Kosten senken und Innovationen schaffen: Von CIOs wird 2020 ein Spagat verlangt
Im neuen Jahr kämpfen CIOs mit gegenläufigen Anforderungen. Sie müssen aufgrund des wachsenden Kostendrucks die vorhandenen IT-Strukturen effizienter ausrichten, gleichzeitig aber Innovationen vorantreiben. Dabei wird den Verantwortlichen nur allmählich klar, dass beides zusammenhängt: Digitale Innovationen lassen sich mit einem schlanken, modernen Backend besser umsetzen als mit einer Legacy-Infrastruktur, die viele Ressourcen bindet.
Wegen der sich eintrübenden Konjunktur in vielen Märkten sehen sich CIOs und IT-Manager mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Der Druck, die IT-Kosten zu senken, bleibt hoch, gleichzeitig muss die IT digitale Initiativen unterstützen und durch die Einführung innovativer Technologien neue Geschäftsfähigkeiten und -modelle ermöglichen. Dabei stehen aber auch diese Initiativen häufig unter hohem Rechtfertigungsdruck und müssen beweisen, dass sie tatsächlich einen messbaren und nachhaltigen Wert schaffen.
Sparzwänge sind in der IT nicht neu, an den hohen Innovationsdruck haben sich indes noch nicht alle CIOs gewöhnt, sie suchen noch nach einer befriedigenden Antwort. Viele Firmen gründen separate Digital- oder IT-Einheiten für das schnelle Bearbeiten von Innovationsthemen und bemühen sich gleichzeitig darum, vorhandene IT-Strukturen zu optimieren. Diese beiden, teils widersprüchlichen Aufgaben werden heute oft unter dem Schlagwort Ambidextrie diskutiert. Sie dürften CIOs auch im Jahr 2020 intensiv beschäftigen.
Auf der Liste der wichtigen Themen im Jahr 2020 steht für CIOs eine Menge: die Stärkung des Wertbeitrags der IT, das Nutzen vielfältiger Cloud-Dienste und neuer Integrationsarchitekturen – oft in Verbindung mit Initiativen zur Transformation von Legacy-IT-Landschaften – oder auch der Rollout von KI-Anwendungen. Darüber hinaus gilt es, Kunden durch die Gestaltung der Customer Experience ein besonderes „Wow-Erlebnis“zu verschaffen, Potenziale aus der Konvergenz von IT und operativer Technologie zu identifizieren und diese in Verbindung zu setzen mit Anstrengungen, mehr Wert aus dem Datenpool des Unternehmens zu generieren. Gleichzeitig müssen CIOs den steigenden Informationssicherheits- und Datenschutzanforderungen durch weitere Automatisierung begegnen. Auch dafür wird KI eine Rolle spielen. All dies erfordert in vielen Fällen eine Anpassung des IT-Operating-Modells.
Vier wichtige Trends sollen im Folgenden genauer beleuchtet werden:
1. Unternehmen werden verstärkt ihre Datenschätze heben, um primäre Wertschöpfungsprozesse umzusetzen, die Entscheidungsfindung
„Unternehmen werden ihre Datenschätze heben, um primäre Wertschöpfungsprozesse umzusetzen, die Entscheidungsfindung zu verbessern und neue Serviceangebote zu entwickeln.“
zu verbessern und neue Serviceangebote zu entwickeln.
2. Hierauf aufsetzend werden KI-basierende Anwendungen Optimierungen in der primären Wertschöpfung vorantreiben.
3. IT-Landschaften werden flexibilisiert, Legacy-Systeme transformiert. Tatsächlich steht dieses Vorhaben nicht zum ersten Mal auf der CIO-Agenda.
4. Der Trend in Richtung neuer IT-OperatingModelle verstärkt sich, Business und IT wachsen zusammen.
Auf der Suche nach den Daten
Punkt 1, die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen durch intelligente Datenanalysen, stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, da sie oft schon Schwierigkeiten haben, die in ihren Unternehmen verteilten Daten zu identifizieren. Mit zunehmender Digitalisierung entstehen in nahezu jedem Prozess wertvolle Daten, die aber meistens nicht ausreichend genutzt werden.
Nehmen wir als Beispiel den Einkauf, wo die intelligente Verknüpfung von Spezialwissen und Analytics-Fähigkeiten einen genaueren Blick auf Preise und Spezifikationen von Komponenten ermöglicht. Auf Knopfdruck lassen sich Differenzen zwischen tatsächlich gezahltem und durch Regression abgeleitetem Preis (basierend auf den den Preis beeinflussenden technischen Spezifikationen) finden. So zeigen sich signifikante Sparpotenziale für anstehende Lieferantenverhandlungen.
Die erfolgreiche Umsetzung derartiger Anwendungsfälle hängt aber vom Reifegrad der Analysekompetenz in den Geschäftsfunktionen, dem zugrunde liegenden Operating-Modell und der Investitionsbereitschaft ab. Eine aktuelle Studie von A. T. Kearney zum „Analytics Impact Index“zeigt, dass die führenden Analytics-Nutzer – das sind nur sechs Prozent der von uns befragten Unternehmen – bis zu 83 Prozent mehr Gewinn erzielen als die Nachzügler. Gelingt es, etwa im Beschaffungsbereich die vorhandenen Daten zu nutzen, ist eine Steigerung des Return on Investment um bis zu 24 Prozent möglich.
KI braucht visionäres Management
Der zweite Aspekt, die Transformation der Wertschöpfung mittels künstlicher Intelligenz, beginnt mit einer visionären Führung. Unternehmen, die hier besonders fortgeschritten sind, werden von Führungskräften geleitet, die kognitive Technologien als Teil einer Produktstrategie einsetzen, um die nächste Evolutionsstufe zu erreichen. Unbeeindruckt vom Risiko des Scheiterns sind diese Führungskräfte bereit, Wetten auf eine andere, modernere Zukunft zu platzieren. In der
Praxis verfügen sie über große und weiter wachsende Datenspeicher, ausgefeilte Algorithmen und umfangreiche Verarbeitungsmöglichkeiten. Auch haben sie genügend Unternehmergeist, um die Herausforderung der KI anzugehen.
Die Rede ist oft von einer KI-First-Strategie, wie man sie von Google, Amazon und Co. kennt. Entsprechende Apps und SoftwareServices setzen maschinelles Lernen ein, um ihre Benutzer zu informieren und zu unterstützen. Mit dem Hinzufügen einiger KI-Features zu einem alten Softwareprodukt ist es nicht getan. Es geht vielmehr um das Neudefinieren des Angebots und die Gestaltung der Nutzererfahrung im Hinblick auf die Möglichkeiten der KI. Diese ist von Anfang an ein Treiber des Designs, statt nur später zur Produkt-Roadmap hinzugefügt zu werden. Prominente Beispiele sind die Produktempfehlungen von Amazon. com, die Preisberechnungen und Routenplanungen von Uber und Lyft, die Kommunikation bei Mercedes MBUX und die Kunde-ArtikelZuordnung im Amazon Go Store. Hier wurden
jeweils Kern-Features von Beginn an mit KI realisiert.
„Wissenschaftler schätzen, dass Menschen täglich etwa 35.000 Entscheidungen treffen, also mehr als eine Milliarde im Leben“, sagt Ola Engebretsen, Partner von A.T. Kearney. „Die KI hat das Potenzial, uns zu helfen, die Qualität der Entscheidungen, die wir in einer Vielzahl von kritischen Bereichen treffen, zu verbessern.“KI nicht nur als kleine Hilfe, sondern als zentralen Bestandteil von Produkten und Services zu betrachten und somit direkt auf die Wertschöpfungskette zu wirken, wird in den nächsten Jahren weiterhin im Trend liegen.
Altsysteme binden das Budget
Der dritte Punkt ist die IT-Legacy-Transformation, die eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Digitalisierung darstellt. Viele Unternehmen erreichen ihre diesbezüglichen Ziele nicht, obwohl sie sich intensiv um eine Modernisierung und Rationalisierung der bestehenden IT-Anwendungslandschaften bemühen. Deshalb bleiben die Ausgaben für den Betrieb und die Wartung von Altsystemen ein großer Posten im IT-Etat, und das betrifft längst nicht mehr nur alte Großrechner-Anwendungen, sondern auch schon die vor 15 bis 20 Jahren eingeführten ERP- und CRM-Lösungen.
Auch Unternehmen, die in ihrer Strategie die Digitalisierung als wichtigen Faktor definiert haben, weisen in vielen Fällen einen Anteil der Betriebs- und Wartungsausgaben an den IT-Gesamtausgaben von über 80 Prozent aus. Die Investitionsspielräume für IT- und Digitalinnovationen sind deshalb gering.
Viele Unternehmenslenker haben in den vergangenen drei bis vier Jahren großes Interesse an Digitalinitiativen gezeigt und viel Geld in die Entwicklung neuer Geschäftsfähigkeiten gesteckt. Dabei wurde oft die Aufmerksamkeit des Topmanagements von wichtigen Legacy
Transformations-Projekten auf die digitalen Projekte umgelenkt – ebenso die Ressourcen. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass nun oft ein Transformationsstau entstanden ist, der die schnelle Umsetzung weiterer Innovationsvorhaben behindert. Alte Anwendungslandschaften sind ja nicht nur teuer, sondern auch monolithisch konzipiert. Es fehlen Standardschnittstellen und die engen Abhängigkeiten zwischen den Funktionen führen zu aufwendigen Implementierungsprozessen bei neuen Lösungen. So wird die agile Bereitstellung neuer Geschäftsfähigkeiten ausgebremst.
Das Spektrum der möglichen Konsolidierungsund Modernisierungsoptionen ist breit, es reicht von der Portierung einer Altanwendung auf eine neue Plattform über das Einkapseln bis hin zur Ablösung. Aktuell gewinnt die Option, Legacy-Anwendungen durch neue, vielfältige Software-as-a-Service-Lösungen abzulösen, an Bedeutung. Wesentliche Aspekte sind eine schnelle Verfügbarkeit der neuen Lösung, die Flexibilität und Modularität der meisten dieser Lösungen sowie die Möglichkeit, ohne umfangreiche Anfangsinvestitionen bestimmte Fähigkeiten schnell bereitzustellen.
Hybrid Cloud ist Neuland
Allerdings erfordert dieser Transformationspfad häufig die Nutzung verschiedenster Cloud-Dienste, soll ein typisches Spektrum von Geschäftsanwendungen abgedeckt werden. Unternehmen müssen daher diverse Cloud-Angebote managen können. Die Vielfalt der Cloud-Dienste bezieht sich zum einen auf die Anwendungsebene, indem Produkte verschiedener Anbieter zum Einsatz kommen oder auch mehrere Cloud-Produkte eines Anbieters. Zum anderen geht es auch um die unterliegende Architektur, wenn Hybrid-CloudAnsätze verfolgt werden, also Public Clouds in das eigene Rechenzentrum hinein ausgedehnt werden. Die dadurch entstehende Vielfalt bezeichnen wir mit dem Begriff Cloud Diversity.
Während die großen Cloud-Anbieter mit dem Angebot spezialisierter Lösungen für das Management vielfältiger Cloud-Dienste und hybrider Varianten reagieren – Beispiele sind Google Anthos, MS Azure Arc oder auch die Services von Red Hat/IBM –, befindet sich der Aufbau entsprechender Fähigkeiten bei Anwenderunternehmen noch in einem frühen Stadium. 2020 dürften hybride Cloud-Landschaften ein wichtiger Trend werden, der voraussetzt, dass die Unternehmen eine geeignete Integrationsarchitektur definieren und eine entsprechende Integrationsschicht implementieren, die ein schnelles Einbinden neuer Services über Standard-APIs ermöglicht.
BizDevOps vor dem Durchbruch
Kommen wir zum vierten und letzten Aspekt, der Transformation des IT-Operating-Modells. Gleichzeitig Kosten zu senken und neue Fähigkeiten aufzubauen, erfordert in den meisten Unternehmen eine Neugestaltung des IT-Operating-Modells. Bis vor einigen Jahren folgten größere Unternehmen dem Trend, eine eigene IT-Service-Gesellschaft zu gründen, um ITDienstleistungen für die Geschäftsbereiche aus einer zentralen Einheit zu liefern. Inzwischen ist aber vermehrt die Reintegration von IT-Funktionen in die Geschäftsbereiche und Funktionen zu beobachten. Vor allem die angestrebte Agilität von Digitalinitiativen und die Absicht, Geschäftsprozesse von Grund auf zu verändern, verlangt es, die IT wesentlich enger mit anderen Fachdisziplinen zu verzahnen.
Ein Ansatz, den einige Unternehmen bereits verfolgen, ist, eine Organisation nach agilen Prinzipien einzuführen, oft ausgeprägt als „BizDevOps“-Organisationsform. Hier arbeiten Fachdisziplinen, IT-Entwicklung und IT-Betrieb in funktionsübergreifenden Teams zusammen. Das konsequente Einbinden der Fachbereiche – nicht selten wird ein Fachvertreter zum Product Owner gemacht – fördert den effektiven Einsatz von IT-Ressourcen im Sinne der Geschäftsstrategie.
Die Verantwortung für IT-Entwicklung und Betrieb zusammenzuführen setzt Anreize für den effizienten Einsatz von IT-Ressourcen durch agile Vorgehensweisen und die Automatisierung von wiederkehrenden Tätigkeiten. Bei einer gegebenen Zahl von Ressourcen oder definierten übergreifenden Budgets für Entwicklung und Betrieb und unter der Voraussetzung, dass in den betreffenden Einheiten auch die Legacy-IT-Systeme betreut werden, haben die Verantwortlichen einen starken Anreiz, durch konsequente Rationalisierung der Anwendungslandschaft Budgets für die Entwicklung neuer Geschäftsfähigkeiten freizuschaufeln.
IT und Business sind nicht mehr zu trennen
Standard-IT-Services, darunter IT-Infrastruktur- und Benutzerservices, aber auch Informationssicherheit und Cyber-Defense-Services, werden zum großen Teil weiterhin zentral erbracht. Die enge Verwobenheit zwischen IT und Geschäftsbereichen in agilen Ansätzen ist ein zentraler Trend und wird sich im Jahr 2020 fortsetzen. Die IT löst sich somit vom bisherigen Konzept eines internen Dienstleisters oder Business-Partners und wird mit wesentlichen Funktionen ein integraler Bestandteil der Geschäftsbereiche.
„Die Ausgaben für den Betrieb und die Wartung von Altsystemen bleiben ein großer Posten im IT-Etat.“