Oracle kuschelt mit Microsoft
Eigentlich würde Oracle seine Kunden gern komplett in die eigene Systemwelt ziehen. Doch selbst der so charismatische wie egomane Gründer und Hauptaktionär Larry Ellison macht inzwischen Kompromisse.
Anlässlich der Hausmesse OpenWorld hat Oracle seine Strategien und Produkte vorgestellt. Gründer Larry Ellison teilte kräftig gegen SAP und Amazon Web Services aus, fand aber für Microsoft nur lobende Worte.
Die „Autonomous Database“ist nur der erste Schritt, so Oracles Big-Data-Stratege Paul Sonderegger. Die zweite Stufe hat das Softwareunternehmen nun auf der diesjährigen Hausmesse OpenWorld in San Francisco gezündet: Dort wurde ein mit RedHat-/IBM-Linux binärkompatibles, offenes Betriebssystem vorgestellt, das „Oracle Autonomous Linux“. Es soll das manuelle Betriebssystem-Management überflüssig machen und somit die Fehlerquelle Mensch ausschließen. Das Oracle-Linux ist mit dem neuen „Oracle OS Management“gekoppelt und lässt sich laut Hersteller ohne Administratoren patchen, updaten und tunen. Optimiert für Oracles Cloud-Infrastruktur, soll Autonomous Linux Fähigkeiten wie Autoscaling, Monitoring und Lifecycle-Management über verschiedene Ressourcen-Pools bieten. Es wird im Rahmen des Premium-Supports mit den Compute-Services der Oracle Cloud Infrastructure mitgeliefert, das gilt ebenso für den OS Management Service.
„Intelligente“– sprich: mit Machine-LearningFunktionen ausgestattete – Anwendungen standen im Mittelpunkt der Kundenmesse. Das gilt auch für die bereits im vergangenen Jahr eingeführte zweite Cloud-Generation „Gen 2 Cloud“. Sie soll die Notwendigkeit menschlichen Eingreifens beschränken und damit viele Sicherheitsrisiken ausräumen. Auch die AnwendungsSuite „Fusion“soll Machine-Learning-Funktionen bekommen. Mit „Analytics for Fusion“will Oracle vorkonfigurierte Analytics-Pakete anbieten, die es dem Anwender erlauben sollen, seine Daten auszuwerten, ohne sich um Datenbankdesign, ETL, Modellierung und andere Zeitfresser kümmern zu müssen.
Um die Mensch-Software-Schnittstelle zu glätten, hat der Konzern zudem einen „digitalen Assistenten“entwickelt, mit dem der Anwender in natürlicher Sprache kommunizieren kann. Vor allem im Supply-Chain-Management sieht Oracle dafür Bedarf. Neu ist auch ein Cloud-Marktplatz für Software von Partnerunternehmen, wobei Oracle die Bezahlfunktion via „Universal Cloud Credits“selbst in die Hand nimmt. Nicht zu vergessen sei auch eine noch einmal um den Faktor 2,5 beschleunigte „Exadata“-Hardware mit der Bezeichnung X8M.
Dedizierte Hardware als Beschleuniger
Tatsächlich ist Exadata ein Pfund, mit dem Oracle im Datenbank- und Cloud-Sektor wuchern kann: Die im vergangenen Jahr vorgestellte „autonome“Datenbank wurde für die extrem schnelle Hardware aus dem eigenen Haus maßgeschneidert und ist im Prinzip auch nur dort lauffähig. Ebenso ist Exadata die Basis der „Oracle Cloud Infrastructure“, kurz: OCI, die im Performance-Vergleich mit der Public-Cloud-Konkurrenz meist gut aussieht. In fremden Cloud-Architekturen muss sich der Anwender mit der alten, also „nicht autonomen“Oracle-Software begnügen. Dass die CloudMarktführer Amazon Web Services (AWS) und Microsoft mit Azure immer noch starken Zulauf haben, wurmt das Oracle-Management, allen voran Gründer Larry Ellison, gewaltig.
Insbesondere AWS bekam auf der OpenWorld wieder mal sein Fett weg: zu langsam, zu komplex und zu wenig offen befindet Ellison vor allem das Daten-Management-Angebot von Amazon. Mit Redshift und Aurora offeriert der Cloud-Gigant eigene Daten-Management-Systeme, die auf unterschiedliche Aufgaben – Analytics und Transaktionen – spezialisiert sind. Da müssten alle Funktionen von der Scalability bis zur Sicherheit mehrfach entwickelt werden, unkt Ellison, während eine konvergente Datenbanksoftware wie Autonomous, die es genau genommen ebenfalls in zwei Ausführungen gebe, eine einzige Softwarebasis nutze und damit die Komplexität gering halte.
Ganz handzahm gab sich Ellison dagegen in seiner Beziehung zu Microsoft, dem Erzfeind aus früheren Tagen. Er überwand sich sogar, die Microsoft-Produkte zu loben. Schon vor einigen Monaten hatten Oracle und Microsoft angekündigt, ihre Cloud-Architekturen füreinander öffnen zu wollen. Das bekräftigten sie auf der OpenWorld noch einmal. Wie der Gartner-Analyst Ted Friedman erläutert, handelt es sich dabei allerdings um eine „Basic“-Variante von Partnerschaft: „Sie können halt aus einer Computer-Workload in Azure auf Daten aus der Gen 2 Cloud zugreifen.“Trotz Einschränkungen sieht Friedman das Abkommen positiv: „Oracle hat offenbar erkannt, dass die Welt nicht an der Unternehmensgrenze endet.“
Ähnlich ist wohl auch die Partnerschaft mit VMware zu bewerten. Sie zielt darauf ab, den Kunden einen möglichst problemlosen Umzug ihrer Virtual Machines auf die OCI zu ermöglichen. Die organisatorische Arbeit, die sie on Premise auf und mit VMware geleistet hätten, bräuchten die Unternehmen dann nicht noch einmal zu leisten. Ein günstiger Nebeneffekt: Der schwelende Streit um die vor allem von deutschen Nutzern als ungerecht empfundenen VMware-Lizenzen ließe sich im Cloud-Betrieb relativ leicht bereinigen. Gemäß Ellisons Versprechen: „Sie zahlen nur, was sie nutzen“, müsste in der Cloud die Nutzung der OracleSoftware eindeutig nachvollziehbar sein.
Oracle fokussiert sich auf Oracle
Wer nun denkt, dass sich Oracle mit der Rolle als ein Anbieter unter vielen abfindet, hat die Beweggründe für die Öffnung wohl falsch verstanden. So sieht auch Friedman Oracles Cloud-Strategie klar auf die eigene Architektur fokussiert: „Es ist ihre Priorität Nummer eins, die Kunden auf Gen 2 Cloud zu ziehen. Beispielsweise ist es für die Kunden preislich überhaupt nicht attraktiv, Oracle-Software in einer anderen Cloud-Infrastruktur zu fahren.“
Oracle ist nicht gerade bekannt dafür, seine Kunden mit Samthandschuhen anzufassen. Diesmal aber sieht es so aus, als wolle der Softwareriese den Cloud-Interessenten entgegenkommen. Sie sollen die freie Wahl haben, wo sie welche Teile ihrer IT-Umgebung betreiben lassen: in einer Cloud-Infrastruktur, die sie sich mit anderen Tenants teilen, oder in einer „Dedicated“-Umgebung, wo die Daten keine Berührung mit denen anderer Unternehmen haben, hieß es auf der OpenWorld.