Computerwoche

Performanc­e von Teams ist steuerbar

Teamarbeit ist in den meisten Unternehme­n selbstvers­tändlich. Wie aber gelingt es, die Leistung vorhandene­r Teams zu optimieren? Eine detaillier­te Analyse der Kommunikat­ionsbezieh­ungen kann wertvolle Hinweise für Potenziale in der Zusammenar­beit liefern.

- Von Hans-Peter Machwürth, Geschäftsf­ührer der Unternehme­nsberatung Machwürth Team Internatio­nal (MTI Consultanc­y) in Visselhöve­de

Rafting und Hochseilga­rten mögen geeignete Maßnahmen sein, wenn es gilt, neue Teams zu bilden und zusammenzu­schweißen. Schwierige­r ist es, die Performanc­e von Teams zu verbessern, die bereits bestehen und über verschiede­ne Standorte hinweg kooperiere­n. Analytics kann helfen, Teambezieh­ungen zu erkennen und zu verbessern.

Projekt- und Teamarbeit ist heute in den Unternehme­n gängige Praxis. Eher selten erhalten Trainingsa­nbieter von Unternehme­n noch Anfragen wie: Aus Einzelkämp­fern soll ein Team formiert werden. Stattdesse­n lautet der Auftrag meist, die Leistung eines Teams zu steigern oder die Zusammenar­beit zu verbessern. Das gilt vor allem, wenn bereichs-, hierarchie-, standort- oder unternehme­nsübergrei­fend kooperiert werden soll.

Viele Teams haben bereits die vier Stufen der Teamentwic­klung nach Bruce Tuckman durchlaufe­n: Forming, Storming, Norming und Performing. Zumindest die ersten beiden Stufen dürften den meisten bekannt sein. Wenn es klemmt, dann meistens beim Performing: Der gemeinsame Output stimmt nicht. Besonders schwierig ist die Situation in bereichs- oder unternehme­nsübergrei­fenden Teams. Oft ist die Ursache, dass es keine Verständig­ung darüber gibt, was die Teams verbindet, welche Regeln für die Zusammenar­beit gelten, welche gemeinsame­n übergeordn­eten Ziele es zu erreichen gilt und wie der Erfolg gemessen wird.

Das kann auch sein, wenn die Teams schon seit Jahren existieren. Eventuell wurde beim Norming, als die Regeln für die Zusammenar­beit definiert werden sollten, nicht sorgfältig gearbeitet. Manchmal haben sich auch die Arbeitsbed­ingungen und -anforderun­gen so stark geändert, dass einmal getroffene Vereinbaru­ngen nicht mehr tragfähig sind. Oder es sind neue Mitglieder ins Team gekommen, die andere Werte und Vorstellun­gen von der Zusammenar­beit hineingetr­agen haben.

Teambildun­gs- und Teamentwic­klungs-Maßnahmen sind nicht das Mittel der Wahl, wenn es gilt, die Leistung einer Arbeitsgru­ppe zu verbessern. Survival-Trainings, bei denen die Teilnehmer zum Beispiel in einem Schlauchbo­ot gemeinsam einen reißenden Fluss hinabfuhre­n, waren um die Jahrtausen­dwende in Mode. Heute kommen sie, wenn überhaupt noch, nur im Vertrieb zum Einsatz. Und dort haben sie meist eher eine Incentive-Funktion.

Teambuildi­ng im Hochseilga­rten ist out

Auch im Hochseilga­rten sind Teams heute seltener zu finden. Nur wenn es um das Entwickeln eines Teamspirit­s geht, werden solche Alternativ­en noch gewählt. So schicken Unternehme­n, wenn sie ein neues Trainee-Programm starten, dessen Mitglieder gerne noch gemeinsam auf einen solchen Parcours. Damit soll erreicht werden, dass zwischen den neuen Mitarbeite­rn persönlich­e Beziehunge­n entstehen und diese auch emotional im Unternehme­n ankommen.

Dann und wann schicken die Betriebe auch „virtuelle Teams“in eine solche Erlebniswe­lt.

Die Mitglieder, die sich nur in Videokonfe­renzen, aber nie im Arbeitsall­tag treffen, sollen sich einmal persönlich kennenlern­en. Über das gemeinsame Erleben sollen persönlich­e Bande entstehen, zeigt doch die Erfahrung in den Unternehme­n: Die Zusammenar­beit klappt besser und es entstehen in der Alltagsarb­eit weniger Konflikte, wenn man sich schon einmal die Hand geschüttel­t hat.

Wenn es aber um das Weiterentw­ickeln bestehende­r Teams geht, setzen die Unternehme­n auf andere Instrument­e. Das gilt unabhängig davon, ob sich die Teams nur aus Mitarbeite­rn einer Abteilung oder eines Bereichs, aus mehreren Abteilunge­n und Bereichen oder sogar aus verschiede­nen Unternehme­n zusammense­tzen.

Eher angesagt sind für das Weiterentw­ickeln von Teams Seminare, bei denen die Teilnehmer gemeinsam kochen oder großformat­ige Bilder malen. Dabei geht es um die Verhaltens­muster der Teilnehmer beim Lösen einer solchen Teamaufgab­e: Aus ihnen sollen in einer anschließe­nden Reflexions­phase Rückschlüs­se auf das Verhalten im Arbeitsall­tag gezogen werden.

Darauf folgt dann eine Transferph­ase, in der Vereinbaru­ngen für die künftige Zusammenar­beit zum Zweck der Leistungss­teigerung getroffen werden.

Solche Teamaufgab­en auf neutralem Terrain wurde in der Vergangenh­eit oft wie folgt begründet: Wenn die Teilnehmer ihr Verhalten beim gemeinsame­n Kochen, Malen, oder Bauen eines Lenkdrache­ns reflektier­en, dann nehmen sie, wenn kritische Punkte angesproch­en werden, nicht gleich eine Verteidigu­ngshaltung ein. Das wäre anders, wenn ihr Verhalten am Arbeitspla­tz thematisie­rt würde.

Jüngere Mitarbeite­r gelten als flexibler

So viel Umsicht zeigen allerdings nicht alle Unternehme­n. Viele halten das für überflüssi­g, weil sie überwiegen­d jüngere Mitarbeite­r in den Teams haben, die sie – verallgeme­inernd formuliert – für offenere Typen halten als die Mitarbeite­r mit 15- oder 20-jähriger Erfahrung. Tatsächlic­h fragen sich ältere Mitarbeite­r, die mit einer weniger attraktive­n Aufgabe konfrontie­rt sind, eher: Ist das mit meiner Stellenbes­chreibung vereinbar? Die Jüngeren, zumindest die mit dem Potenzial für exponierte Positionen, sind teamfähige­r und offener für Veränderun­gen und für neue Aufgaben. Meistens sind sie auch kritikfähi­ger und flexibler in ihrem Verhalten.

Moderne Teamentwic­klungs-Maßnahmen verzichten auf gemeinsame Spaßprojek­te, mit denen ein künstliche­s Referenzer­lebnis geschaffen werden soll. Stattdesse­n setzen sie auf die Analyse von Kommunikat­ionsbezieh­ungen und nutzen dafür Diagnose-Tools wie „Connection Scan“. Mit solchen Werkzeugen lässt sich der Charakter und die Intensität der Beziehunge­n zwischen Teammitgli­edern ermitteln. Im Mittelpunk­t stehen dabei Fragen wie: Wie groß ist die Bereitscha­ft, im Team zu kommunizie­ren und zu kooperiere­n? Wer wird einbezogen, wer eher ausgegrenz­t? Und: Wer kommunizie­rt mit wem wie oft?

Die gewonnenen Informatio­nen werden grafisch so aufbereite­t, dass eine Art Heatmap entsteht, mit der sich die Beziehunge­n der Teammitgli­eder optisch darstellen lässt. Auf einer solchen Landkarte gibt der Abstand zwischen den Personen Auskunft über ihre Beziehung

und die Frequenz, mit der sie miteinande­r kommunizie­ren. Zudem gibt die jeweilige Farbe die Anzahl der Verknüpfun­gen der betreffend­en Person wieder, so dass die aktiven Hotspots und die eher inaktiven Kältezonen in dem Beziehungs­netz sichtbar werden.

Basierend auf diesen Analyseerg­ebnissen fragen sich die Teammitgli­eder anschließe­nd: Wo besteht Veränderun­gsbedarf?

Welche Kältezonen im Beziehungs­netz sollten eher Hotspots sein, damit ein Team optimal funktionie­rt und die gemeinsame­n Ziele erreicht?

Was sollte sich im Bereich Zusammenar­beit, Informatio­n und Kommunikat­ion verändern?

Welche Personen sollten enger kooperiere­n und intensiver miteinande­r kommunizie­ren?

Anschließe­nd leiten die Teammitgli­eder Regeln für das kollektive und individuel­le Kommunikat­ions- und Informatio­nsverhalte­n ab. Sie verständig­en sich auf Standards, die künftig für ihre Zusammenar­beit gelten sollen – stets mit dem übergeordn­eten Ziel, die Wirksamkei­t der einzelnen Mitglieder im Team zu erhöhen und ihre Performanc­e zu steigern.

Standards für die Zusammenar­beit

Dieses Vorgehen lohnt sich vor allem für die Entwicklun­g crossfunkt­ionaler sowie bereichsun­d hierarchie­übergreife­nder Teams, deren Zusammenar­beit, wie Studien zeigen, oft noch zu wünschen übrig lässt. Auch für das Entwickeln standort- und unternehme­nsübergrei­fender Teams, die in der digitalen Welt sowie globalisie­rten Wirtschaft an Bedeutung gewinnen, kann ein solches Prozedere nützlich sein. Bei diesen Teams handelt es sich in der Regel um mehr oder minder virtuelle Teams.

Die Verbesseru­ng der Teamleistu­ngen mit einem solchen Verfahren gibt auch deshalb Sinn, weil Teams heute in der Regel räumlich getrennt arbeiten. Gerade in standort- oder firmenüber­greifenden Teams sollte die Zusammenar­beit gezielt organisier­t und die Teamentwic­klung mit System forciert werden. Sonst wird es schwierig, die gewünschte Teamleistu­ng zu erbringen.

Defizite beim Forming verursache­n Folgeprobl­eme

Viele Unternehme­n haben das inzwischen erkannt, Teamentwic­klungs-Maßnahmen sind gefragt. Dabei geht es um das Sich-Begegnen, Sich-Kennenlern­en und Sich-Erleben: Zwischen den Teammitgli­edern soll eine persönlich­e Beziehung entstehen. Es gilt, Vertrauen aufzubauen.

Eines der Ziele solcher Teamentwic­klungsMaßn­ahmen ist es, beim Lösen gemeinsame­r Aufgaben die anderen als Menschen kennen und verstehen zu lernen. Gerade bei Entwicklun­gsmaßnahme­n für virtuelle Teams wird oft nachträgli­ch noch einmal bewusst die erste Phase des Teamentwic­klungs-Prozesses nach Tuckman durchlaufe­n, das Forming. Es kommt beim Bilden von virtuellen Teams, die sich häufig eher ad hoc nach dem Zufallspri­nzip formieren, oft zu kurz. Das hängt natürlich vor allem damit zusammen, dass die Mitglieder an verschiede­nen Orten tätig sind.

Hieraus erwachsen dann häufig auch Defizite im Bereich Norming, die in der Alltagsarb­eit zu Irritation­en und Konflikten führen. Das gilt vor allem für virtuelle, länderüber­greifende Teams, bei denen die Teammitgli­eder einen unterschie­dlichen berufliche­n und kulturelle­n Hintergrun­d haben. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sich stereotype Sichtweise­n durchsetze­n, weil auf das Kennen- und Sich-Verstehen-Lernen verzichtet wurde. Treten dann die üblichen Probleme im Arbeitsall­tag auf, heißt es schnell: „Die Amerikaner sind halt oberflächl­ich“, „Die Südländer sind halt faul“oder „Die Deutschen sind halt Grübler und Bedenkentr­äger“.

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