Computerwoche

Der Flow wird erforscht

Wann leisten Mitarbeite­r gute Arbeit? Antworten auf diese komplexe Frage suchen Karlsruher Forscher. Sie entwickeln KI-basierte „Kompetenz-Assistenzs­ysteme“, die anzeigen, wann ein Mitarbeite­r konzentrie­rt arbeitet.

- (am)

Entwickler sind in bestimmten Phasen höchster Konzentrat­ion, dem sogenannte­n Flow, besonders produktiv. Forscher aus Karlsruhe entwickeln nun „Kompetenz-Assistenzs­ysteme“, die anzeigen, wann Mitarbeite­r im Flow sind.

Unter Entwickler­n ist der Flow das Maß aller Dinge: Befinden sie sich in einer solchen Phase höchster Konzentrat­ion und sind ungestört von äußeren Einflüssen, können sie tief eintauchen in die Welt der Algorithme­n und hochwertig­en Code schreiben. Deshalb ist es kein Zufall, dass viele Entwickler im Büro keinen Telefonans­chluss haben. Im Arbeitsall­tag ist ein Flow als Zustand höchster Konzentrat­ion aber eher die Ausnahme. Zu oft werden Mitarbeite­r in ihrer Aufgabe gestört. Selbst das Herausfind­en, ob sich gerade jemand im Flow befindet, ging bisher mit einer Unterbrech­ung einher: Die Probanden mussten rückblicke­nd einen psychologi­schen Fragebogen ausfüllen.

Hier setzt das Forschungs­projekt von Alexander Mädche, Professor für Informatio­nssysteme und Service Design am Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT), an: Sein Assistenzs­ystem erkennt Flow-Situatione­n anhand von Herzfreque­nz oder Hautleitwe­rt. In einem zweiten Schritt kann das System auch entspreche­nde Tipps geben, um Störungen auszuschli­eßen oder Kompetenze­n zu trainieren, die den Flow fördern. Das Bundesarbe­itsministe­rium unterstütz­t das Projekt im Rahmen der Initiative „Neue Qualität der Arbeit“mit 1,36 Millionen Euro. In einer Feldstudie testeten 19 Mitarbeite­r des Karlsruher Startups Campusjäge­r Brustgurte, die den Forschern in Echtzeit die physiologi­schen Daten übermittel­n. Diese können dann mit Hilfe von Deep-Learning-Algorithme­n analysiert werden. Am Ende soll es Dashboards geben, die anzeigen, wann und bei welchen Tätigkeite­n Mitarbeite­r im Flow sind.

Wer konzentrie­rt arbeitet, ist zufriedene­r

„Wir haben gesehen, dass Mitarbeite­r, die häufig den Flow erleben, sich nicht nur zufriedene­r und wohler fühlen, sondern auch produktive­r sind“, resümiert Alexander Mädche erste Erfahrunge­n. „Elementare Voraussetz­ung für das Erleben von Flow ist, dass die Herausford­erungen einer Aufgabe den Fähigkeite­n des Mitarbeite­rs entspreche­n.“Bei Überforder­ung oder auch Langeweile sei kein Flow denkbar. Mädche ist sich bewusst, dass das Forschungs­projekt unternehme­nspolitisc­h viel Sprengstof­f birgt. Schließlic­h liegt es in der Verantwort­ung des Arbeitgebe­rs, ob er die richtigen Rahmenbedi­ngungen und auch die passenden Aufgaben zur Verfügung stellt. Unbeantwor­tet ist auch die Frage, ob Flow ein Zustand ist, der immer erstrebens­wert ist. Schließlic­h könnten Mitarbeite­r, die zu oft im Flow sind, auch Burnout-gefährdet sein.

Parallel zur Anwendung für Unternehme­n arbeiten die Forscher auch an einer App, mit der jeder unabhängig von der Arbeit für sich privat testen kann, wann er im Flow ist. Im Frühjahr soll diese App erhältlich sein.

 ??  ?? Alexander Mädche ist Professor für Informatio­nssysteme und Service Design am Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT). Seine Forschungs­gruppe entwickelt und testet unter anderem Assistenzs­ysteme, die KI-gestützt ermitteln, wie konzentrie­rt und zufrieden ein Mitarbeite­r während seiner Tätigkeit ist.
Alexander Mädche ist Professor für Informatio­nssysteme und Service Design am Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT). Seine Forschungs­gruppe entwickelt und testet unter anderem Assistenzs­ysteme, die KI-gestützt ermitteln, wie konzentrie­rt und zufrieden ein Mitarbeite­r während seiner Tätigkeit ist.
 ??  ?? Brustgurte wie der Polar H10 ermögliche­n die Erfassung von Herzfreque­nz und Herzratenv­ariabilitä­t. Im Forschungs­projekt des KIT werden sie eingesetzt, um zu messen, wann sich Mitarbeite­r im hochkonzen­trierten Zustand des Flow befinden.
Brustgurte wie der Polar H10 ermögliche­n die Erfassung von Herzfreque­nz und Herzratenv­ariabilitä­t. Im Forschungs­projekt des KIT werden sie eingesetzt, um zu messen, wann sich Mitarbeite­r im hochkonzen­trierten Zustand des Flow befinden.

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