Mehr Vertrauen, bitte!
Mitarbeiter sollten entscheiden dürfen, von wo aus sie arbeiten möchten, fordert CiscoDeutschland-Chef Uwe Peter im Interview mit der COMPUTERWOCHE. Er verweist dabei auf aktuelle Studienergebnisse.
Corona verändert die Arbeitswelt. Immer noch sitzen viele Beschäftigte im Home Office, hier und da wird die Rückkehr ins Büro angepeilt. Eine Studie von Cisco zeigt, dass es in dieser Frage kein Entweder-Oder geben sollte. Flexibilität ist gefragt, wie Cisco-Deutschland-Chef Uwe Peter erläutert.
CW: Das Infektionsgeschehen nimmt wieder zu, die Politik rätselt über die richtigen Maßnahmen. Wie können Unternehmen mit einer solch instabilen Situation umgehen?
PETER: Heute müssen die Betriebe trotz des verständlichen Wunsches nach Planbarkeit flexibel bleiben und sich jederzeit an veränderte Situationen anpassen können. Sie sollten sich darauf einstellen, dass die Politik auch in Zukunft Einschränkungen oder Lockerungen beschließen wird. In diesen volatilen Zeiten müssen Arbeitgeber Wege finden, um ihre Geschäftsaktivitäten dauerhaft aufrechtzuerhalten, wobei IT eine zentrale Rolle spielt.
CW: Mit anderen Worten: Die Frage Home Office oder Büro stellt sich so nicht?
PETER: Genau. Die letzten Monate haben gezeigt, dass es keine „One-size-fits-all“-Lösung gibt. Nur Heimarbeit oder nur Büro wird niemandem gerecht. Unternehmen sollten beide
Optionen anbieten und den Mitarbeitern innerhalb von Leitlinien die Entscheidung überlassen, wo sie wann arbeiten wollen. Um das zu ermöglichen, müssen sie natürlich die notwendigen Technologien bereitstellen. Es darf in Meetings keine Zweiklassengesellschaft geben, die Home Worker müssen in der gleichen Qualität wie die Kolleginnen und Kollegen im Büro an einer Konferenz teilnehmen können.
CW: Tools für Videokonferenzen gab es schon vor Corona. Was hat sich seitdem verbessert?
PETER: Gerade wenn der Großteil der Besprechungen über Video stattfindet, spürt man schnell Ermüdungserscheinungen, sofern diese nur auf einem kleinen PC laufen. 71 Prozent der Befragten unserer Studie „Workforce of the Future“(siehe Kasten) erwarten, dass ihnen ihr Arbeitgeber im Home Office eine ähnliche Technologie zur Verfügung stellt wie am Arbeitsplatz. Es ist darum wichtig, dass Unternehmen – dort wo möglich – in großformatige HD-Video-Geräte investieren. Wichtig ist die aktive Reduktion von Hintergrundgeräuschen, um die akustische Belastung zu verringern. Leistungsmerkmale, die die Mitarbeiter vor einer Ermüdung schützen, machen einen echten Unterschied aus.
CW: Ist die von Ihnen geforderte Autonomie überhaupt im Sinne der Beschäftigten?
PETER: Laut unserer Studie wünschen sich in Deutschland 86 Prozent mehr Eigenverantwortung bei der Entscheidung, wie und wann sie arbeiten. 64 Prozent der Befragten sagen sogar, dass sie als erstes eine Home-Office-Richtlinie erlassen würden, wenn sie die ManagementVerantwortung hätten. Zudem sehen jeweils rund 60 Prozent bessere Möglichkeiten, in verteilten Teams zusammenzuarbeiten und schnellere Entscheidungen herbeizuführen.
CW: Arbeitsminister Hubertus Heil hat kürzlich angekündigt, ein Recht auf Home Office gesetzlich festzuschreiben. Sind Sie dafür?
PETER: Entscheidend für den notwendigen Kulturwandel ist aus meiner Sicht vor allem der unternehmerische Mut, etablierte Arbeitsweisen zu hinterfragen und die eigene Belegschaft in eine veränderte Zukunft mitzunehmen. Mobilem Arbeiten und agilen Arbeitsformen gehört die Zukunft, beides stärkt die Resilienz der Wirtschaft und wird so oder so selbstverständlich.
CW: Welche Erfahrungen haben Arbeitnehmer laut Ihrer Studie im Home Office gemacht? Verbessert sich ihre Work-Life-Balance oder machen sie mehr Überstunden?
PETER: Gemäß der Studie haben seit dem verstärkten Aufkommen von Home Office 55 Prozent der Befragten Arbeit und Privatleben besser im Griff. Gleichzeitig sind knapp 60 Prozent wesentlich produktiver. Wir sehen also eine gute Entwicklung und Balance. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass sich immerhin für 45 Prozent der Befragten die Balance von Arbeit und Privatleben nicht verbessert oder sogar verschlechtert hat. Flexibilität in den Arbeitszeiten kann hier natürlich nicht die einzige Lösung sein, aber doch einige Herausforderungen entschärfen.
CW: Wie sieht es im europäischen Vergleich aus, wo stehen die Deutschen?
PETER: In Europa möchten 35 Prozent der Menschen am liebsten ausschließlich im Home Office arbeiten, in Deutschland sind es 32 Prozent. Auch sonst gibt es nur wenige Unterschiede: Europaweit wollen 87 Prozent mehr Eigenverantwortung, 54 Prozent berichten von besserer Work-Life-Balance und 58 Prozent fühlen sich im Home Office produktiver.
CW: Wollten die Arbeitnehmer schon immer zu Hause arbeiten, oder hat erst die Pandemie zu einem Umdenken geführt?
PETER: Wahrscheinlich letzteres. Vor der Krise durfte ungefähr ein Viertel der Deutschen grundsätzlich zu Hause arbeiten, hat dieses Angebot aber nicht genutzt. Nur sechs Prozent arbeiteten damals die meiste Zeit vom Heimarbeitsplatz aus. Durch den Sprung ins kalte Wasser haben vielen Menschen nun die positiven Aspekte kennengelernt und ihre Berührungsängste mit der Technologie abgebaut. Mittlerweile sehen 60 Prozent keine größeren Herausforderungen für eine zukünftige hybride Arbeitswelt, da sie sich bereits gut an das neue Arbeiten gewöhnt haben.
CW: Welche Erfahrungen hat Cisco während des bisherigen Krisenverlaufs gemacht?
PETER: Tatsächlich fiel uns die Umstellung relativ leicht, da wir schon vor der Pandemie flexible Heimarbeitsplatz-Möglichkeiten bereitgestellt und unseren Mitarbeitern die freie Wahl des Arbeitsplatzes gelassen haben. Wir waren also technisch und kulturell vergleichsweise gut vorbereitet. Das wurde uns auch extern gespiegelt – unter anderem als wir 2019 die Auszeichnung von „Great Place to Work“als bester Arbeitgeber in Deutschland erhalten haben. Die zugehörige Befragung hat gezeigt, dass unsere Mitarbeiter die große Flexibilität der Arbeitszeit besonders geschätzt haben.
CW: Wie wird die Arbeitswelt nach Corona aussehen?
PETER: Es wird eine hybride Arbeitswelt werden, in der Technologie eine immer wichtigere Rolle spielt. Sowohl die Produktivität als auch die Gesundheit der Mitarbeiter wird davon abhängen, wie gut der Heimarbeitsplatz ausgerüstet ist. Damit wird der Unternehmenserfolg entscheidend von der IT-Ausstattung der Beschäftigten abhängen. Um ihnen ein paar Beispiele zu geben: Meetings können bald mit KI aufgesetzt werden. Gesprächsprotokolle, sogar mit vollständiger Übersetzung, werden automatisch erzeugt. In unseren HD-Videosystemen für zu Hause und das Büro sind bereits CO2-Sensoren integriert, die Alarm schlagen können, wenn die Luft im Raum einen Grenzwert überschreitet, der zu Müdigkeit führen könnte. Mit Hilfe von Bewegungserkennung lassen sich schon jetzt Warnungen beim Überschreiten von Raumkapazitäten oder beim Abstandhalten einblenden. Wir müssen leider davon ausgehen, dass uns Covid-19 noch eine Weile beschäftigen wird.