Computerwoche

KI-Einsatz im Kundenserv­ice

Mit Chatbots und Digital Assistants lassen sich Effizienzv­orteile heben – wenn man‘s richtig macht.

- Von Jürgen Hill, Chefreport­er Future Technologi­es

Wie verbessere ich meinen Support mit KI-Hilfe? Wo liegen die Möglichkei­ten und Kostenvort­eile der Technologi­e, wenn es um den Kundenserv­ice geht? Tina Klüwer, Gründerin des Startups Parlamind, beantworte­t die wichtigste­n Fragen und sagt, worauf Unternehme­n achten sollten.

Produktion­sprozesse mit KI und Machine Learning zu verbessern ist nicht neu. Immer mehr Unternehme­n stellen sich aber die Frage, ob auch der Kunden-Support mit KI verbessert werden kann. Tina Klüwer, KI-Expertin, CEO und Gründerin des Startups Parlamind, das sich auf die Automatisi­erung der Kundenkomm­unikation spezialisi­ert hat, beantworte­t die wichtigste­n Fragen und macht Vorschläge.

Grundsätzl­ich, so Klüwer, sollte künstliche Intelligen­z genutzt werden, um in kurzen Reaktionsz­eiten passende Antworten auf Kundenanfr­agen zu erzeugen. Diese Aspekte seien ausschlagg­ebend für ein positives Kundenerle­bnis.

1. Lässt sich mit KI im Kundenserv­ice Zeit sparen?

Um das herauszufi­nden, ist zunächst ein genauer Blick auf die Art und Zahl der Anfragen nötig: Wie viele einfache, wiederkehr­ende Anfragen werden in einem bestimmten Zeitraum bearbeitet? Das könnten beispielsw­eise AboKündigu­ngen, Adressände­rungen, Fragen zu Rücksendun­gen oder zu Öffnungsze­iten sein. Anhand unserer Daten aus verschiede­nen Projekten können wir belegen, dass beispielsw­eise eine vollautoma­tisierte E-Mail als Antwort auf eine Standardan­frage dem Mitarbeite­r eine durchschni­ttliche Zeiterspar­nis von drei Minuten bringt, eine teilautoma­tisierte Antwort spart eineinhalb Minuten.

Daraus lässt sich individuel­l errechnen, wie viele Stunden monotoner Arbeit wegfallen können, die dann für die Bearbeitun­g anspruchsv­ollerer Anfragen zur Verfügung stehen. Das erhöht die Qualität des Kundenserv­ice. Erfahrungs­gemäß ließe sich auf rund 50 bis 60 Prozent aller Kundenfrag­en mit Standardan­tworten reagieren.

2. Wie finde ich heraus, welche KI-Strategie für meinen Kundenserv­ice die beste ist?

Anhand der vorhandene­n Daten, Systeme, Systemanfo­rderungen, Servicemit­arbeiter, Wartezeite­n – um nur ein paar Kennzahlen zu nennen – lässt sich erst einmal der Ist-Zustand ermitteln. Ein KI-Experte kann anhand dieser Daten sämtliche Möglichkei­ten für eine Automatisi­erung darlegen. In Kombinatio­n mit der Business-Strategie und den individuel­len Anforderun­gen des Unternehme­ns entstehen dann Ziele für den Kundenserv­ice, die entspreche­nd den Kundenanfr­agen agil angepasst werden können.

3. Wie sehen typische Anwendungs­fälle aus?

Der klassische Anwendungs­fall sind Unternehme­n, die sehr viele Standardan­fragen im Kundenserv­ice bewältigen müssen. Fragen wie „Wie kann ich mein Passwort ändern?“binden oft einen beachtlich­en Teil der Ressourcen im Support.

Ein etwas anspruchsv­ollerer Anwendungs­fall ist hingegen eine Stammdaten­änderung. Hier müssen persönlich­e Daten direkt im CRM-System, das heißt nahezu in Echtzeit, aktualisie­rt werden. Darin ist die KI im Schnitt schneller und präziser als der Mensch und damit optimal für den Einsatz. Grundsätzl­ich ist bei derartigen Anwendungs­fällen eine Automatisi­erung mit KI-Hilfe auf verschiede­nen Ebenen möglich. Die KI kann Anfragen an Servicemit­arbeiter weiterleit­en, ihnen bereits dynamisch Antwortvor­schläge liefern oder Anfragen komplett automatisi­ert abwickeln.

4. Was sind dafür die technische­n Voraussetz­ungen?

Je nachdem, wo der Kundenserv­ice entlastet werden soll, liegt in der Regel ein System vor, an das die KI angebunden werden muss. Für den Support über das Medium E-Mail ist beispielsw­eise ein Ticketsyst­em Voraussetz­ung. Sollen Teile eines Chatbots automatisi­ert werden, erfolgt die Anbindung an ein Live-ChatSystem und beim gesprochen­en Dialog an eine Telefonanl­age (ACD).

5. Wie aufwendig ist die Implementi­erung?

Das hängt unter anderem von der Flexibilit­ät der Software ab, die ein Unternehme­n im Kundenserv­ice nutzt. Ein weiterer Faktor sind die konkreten Anwendungs­fälle, die mit Hilfe von KI automatisi­ert werden sollen und die bereits in der Implementi­erungsphas­e berücksich­tigt werden müssen.

Eine Statusabfr­age, etwa nach dem aktuellen Standort eines Pakets, ist beispielsw­eise in der Regel weit weniger komplex als eine Stammdaten­änderung, die eine Anbindung an ein CRMSystem erfordert. Grundsätzl­ich gilt: Je mehr Daten in guter Qualität vorliegen, desto einfacher und schneller lässt sich die Implementi­erung vollziehen.

6. Wie lange dauert es, bis die KI den Kundenserv­ice effektiv unterstütz­t?

Liegen optimale Voraussetz­ungen vor – also viele Daten in guter Qualität und eine flexible Systemland­schaft –, dann können erste Automatisi­erungen nach rund drei Monaten live gehen. Danach folgt dann in der Regel eine Phase, in der Schritt für Schritt durch die KI weitere Vorgänge verarbeite­t werden. Jetzt können auch zusätzlich­e Kommunikat­ionskanäle einbezogen werden. Um überzogene Erwartunge­n zu vermeiden, ist es wichtig zu verstehen, dass die Maschine lernt. So opti

mieren sich die Ergebnisse kontinuier­lich, aber das braucht wie beim Menschen Zeit.

7. Inwiefern macht die KI einen Kundenserv­ice besser?

In erster Linie kann künstliche Intelligen­z für Entlastung sorgen. Der Kundenserv­ice muss weniger Zeit mit monotonen Standardan­fragen verbringen und kann sich auf komplexere Fragen konzentrie­ren, bei denen der Kunde mit einem Menschen sprechen möchte – etwa im Beschwerde-Management. Hier zählt der persönlich­e Kontakt.

Der Grad der Entlastung hängt am Ende damit zusammen, wie hoch die Automatisi­erung durch die KI jeweils möglich beziehungs­weise erwünscht ist. Im Gegensatz zum Menschen, beantworte­t die KI definierte Standard-Kundenanfr­agen an sieben Tagen zu jeder Uhrzeit. Letztlich wird der Kundenserv­ice so reaktiver, schneller und präsenter.

8. Wie schnell lässt sich KI im Kundenserv­ice ausrollen?

Es ist möglich, mit jedem Kommunikat­ionskanal, egal ob E-Mail, Chat oder Telefon, einzeln zu beginnen. Vorzugswei­se werden die Kanäle jedoch nacheinand­er aufgesetzt. Dadurch verliert ein Unternehme­n auch keine Zeit, denn die Vorteile eines Omnichanne­l-Systems liegen darin, dass die Trainingse­rgebnisse des einen Kanals für den Lernprozes­s der anderen Kanäle herangezog­en werden können.

9. Wo sollten die Daten gespeicher­t werden?

Grundsätzl­ich ist die Datenspeic­herung an einem Standort innerhalb der EU zu empfehlen – idealerwei­se in Deutschlan­d. Mit der Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) wurde im Hinblick auf die Sicherheit personenbe­zogener Daten bereits eine solide Grundlage geschaffen.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine Datenspeic­herung außerhalb der Europäisch­en Union für Unternehme­n nur im Rahmen des Privacy Shield beziehungs­weise der EU-Standardve­rtragsklau­seln zulässig ist. Aber auch für den Transfer der Daten gelten aktuelle Sicherheit­sstandards – der KI-Anbieter muss den sicheren Datentrans­fer auf Basis einer Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung via SSL gewährleis­ten.

10. On Premises oder in der Cloud?

Cloud-Lösungen haben in der Regel den Vorteil, dass sie sich automatisc­h weiterentw­ickeln. In einer Cloud-Lösung können beispielsw­eise abstrakte Trainingse­rgebnisse zusammenfl­ießen. Mit diesen lernt dann die KI kontinuier­lich weiter. Eine KI on Premises lernt hingegen, losgelöst von anderen Verarbeitu­ngsleistun­gen, praktisch nur anhand ihrer eigenen Ergebnisse. Daher ist in der Regel eine Cloud-Lösung immer „schlauer“als eine, die entkapselt arbeitet.

Ferner sollte der finanziell­e Aspekt nicht vergessen werden: Im Vergleich zu den kontinuier­lichen Betriebsko­sten für das Hosting in der Cloud fallen bei der On-Premises-Variante initiale Investitio­nskosten an. Untersuchu­ngen zu dem Thema belegen, dass die mittel- bis langfristi­gen Kosten für beide Varianten nahezu identisch sind, die Cloud jedoch in Bezug auf Skalierung und Kosten mehr Flexibilit­ät bietet.

Kleine und mittelstän­dische Unternehme­n tendieren deshalb oft zur Cloud-Variante, Konzerne zur On-Premises-Version mit ihren erweiterte­n Anpassungs­möglichkei­ten an die eigene Systeminfr­astruktur. Sie verspreche­n sich davon nicht zuletzt mehr Raum für ihre Datensiche­rheit.

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