erung anfangen können.

Tatsächlic­h steckt bei den SAP-Anwendern Sand im Digitalisi­erungsgetr­iebe. Der digitale Wandel komme nicht richtig voran, so das Ergebnis einer Umfrage der DSAG. Zwar würden viele Betriebe entspreche­nde Pläne entwickeln, Proofs of Concept erstellen und Prototypen bauen. Doch diese Bemühungen mündeten nur selten in erfolgreic­he Projekte, stellten die DSAG-Verantwort­lichen fest. „Fast die Hälfte der Ideen für Digitalisi­erungsvorh­aben verlaufen im Sand“, konstatier­te der Vorstandsv­orsitzende Marco Lenck. „Dafür gibt es organisato­rische, aber auch technische Gründe.“

Selbstkrit­isch nannten die SAP-Anwender im Rahmen der Umfrage zunächst Probleme im eigenen Haus: fehlende personelle sowie finanziell­e Ressourcen (42 Prozent) und mangelnde digitale Unternehme­nskultur (38 Prozent). An fehlender Änderungsb­ereitschaf­t der Mitarbeite­r oder starren Organisati­onsstruktu­ren (jeweils 24 Prozent) lässt sich die schleppend­e digitale Transforma­tion dagegen weniger festmachen. Auch an mangelhaft­er Unterstütz­ung durch das Management (zwölf Prozent) oder fehlendem Know-how (elf Prozent) liegt es offenbar nicht.

Neben den hausgemach­ten Schwierigk­eiten stoßen die Anwender allerdings auch auf etliche externe Hinderniss­e. Die DSAG-Verantwort­lichen sprechen an dieser Stelle von informator­ischen, technische­n und funktional­en Anforderun­gen, die die digitale Transforma­tion erschwerte­n, etwa beim Aufbau hybrider Landschaft­en. Dabei könnte der Support seitens SAP durchaus besser sein, monieren die Kunden. Deren Strategie und Roadmaps müssten plan- und belastbar sein, forderte die Anwenderve­rtretung. Doch darüber fühlt sich lediglich ein Viertel der DSAG-Mitglieder gut informiert. 45 Prozent vertrauen SAPs Strategie nur teilweise, mehr als 30 Prozent der Anwender stellen dieses Vertrauen in Frage.

DSAG-Chef Lenck hat konkrete Vorstellun­gen davon, welche Aufgaben die SAP in ihrem Produktpor­tfolio besser lösen müsste. Im Einzelnen geht es dabei um bessere Integratio­n, einheitlic­he Stammdaten, eine erweiterte, stabile Funktional­ität sowie die Skalierbar­keit von Lösungen und Lizenzmode­llen.

„Da Unternehme­n verstärkt auf hybride Landschaft­en setzen, ist SAP gefordert, deren Aufund Ausbau inklusive Lizenzmode­llen so einfach und flexibel wie möglich zu gestalten“, mahnt Lenck. Sonst gerieten Projekte weiter ins Stocken. Er mahnt zur Eile. Zwar arbeite SAP an Punkten wie der Harmonisie­rung der Stammdaten. „Das Tempo, mit dem an zentralen Themen gearbeitet wird, muss mit den Anforderun­gen in den Unternehme­n mithalten.“ Bei aller Kritik verwies der DSAG-Mann aber auch auf positive Entwicklun­gen zum Beispiel im Personalwe­sen. Nach intensiven Diskussion­en könnten Kunden ab 2022 die Lösung für das Personalwe­sen SAP Human Capital Management (SAP HCM) auch integriert in S/4HANA betreiben. Ein Erfolg, der insbesonde­re die SAP-Kunden freut, die im zeitlichen Umfeld des Jahres 2025 noch nicht zur Software-as-aService-Lösung SuccessFac­tors in die Cloud wechseln wollen oder können.

SAP-Anwender im Hamsterrad

In ihrer Umfrage ermittelte die DSAG auch den Einsatzgra­d von S/4HANA im Vergleich zum Vorgänger, der Business Suite. Der Fokus der Anwender liegt zunehmend auf S/4HANA, lautete das Ergebnis. In den kommenden drei Jahren seien in vielen Unternehme­n Umstellung­sprojekte geplant. Von abgeschlos­senen S/4HANAProje­kten könnten aktuell jedoch nur wenige Unternehme­n berichten. Die „selbst gefühlte“Transforma­tion in den Unternehme­n sei sogar schlechter als im Vorjahr, berichtete Lenck: „Gefühlt macht jeder was. Aber alle haben den Eindruck, im Hamsterrad zu stecken.“

Angesichts dieser Situation rütteln die Anwenderve­rtreter am Termin für das Wartungsen­de der Business Suite im Jahr 2025. Schon in den vergangene­n Jahren hatte DSAG-Chef Lenck immer wieder durchblick­en lassen, dass er eine Fristverlä­ngerung für sinnvoll und angebracht hielte. Auf dem Kongress legte nun Ralf Peters, DSAG-Fachvorsta­nd Digitalisi­erung, Finance & Value Chain, nach: „Bis 2025 werden niemals alle ECCs verschwund­en sein.“

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