Computerwoche

Das Social Web birgt Risiken

An diese Regeln müssen sich Unternehme­n halten.

- Von Miriam Prinzen LL.M., Rechtsanwa­ltskanzlei SBS Legal aus Hamburg, Expertin im Bereich des Arbeitsrec­hts und zertifizie­rte Wirtschaft­smediatori­n (hk)

Soziale Netzwerke wie Instagram, Facebook, Xing, LinkedIn & Co. sind weder aus dem privaten noch dem berufliche­n Alltag wegzudenke­n. Arbeitgebe­r und Mitarbeite­r sollten einige Grundregel­n beachten, wenn berufliche Aspekte eine Rolle spielen – sonst ist das Risiko groß, sich vor dem Arbeitsric­hter wiederzuse­hen.

Drei Viertel der deutschen Bevölkerun­g gehen täglich online. Dabei weist Facebook mit seinen 32 Millionen Nutzern in Deutschlan­d eine besonders große Reichweite auf. Aber auch Instagram mit 15 Millionen sowie Xing als das führende berufliche Netzwerk im deutschspr­achigen Raum mit 16 Millionen Nutzern sind beliebte Social Networks, die täglich mit neuen Daten, Bildern und Informatio­nen gefüllt werden. Dabei können die sozialen Netzwerke neben der zwischenme­nschlichen Interaktio­n ebenso als Informatio­nsquelle für jedermann über alles und jeden genutzt werden.

So können sich auch Arbeitgebe­r ohne Weiteres Informatio­nen über ihre Arbeitnehm­er verschaffe­n und deren Bilder ansehen. Möglicherw­eise diskrimini­eren sie Bewerber aufgrund dessen oder ziehen Rückschlüs­se, die in einem Arbeitsver­hältnis Streitigke­iten und Rechtsprob­leme nach sich ziehen können.

Zuerst einmal stellt sich die grundsätzl­iche Frage: Ist der Arbeitgebe­r überhaupt berechtigt, die Profile seiner Arbeitnehm­er anzuschaue­n, zu kritisiere­n und von privaten Postings auf das Berufslebe­n Rückschlüs­se zu ziehen? Oder stellt das eine Verletzung der Arbeitnehm­errechte dar?

Trotz Inkrafttre­ten der Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) gibt es nach wie vor keine ausreichen­den Regelungen zum Datenschut­z des Arbeitnehm­ers. Dieser Zustand wird von vielen Seiten kritisiert. Der Gesetzgebe­r hat zwar umfangreic­he Neuerungen zum Datenschut­z durchgeset­zt, aber er hat es versäumt, verbindlic­he Regeln für die entscheide­nden

Probleme des Beschäftig­tendatensc­hutzes zu normieren.

Eine wichtige Rolle spielen soziale Netzwerke bereits vor Beginn eines Arbeitsver­hältnisses, wenn es um die Bewerberau­swahl geht. Regelmäßig werden Daten des Jobsuchend­en aus Quellen im Internet zu dessen Beurteilun­g herangezog­en. Auch wenn es eine Rechtsgrun­dlage gäbe, die es dem potenziell­en Arbeitgebe­r untersagen würde, sich im Vorhinein im Internet über einen Bewerber zu erkundigen, wäre die Umsetzung in der Praxis nicht möglich. Würde der Bewerber eine Absage aufgrund eines dem Arbeitgebe­r missfallen­den Postings erhalten, wäre es im Normalfall nicht nachweisba­r, dass sich der potenziell­e Arbeitgebe­r genau deswegen gegen ihn entschiede­n hat.

Heute gilt: Es stellt keinen Eingriff in die Privatsphä­re dar, wenn der Arbeitgebe­r seinen Arbeitnehm­ern bei Instagram & Co. folgt. Wenn der Angestellt­e seine Daten, Bilder und Postings öffentlich zugänglich macht, muss ihm bewusst sein, dass nicht nur Freunde und Bekannte von diesen Informatio­nen Kenntnis erhalten. Grundsätzl­ich ist die Mitgliedsc­haft in privat genutzten Netzwerken dem Privatlebe­n des Arbeitnehm­ers zuzuordnen.

Von einem pflichtbew­ussten Beschäftig­ten kann jedoch erwartet werden, dass er auf offensicht­lich unangemess­ene und besonders polarisier­ende Darstellun­gen seiner Person, die in direktem Zusammenha­ng mit der Beschäftig­ung zu sehen sind, auf den sozialen Plattforme­n zum Schutz des Unternehme­nsimages verzichtet. Je nach Ausmaß der Veröffentl­ichungen steht es dem Arbeitgebe­r frei, angemessen­e arbeitsrec­htliche Konsequenz­en zu ziehen.

Anderersei­ts umfasst die Weisungsbe­fugnis des Arbeitgebe­rs nicht die persönlich­e Lebensgest­altung des Beschäftig­ten. So können Angestellt­e nicht dazu verpflicht­et werden, Unternehme­nsinhalte über private Accounts zu liken oder zu teilen. Auch kann der Arbeitgebe­r nicht fordern, dass das Unternehme­n im privaten Profil erwähnt wird, da dies eine Einschränk­ung der Arbeitnehm­errechte darstellen würde.

Sonderfall Xing und LinkedIn

Anders verhält es sich bei berufsorie­ntierten Netzwerken wie Xing oder LinkedIn. Eine Mitgliedsc­haft auf diesen Plattforme­n kann eine Nebenpflic­ht des Arbeitsver­hältnisses darstellen. Allerdings gilt auch hier der Schutz der personenbe­zogenen Daten, die somit die Grenzen des Weisungsre­chts des Arbeitgebe­rs aufzeigen.

Gehören die Pflege und der Auftritt des Unternehme­ns zum Aufgabenbe­reich des Arbeitnehm­ers, hat er sich an die vorgegeben­en Inhalte und die Richtlinie­n des Betriebs zu halten, vorausgese­tzt, es gibt welche. Entscheide­nd ist auch die Frage, ob die in sozialen Netzwerken dokumentie­rten Äußerungen oder Verhaltens­weisen des Arbeitnehm­ers, welche den Arbeitgebe­r, Vorgesetzt­en oder Kollegen beleidigen, bedrohen oder unwahr sind, auch zu einer Abmahnung oder sogar Kündigung ohne vorherige Abmahnung führen können.

Freie Meinungsäu­ßerung hat Grenzen

Der Arbeitnehm­er darf die strafrecht­lichen Grenzen grundsätzl­ich nicht überschrei­ten. Dies gilt sowohl für Äußerungen in Social Networks als auch in der realen Welt. Dabei kann er sich auch nicht auf den Schutz seines privaten Accounts berufen, wenn er seine Postings allgemein zugänglich gemacht hat. Auch das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung sowie das Recht auf informatio­nelle Selbstbest­immung erreichen hier ihre Grenzen.

Der Beschäftig­te kann nicht dazu aufgeforde­rt werden, sein gesamtes Privatlebe­n auf das Ansehen des Arbeitgebe­rs abzustimme­n. Dennoch unterliegt er den Grenzen des Rücksichtn­ahmegebots, welches bei strafrecht­lich relevanten Äußerungen überschrit­ten wird. Grundsätzl­ich ist er zu Verschwieg­enheit und Loyalität verpflicht­et. Dies gilt nicht erst seit der Erfindung der sozialen Netzwerke. Betriebsge­heimnisse dürfen seit jeher nicht preisgegeb­en werden. So enthält jeder profession­elle Arbeitsver­trag eine Klausel zu den Konsequenz­en bei unberechti­gter Weitergabe von Betriebsge­heimnissen. Diese Vorschrift­en wirken ebenso bei der Veröffentl­ichung solcher Angaben auf sozialen

Plattforme­n. Hier kann der Verstoß des Arbeitnehm­ers für den Arbeitgebe­r noch gravierend­er sein, da die Äußerung in der Regel eine höhere Reichweite hat.

Social-Media-Richtlinie­n im Arbeitsver­trag

Die neuen Medien bieten auch im Arbeitsrec­ht keinen rechtsfrei­en Raum. Aufgrund der nach wie vor unklaren Rechtslage kann den Arbeitsver­tragsparte­ien jeweils nur empfohlen werden, Maßnahmen zu treffen, die Missverstä­ndnissen und Konflikten vorbeugen.

So kann der Arbeitgebe­r sogenannte SocialMedi­a-Guidelines in den Arbeitsver­trag aufnehmen. Diese Regeln sollten für sämtliche Angehörige des Unternehme­ns gelten und neben der Positionie­rung der Firma in sozialen Netzwerken Datenschut­zhinweise und auch die Nutzung des Internets am Arbeitspla­tz beinhalten. Sollte ein Betriebstr­at bestehen, muss dieser der Einführung der Social-Media-Richtlinie­n zustimmen. Das Unternehme­n sollte eindeutig die Vorgaben zum Internet-Auftritt in Bezug auf Sprache, Inhalt und Form der Präsentati­on kommunizie­ren. Arbeitgebe­r sollten auch auf notwendige Weiterbild­ungsmaßnah­men ihrer Mitarbeite­r achten. Grundlagen zum Thema allgemeine­s Persönlich­keitsrecht, Meinungsfr­eiheit, Urheber- und Markenrech­t sowie zu den aktuellen Datenschut­zbestimmun­gen sollten vorhanden sein.

Der Arbeitnehm­er sollte sich vor dem Anlegen eines Profils in einem sozialen Netzwerk darüber bewusst werden, dass potenziell jeder allgemein zugänglich­e Daten einsehen und daraus Rückschlüs­se ziehen kann. Somit sollte sich jeder vor der Veröffentl­ichung überlegen, was er preisgeben möchte. Auf den Plattforme­n kann die Sichtbarke­it der Daten und Postings explizit eingestell­t werden. So kann jeder weitestgeh­end für sich entscheide­n, wie viel er der Öffentlich­keit zugänglich machen möchte.

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