Hackathon der Superlative
Der Aufruf der Bundesregierung zur schnellen Entwicklung von Lösungen für Wirtschaft und Gesellschaft im Zuge der Coronakrise entwickelte sich zum weltweit bislang größten Hackathon.
#WirVsVirus: Der Bund mobilisierte tausende von Entwicklern.
Das Informieren von Risikogruppen, das Betreuen von Schülern und Kleinkindern zuhause, schnelle Hilfe für Händler und Kleinbetriebe, eine bessere Diagnose und Behandlung von Erkrankten – mit der COVID-19-Pandemie kommen schlagartig eine Menge Herausforderungen auf Wirtschaft und Gesellschaft zu, die weit über die Versorgung mit Klopapier hinausgehen. Um hier schnelle Lösungsansätze zu entwickeln, hat die Bundesregierung gemeinsam mit Tech4Germany, Code for Germany, Initiative D21, Impact Hub Berlin, Project Together, Prototype Fund und SEND e.V. den Hackathon #WirVsVirus auf die Beine gestellt.
Der Wettbewerb sollte einen organisatorischen und technischen Rahmen bieten, in dem sich die Teilnehmer online engagieren und funktionierende Prototypen und Lösungsansätze für gesellschaftlich relevante Fragestellungen mit Blick auf die Coronavirus-Pandemie entwickeln. Wieviel man in 48 Stunden – trotz physischer Isolierung im Homeoffice – gemeinsam erreichen kann, zeigen die erstaunlichen Ergebnisse des Hackathons: Fast 43.000 Programmierer, Designer, Kreative, Problemlöser und andere sozial engagierte Bürger nahmen teil und reichten insgesamt über 1.500 digitale Lösungsvorschläge ein. Einen guten Überblick über die Projekte der verschiedenen Arbeitsgruppen kann man sich auf dem Hackathon-Portal „Devpost“sowie auf YouTube verschaffen – jeweils unter dem Suchbegriff #WirVsVirus. Wir stellen Ihnen einige der spannendsten Lösungen vor.
CoronaQueue: Mit ITSM-Methoden gegen Warteschleifen
Wer in diesen Tagen versucht, seine lokale COVID-19-Hotline zu erreichen, bleibt meist in einer Warteschleife stecken. Einer der Gründe: Weil es keine Priorisierung dringender Fälle gibt, werden die Anrufer der Reihe nach abgefertigt, egal ob sich beunruhigte Bürger mit allgemeinen Fragen oder Vertreter einer Risikogruppe mit Fieber und Atemnot melden.
Die Lösung von CoronaQueue adressiert dieses Problem, indem sie in einem strukturierten Fragebogen relevante Angaben wie Aufenthaltsorte oder körperliche Symptome über verschiedene Schnittstellen erfasst, die Fälle automatisiert nach Priorität einstuft und die
Daten anschließend in einem Ticketsystem (Zammad) bereitstellt. In diesem können medizinisches Fachpersonal oder auch Mitarbeiter des Gesundheitsamts die Anfragen priorisiert abrufen und die Fälle im Anschluss kontaktieren.
Wie das Projektteam erklärt, beschränkt sich der zentrale Use-Case für den Hackathon auf Senioren, die gerne mit einem „echten“Menschen reden möchten. Die Erzeugung der Cases könnte jedoch generell über verschiedenste Wege erfolgen, etwa ein Callcenter, ein SelfService-Portal oder einen automatisierten Telefonservice (AI Voicebot). Nicht nur dieser kann bereits angerufen werden (+48223970842, Code 699103109), das ganze System ist aus Sicht von CoronaQueue relativ kurzfristig einsetzbar – und durch die verwendeten Schnittstellen problemlos skalierbar.
Karmakurier: Hilfesuchende und Helfer finden zusammen
Angesichts der aktuellen Lage ist es einigen Bevölkerungsruppen, insbesondere Älteren oder Risikopatienten, nicht mehr möglich, ohne erhöhtes Gesundheitsrisiko Lebensmittel, Medikamente oder Hygieneartikel einzukaufen. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat sich beim Hackathon ein Team von fast 40 Hackern und Mentoren im Rahmen des Projekts Karmakurier zusammengefunden.
Das Ziel ist, Hilfsbedürftige über eine niedrige Eintrittsschwelle, also per Anruf oder InternetKontakt, mit potenziellen Helfern aus der Nachbarschaft zu verbinden. Die Plattform befindet sich derzeit noch im Prototypenstatus, soll aber in Kürze live gehen. Anschließend können Hilfesuchende ihre Wünsche per Telefon unter +48 732100073 oder selbst beziehungsweise über eine ihnen nahestehende Person in einem Online-Formular einreichen. Freiwillige Helfer kümmern sich anschließend um die Aufgabe und erledigen diese. Das Matching erfolgt dabei über eine Lokalisierung durch die Postleitzahl. Ein vorab definierbarer Kilometerradius sorgt dafür, dass die Helfer nicht zu lange Wege in Kauf nehmen müssen.
Bei Fragen gibt es eine direkte Kontaktoption zwischen Hilfesuchenden und Einkäufern via VoIP, wobei die Telefonnummer aus Datenschutzgründen nicht sichtbar ist. Für die Erfüllung ihrer Missionen erhalten die Helfer anschließend Anerkennung in Form von Karma-Punkten. Diese können sie in Form von Gutscheinen oder anrechenbaren ehrenamtlichen Stunden einlösen.
Symptom Tracker: Digitale Anamnese
Ein interdisziplinäres Team aus Designern, Ingenieuren, Informatikern, Medizinern sowie COVID-19-Betroffenen hat im Rahmen des #WirVsVirus-Hackathons in nur 48 Stunden den Prototypen für einen Symptom-Tracker entwickelt. Dieser ermöglicht es den bereits positiv getesteten Coronavirus-Patienten sowie Verdachtsfällen, ihre Symptome in einer Art Tagebuch festzuhalten. Die Patienten erhalten so einen Überblick über den Krankheitsverlauf sowie den aktuellen Gesundheitsstatus. Die Gesundheitsämter werden durch die digitale Erfassung der Symptome in ihrer Arbeit entlastet. Für Institute und Virologen steht eine bisher nicht dagewesene SymptomverlaufsDatenbank für Analysen zur Verfügung.
Der als Webseite sowie demnächst als Mobile App (Android/iOS) verfügbare Symptom-Tracker verfügt dabei über zwei Perspektiven: Die Patientensicht zum Erfassen von Symptomen sowie einem Zugriff für das Gesundheitsamt, um einen Überblick über die Lage der Betroffenen zu erhalten und gegebenenfalls Rücksprache zu halten. Der komplette Open-Source-Quellcode ist auf Github verfügbar, wodurch die Ergebnisse des Hackathons direkt weiterverwendet werden können.