Der 3D-Druck ist angekommen
Nur fürs Prototyping? Diese Einschränkung gilt in vielen Unternehmen nicht mehr.
Viele Unternehmen wünschen sich mehr Flexibilität und Geschwindigkeit in ihrer Produktion. Sie möchten einzelne Kunststoffteile und kleinere Serien schneller herstellen können als im aufwendigen Spritzgussverfahren. Der 3D-Druck bietet sich ihnen – mit zunehmender Reife von Technologie und Druckmaterialien – als Lösung an. Etliche Betriebe haben das Experimentierstadium verlassen und nutzen die Technologie jetzt selbst oder mit der Unterstützung von Ingenieurbüros.
Die mediale Aufregung um den 3DDruck – im industriellen Umfeld auch als additive Fertigung bezeichnet – hat sich allmählich gelegt. Das bedeutet aber nicht, dass Anwender kein Interesse mehr hätten. Das Gegenteil ist der Fall: Wurden die Maschinen zu Beginn ausschließlich für Machbarkeitstests und Prototypen eingesetzt, erobern sie nun die Produktionsstätten und Ingenieurbüros. Es geht darum, schnell und flexibel Kleinserien zu günstigen Kosten zu fertigen.
Im vergangenen Jahr verwendeten bereits 48 Prozent der Unternehmen, die sich mit additiver Fertigung beschäftigten, den 3D-Druck auch in der Produktion. Das zeigt eine aktuelle Studie, die die Marktforscher von Sculpteo unter dem Titel „The State of 3D Printing“veröffentlicht haben.
Dieser Prozentsatz liegt zwar immer noch unter dem Anteil derer, die mit 3D-Printern lediglich Proof of Concepts umsetzen oder Prototypen bauen, aber gegenüber 2017, als lediglich 38 Prozent 3D-Drucker in der Produktion verwendeten, ist der Anstieg beträchtlich.
Das hängt auch damit zusammen, dass der 3D-Druck besser geworden ist. 80 Prozent der 1300 von Sculpteo weltweit befragten 3D-Druck-Anwender sagen, sie hätten die Geschwindigkeit in ihren Innovationsprozessen signifikant erhöhen können. 63 Prozent prophezeien, die additive Fertigung werde eine wichtige Rolle im Produktions- und BusinessKontext spielen.
Herausforderung Qualitätskontrolle
Befragt nach den Herausforderungen im Zusammenhang mit dem 3D-Druck nennt ungefähr die Hälfte die Qualitätskontrolle. Es folgen die Aufbereitung der Druckdateien, die Wartung, das Setup der Maschine und die Vorbereitung der Druck-Jobs. Dennoch wollen die meisten Unternehmen diesen einmal eingeschlagenen Weg weitergehen. Sie rechnen überwiegend mit vielen zusätzlichen Anwendungsfällen in den nächsten Monaten.
Den größten Vorteil sehen die Befragten in der Abbildung komplexer Geometrien, den schnellen Iterationen bei der Erstellung von Produkten und Prototypen sowie in Kostenund Geschwindigkeitsvorteilen. Sie wünschen sich aber zuverlässigere Technologien, bessere und umweltfreundlichere Materialien sowie eine einfachere Bedienbarkeit, um die entscheidenden Schritte voranzukommen.
Doch wie funktioniert der 3D-Druck in der Praxis? Wir wollten es genauer wissen und haben das Ingenieurbüro industrialpartners GmbH in Frankfurt am Main besucht, Anwender einer 3D-Druckmaschine von HP Inc. Geschäftsführer Jens Arend stand der COMPUTERWOCHE Rede und Antwort, ebenso Frank Petrolli, verantwortlich für das Deutschland-Geschäft mit 3D-Druckern bei HP.
Fragen an 3D-Druck-Profis
CW: Ist der 3D-Druck aus Ihrer Sicht in der Produktion angekommen?
AREND: Wir haben das Stadium des alleinigen Prototyping definitiv hinter uns gelassen. Wenn es um die Herstellung von größeren Serien geht, würden wir wie bisher im Spritzgussverfahren produzieren lassen. Mittlerweile produzieren wir aber auch mittlere Serien mit Verfahren der additiven Fertigung.
Als wir vor zwei Jahren die Kaufentscheidung für die Multi Jet Fusion von HP getroffen hatten, waren wir sicher, dass der Teiledruck in der Industrie angekommen ist. Wir können heute hochwertige Serienteile aus Kunststoff liefern. Deshalb sprechen wir auch von additiver Fertigung. Die Qualität ist vergleichbar mit konventionellen Fertigungsmethoden, aber die Flexibilität und Geschwindigkeit ist höher und die Kosten können insbesondere für die Produktion von kleinen und mittleren Serien nachhaltig reduziert werden.
Natürlich geht es für uns um Kleinserien, das ist unsere Marktnische. Aber das Volumen wächst, immer mehr Unternehmen denken darüber nach, Teile, die im Spritzgussverfahren hergestellt wurden, durch Kunststoffmaterialien in additiver Fertigung zu ersetzen. Wir machen beides. Wir liefern konventionell produzierte Spritzgussteile und jetzt eben auch Kunststoffteile aus der additiven Fertigung, von denen wir sagen, dass sie für die Umgebung beim Kunden mit seinen Temperaturund Belastungsanforderungen geeignet sind. Dabei verlassen wir uns auf die Zertifikate, die HP ausstellt.
CW: Wie gut sind denn die Materialien inzwischen?
PETROLLI: Aktuell sind vor allem PA11 und PA12 verfügbar. Die Qualität ist vergleichbar mit den Materialien für die klassische Fertigung. Der Ausbau der Druckmaterialien geht kontinuierlich weiter. Wir entwickeln diese bei HP nicht selbst, sondern verlassen uns auf Partner wie Evonik oder BASF, die ihre Materialien für unsere Hardware zertifizieren und über uns verkaufen. Dazu haben wir eine offene ,Materialplattform geschaffen, die funktioniert wie ein App Store. Um in der industriellen Nutzung voranzukommen, spielt das Material eine ganz wichtige Rolle.
CW: Was sind das für Kleinserien, die Sie bei industrialpartners produzieren?
AREND: Wir entwickeln im Kundenauftrag einzelne Teile oder Baugruppen aus Kunststoff, die wir dann unter anderem im additiven Fertigungsverfahren herstellen. Dabei produzieren wir auch komplexe Baugruppen, die über mechanische Eigenschaften verfügen, die sich nur durch den Einsatz der additiven Fertigung realisieren lassen.
Ein Kunde ist zum Beispiel ein Unternehmen der Dentalindustrie aus Hessen. Es entwickelt und produziert Geräte und Instrumente für Zahnarztpraxen und Dentallabors. Das Unternehmen beginnt gerade darüber nachzudenken, nicht nur einzelne, bisher konventionell produzierte Bauteile durch den Einsatz der additiven Fertigung zu substituieren, sondern ganze Baugruppen gemäß den Anforderungen der additiven Fertigung zu überarbeiten. Von dieser Neuentwicklung verspricht sich das Unternehmen vorrangig eine Teilereduktion, eine damit verbundene Kostensenkung und zudem eine mögliche Verbesserung der systemischen Eigenschaften dieser Baugruppen.
Wir entwickeln solche Teile und Baugruppen mit Programmen wie Creo oder Solidworks, testen sie und liefern dann in kleineren oder größeren Chargen. In Absprache mit dem Kunden entscheiden wir, in welchem Verfahren gefertigt wird – entweder mit unserem eigenen 3D-Drucker, den wir hier vor Ort haben, oder wir kaufen situativ zusätzliche 3D-Druckkapazitäten hinzu. Manchmal produzieren wir die Teile, wenn es sich um große Mengen handelt, auch im konventionellen Spritzguss.
Wenn wir in der Lage sind, aus zwei oder drei Teilen eine intelligente Baugruppe zu machen, die wir in der additiven Fertigung herstellen können, sind alle zufrieden. Weitere Vorteile sind Gewichtseinsparungen, wenn wir Teile statt aus Metall aus Kunststoff herstellen. Der Kunde spart Gewicht, Kosten, kann schneller reagieren, situationsbedingt bestellen und hat keine Lagerhaltung.
Wichtig ist, dass wir in der Produktion fortlaufend auf Änderungen reagieren können. Das ist ja bekannt: Man entwickelt ein Produkt, liefert es aus, bekommt Rückkopplung vom Markt und muss Korrekturen vornehmen. Das ist bei Spritzgussteilen schwierig, dazu muss das Spritzgusswerkzeug verändert oder sogar neu gebaut werden, das zieht immer große Kosten nach sich. Wenn wir ein Teil in der additiven Fertigung produziert haben, wird einfach der Datensatz geändert und ich kann in der nächsten Charge schon die Änderungen einpflegen. Der Teilepreis bleibt erhalten.
PETROLLI: Das ist nicht nur für kleine Serienfertiger ein Thema. Auch die großen Automobilhersteller beschäftigen sich damit. Hier sind oft bereits eine Vielzahl von Maschinen im Einsatz. Mit zusätzlicher Automatisierung lässt sich so der Output deutlich erhöhen. Zudem haben die dann beispielsweise ein eigenes Servicebüro intern, oft ist dort der Betriebsmittelbau beheimatet, der spezielle Werkzeuge im 3D-Verfahren druckt.
CW:
Wie groß sind denn die Teile, die Sie herstellen?
„Der Kunde spart Gewicht, Kosten, kann schneller reagieren, situationsbedingt bestellen und hat keine Lagerhaltung.“
Jens Arend, industrialpartners
PETROLLI: Vom Format her würde ich sagen DIN A4 in der Höhe und Breite, 60 Zentimeter in der Tiefe. Das ist der verfügbare Bauraum, der aber nicht zu 100 Prozent ausgenutzt werden kann. Dann spielt noch eine Rolle, wie groß die Packdichte in diesem Bauraum ist. Bei einer günstigen Baudichte können wir 162 Teile von einem 30 Kubikzentimeter großen Teil drucken. Wenn man das auf die Produktionsmaschine bezieht, kommen wir irgendwo in den Bereich von 40.000 bis 50.000 gedruckten Teilen pro Jahr. Wir haben aber auch Kunden, die über 50.000 Teile am Tag produzieren.
Da sind wir auch beim Thema Software: Wir können jeden Materialpunkt, der per Flüssigkeitstropfen in ein Pulverbett gedruckt wird, exakt ansteuern. Das ist hochpräzise und vergleichbar mit Spritzguss, wo wir teilweise ja auch mit PA 11 oder PA12 denselben Kunststoff verwenden.
AREND: Es braucht ungefähr einen Werktag, bis ein gefüllter Bauraum vollständig produziert ist. Dann müssen die verschiedenen Teile nachbearbeitet und gegebenenfalls lackiert werden. So gehen wir von einem Produktionszeitraum von vier bis fünf Werktagen aus.
PETROLLI: In einem Bauraum nur ein einzelnes Teil zu drucken ist nicht wirtschaftlich – es sei denn, es handelt sich um eine größere Komponente mit vielen Funktionen. Man kann den Bauraum ausnutzen, um mehrere Hundert Teile zu drucken. Oder man produziert einen Mix und bearbeitet mehrere Kundenaufträge parallel.
Das Verfahren funktioniert so, dass zunächst ein flaches Pulverbett – halb so dick wie ein menschliches Haar – gestreut wird. Dann werden zwei Flüssigkeiten in das Pulverbett gedruckt. Ein Fusing-Agent, der durch Wärme aktiviert wird. Überall, wo dieser Agent gedruckt ist, wird das Kunststoffpulver verschmolzen. Ein sogenannter Detailing Agent sorgt für eine saubere Oberfläche. Im langsamsten, detailliertesten Modus braucht so ein Verfahren 16 Stunden, im schnellsten Verfahren 11,5 Stunden. Dann ist der Bauraum komplett gedruckt.
Für die Effizienz ist es wichtig, eine optimale Packdichte zu bekommen. Bei den Produktionsmaschinen hat man gegenüber den klassischen Prototyp-Maschinen den Vorteil, dass sie einen effektiven 24/7-Produktionsmodus ermöglichen. Der Bauraum kann nach Fertigstellung einer Charge ausgetauscht werden. Ein neuer Bauraum kommt in die Maschine und der gedruckte Bauraum kommt zum Abkühlen in eine spezielle Processing Unit.
AREND: Wir sind immer bestrebt, den Bauraum komplett zu füllen. Das heißt also, dass Aufträge von unterschiedlichen Kunden gleichzeitig produziert werden können. Da kann durchaus eine Kleinserie von 30 Teilen mit mehreren Einzelteilen in einem Produktionsschritt entstehen. PA12 ist der Kunststoff, mit dem wir produzieren. Das Material ist in vielen Industriebereichen bekannt und akzeptiert.
Das von HP bereitgestellte Material ist äußerst robust, verfügt über wichtige Zulassungen und ist deshalb gut für die Herstellung von Serienelementen in industriellem Maßstab geeignet.
CW: Wie gut ist die Qualität? Kommt es zu Sollbruchstellen, wenn 3D-gedruckte Teile irgendwo eingebaut werden?
AREND: Die auf unserer 3D-Druckmaschine hergestellten Teile zeichnen sich ja gerade durch eine hohe Dichte aus, die mit der Qualität von konventionell produzierten Kunststoffteilen vergleichbar sind. Für mich als Produktgestalter war darüber hinaus unsere Kaufentscheidung für ein Produktionssystem von der ästhetischen Qualität der Oberflächen wesentlich abhängig. Bisher mussten wir immer eine leichte Stufenbildung im Bauprozess akzeptieren. Jeder kennt diesen Effekt, wenn er zum Beispiel mit Konzeptteilen aus FDMDruckern arbeitet. HP stellt ein System bereit,
„Man kann den Bauraum ausnutzen, um mehrere Hundert Teile zu drucken. Oder man produziert einen Mix und bearbeitet mehrere Kundenaufträge parallel.“
Frank Petrolli, HP
das unserem Wunsch nach möglichst glatten, baustufenlosen Oberflächen entgegenkommt. Wir erreichen nicht in sämtlichen Fällen die Oberflächenqualität von Spritzgussteilen. Trotzdem ist die Qualität der Bauteile sehr hoch.
Auch im Spritzguss-Verfahren gibt es ja ein weites Feld an verwendeten KunststoffMaterialien, zum Teil identisch mit denen in der additiven Fertigung. Die Anforderungen sind eben unterschiedlich. Ein Gehäuseteil im Haushalt muss leicht und abwischbar sein, es stellt völlig andere Anforderungen als ein Maschinenteil.
CW: Werden sich in Zukunft Unternehmen selbst 3D-Drucker hinstellen oder eher mit versierten Partnern und Lieferanten zusammenarbeiten?
PETROLLI: Es gibt Unternehmen, die sich selbst so eine Maschine hinstellen, weil sie ihre Kompetenzen nicht aus dem Haus geben wollen. Automobilisten wie Volkswagen haben wie gesagt einen eigenen Betriebsmittelbau und sammeln gegenwärtig mit einer eigenen 3D-Produktion Erfahrungen.
Grundsätzlich ist es aber nicht damit getan, eine Datei an einen 3D-Drucker zu schicken, und dann geht’s los. Es braucht Know-how, um die Teile optimal im Bauraum zu platzieren oder um eine saubere Oberfläche hinzubekommen. Deshalb gibt es für Partner mit diesem Wissen auf absehbare Zeit genug zu tun.
AREND: Die eigentliche Qualifikation liegt ja im Design der Druckteile. Es werden sich auch neue Geschäftsmodelle entwickeln.
Ich könnte mir vorstellen, dass die nächste Druckergeneration von HP noch einfacher bedienbar sein wird. Die Geräte könnten dann beim Endnutzer aufgestellt werden, und wir wären einer der Dienstleister, die ein Teil entwerfen und remote einen Druckbefehl beim Kunden auslösen.
Die Drucker werden dann dort stehen, wo die Teile gebraucht werden. Volkswagen würde zum Beispiel seinen Werkstätten dann 3D-Drucker zur Verfügung stellen. Auf diesen Druckern könnten vor Ort Ersatzeile gefertigt werden.
Partner kennen die Kniffe
PETROLLI: Viele Kunden haben im Zusammenhang mit 3D-Druck gedacht, sie haben eine Datei, laden diese auf einen Drucker und auf Knopfdruck kommt ein Produkt oder Ersatzteil heraus, wie man es sich vorgestellt hat. Das ist heute nicht der Fall, übrigens auch nicht bei Spritzgussmaschinen. Es steckt eben sehr viel Kompetenz in der Konstruktion, im spezifischen Know-how. Und es gibt immer noch ein paar Parameter und Kniffe, die unsere Partner kennen, um ein Teil noch besser zu drucken.
Als HP sehen wir uns in der Rolle, die Technologie bereitzustellen, die offen und konfigurierbar ist, um Parameter möglichst genau einzustellen. Auf dieser Basis haben unsere Partner die Möglichkeit, sich zu differenzieren und ihr spezifisches Know-how einfließen zu lassen. Es stärkt die Servicebüros und macht sie
„Viele Kunden haben im Zusammenhang mit 3D-Druck gedacht, sie haben eine Datei, laden diese auf einen Drucker und auf Knopfdruck kommt ein Produkt oder Ersatzteil heraus, wie man es sich vorgestellt hat. Das ist heute nicht der Fall.“
Frank Petrolli, HP
unersetzlich, dass sie spezielles Know-how in bestimmten Nischen aufgebaut haben, für vertikale Märkte etwa. Sie können bestimmte Software für bessere Texturen entwickeln oder herunterladen.
CW: Wohin will HP den 3D-Druck weiterentwickeln?
PETROLLI: Unser Ziel ist es, den Kunden eine Plattform anzubieten. Dann haben wir einen Drucker, Cloud-basierte Software, eine OpenAPI, um sich beispielsweise mit NXMaschinen zu connecten oder mit anderen 3D-Druckern. Dann kann der Kunde entscheiden, ob er Software von HP oder seine Lieblingssoftware eines anderen Anbieters nutzen möchte – oder eben eine ganz bestimmte Applikation, um bessere Texturen auf ein Material aufzubringen.
Wichtig wird sein, dass sich unsere 3D-Drucker in existierende IT-Strukturen des Kunden einbinden lassen. Der Kunde möchte ein Teil in bestimmten Mengen an bestimmten Orten zur Verfügung haben – hier in Blau, dort in Grün, hier individualisiert, dort mit einer bestimmten Struktur. Diese Bestellung gibt er irgendwo ein – bei HP oder einem Partner. Dahinter steht dann genau die Kombination aus SoftwareTools, Hardware und Druckern, die das möglich macht. Das muss in einer immer wiederkehrenden gleichen Qualität, einer hohen Verfügbarkeit und in einem redundanten System von Hardware und Software möglich sein.
Mir als Kunde ist ja ganz egal, wo das Teil produziert wird. Ich möchte es in der richtigen Qualität und Ausprägung zeitnah und hochwertig am richtigen Ort nutzen können. Und natürlich in einer hohen Flexibilität, wenn sich eben an dem Teil etwas ändert.
AREND: Die Frage ist ja, warum müssen wir eigentlich noch hier bei uns drucken? Vielleicht hat ja der Kunde einen solch großen Bedarf, dass es sich lohnt, den Drucker in seinen
Räumen aufzustellen. Darüber denken wir nach: Müssen wir wirklich hier Hallen aufbauen, drucken und dann einen Paketdienst losschicken? Den Drucker könnten wir binnen zwei bis drei Tagen vor Ort installieren, dann bräuchte man noch jemanden für Nachbearbeitung und Reinigung, that‘s it. Das wäre ein Riesenvorteil gegenüber aufwendigen Spritzgussmaschinen.
CW: Der 3D-Druck kommt zwar voran, aber doch eher in kleinen Schritten. Warum ist das so?
PETROLLI: Wir haben seit unserer Markteinführung der ersten Drucker vor drei Jahren beachtliche Erfolge aufzuweisen. Und trotzdem: Wir arbeiten gegen eine große Lobby an. Jeder weiß seit Jahren, wie eine optimale Produktion aussehen muss, die Aufstellung der Maschinen, die Arbeitswege, die MES etc. So entsteht der Eindruck, es gebe keine Verbesserungspotenziale mehr. Hier ist Umdenken gefragt. Diese Leute sind oft nicht bereit, ihre Arbeitswelt in Frage zu stellen. Da haben wir noch viele Herausforderungen.
Die hybride Fertigung bietet viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit, die noch bei Weitem nicht ausgeschöpft sind. Erste Unternehmen – speziell in der Automobilindustrie – haben den Schritt bereits erfolgreich getan.
Eine Möglichkeit ist sicher das Betreibermodell: Als Autobauer stelle ich meinem Lieferanten Fläche auf meinem Gelände zur Verfügung und lade ihn ein, darin zu produzieren. Ich sage ihm genau, was er produzieren soll in welcher Qualität und Quantität. Da sehe ich eine große Chance. Die Spritzgussmaschine kann in solchen Szenarien nicht auf flexible Produktionsanforderungen reagieren.
AREND: Wenn man das weiterdenkt, sieht man auch die Potenziale, die additive Fertigung für den deutschen Industriestandort hat. Viele Produktionsaufgaben, die nach China oder in andere Länder ausgelagert wurden, ließen sich wieder zurückholen, weil wir mit 3D-DruckMaschinen schnell, preiswert und flexibel Kleinserien drucken könnten, die hier billiger sind als in China. Schließlich sind auch dort die Ingenieure teuer geworden.