Daten im Griff
Das Datenmanagement funktioniert in vielen Betrieben nur mäßig. Oft fehlt es an Entschlossenheit.
Eigentlich ist das Akronym CDO ja für den Chief Digital Officer reserviert, dessen Rolle viele Unternehmen in den vergangenen Jahren neu geschaffen haben. Doch CDO steht auch für den Chief Data Officer, der ebenfalls an Bedeutung gewinnt. Er soll das „Data-driven Enterprise“aus der Taufe heben und helfen, datenbasierte Umsatzquellen zu erschließen. Und er soll seinem Unternehmen tiefe Einsichten in Geschäftsprozesse und Kundenverhalten ermöglichen.
CDOs machen das nicht allein. Sie bauen Teams auf, die andere Unternehmensfunktionen befähigen sollen, datenbasiert zu entscheiden und zu arbeiten. Doch wie gelingt es, entsprechende Hubs zu etablieren, die eine effektive Datenfunktion bauen, skalieren und nachhalten können? Dazu empfehlen die Analysten von Forrester folgendes Vorgehen:
1. Rückendeckung sichern
Momentan berichten 42 Prozent der Datenchefs weltweit an den CEO. In solchen Fällen ist es einfacher, datenbasierte Prozesse zu etablieren, das Buy-in für nachhaltige Veränderungen zu bekommen und auch mal langjährig gültige Regeln zu brechen. Das ist notwendig vor dem Hintergrund des Status quo in vielen Unternehmen: Mitarbeiter vertrauen ihrer Erfahrung oder ihrem Bauch, eine valide Datengrundlage für Entscheidungen gibt es nicht. Ein Problem sind auch die vielen Datentöpfe, die abteilungsübergreifendes Denken und Handeln erschweren. Der CDO braucht das Mandat des Vorstands, um durchzugreifen.
2. Wünsche der Geschäftsbereiche ermitteln
Bereits zu seinem Amtsantritt sollte der CDO, von Forrester auch als „Data Insights Leader“bezeichnet, eine Tour durchs Unternehmen starten und alle Kolleginnen und Kollegen in verantwortlichen Positionen anhören. Der Fokus dabei muss auf den geschäftlichen Herausforderungen im jeweiligen Unternehmensbereich liegen, nicht auf irgendwelchen Datenund Technologieanforderungen.
Gute Einstiegspunkte für eine Zusammenarbeit könnten etwa sein, die wertvollsten Kunden zu ermitteln, Kosten zu senken oder
zu helfen, Ressourcen besser einzusetzen. Gelingt es, Projekte zu identifizieren, die allen Beteiligten einen Vorteil versprechen, steigen das Interesse und die Bereitschaft mitzumachen. Dazu ist zu Beginn Zuhören oberste Pflicht.
3. Ein Data Insights Council einrichten
Arbeitskreise genießen nicht immer den besten Ruf, doch damit Unternehmen die Früchte der fortgeschrittenen Datenanalyse ernten können, müssen Führungskräfte zusammenkommen und in einer Art Beirat die Grundlagen legen, Vorhaben priorisieren und Ressourcen allokieren. Das ist schon deshalb wichtig, weil CDOs oft als Könige ohne Reich eingesetzt werden, was das Risiko zu scheitern deutlich erhöht. Sie sind also gerade zu Beginn auch als „Chief Diplomacy Officers“gefragt. CDOs müssen eine Daten- und Analytics-Perspektive über das gesamte Unternehmen legen und unterschiedliche Interessen hinsichtlich Technologien und Geschäftsprozessen unter einen
Hut bekommen. Gelingt es, die wichtigsten Stakeholder in einem Data Insights Council zusammenzuführen, können diese ihre Perspektiven einbringen. Zudem kann sich jeder am Bau eines gemeinsamen Data Frameworks beteiligen und dafür sorgen, dass seine Interessen berücksichtigt werden. Über Daten zu reden heißt auch, dass alle Beteiligen Aspekte wie Datenqualität, Governance und Geschäftsvorteile durch Daten besser verstehen.
4. Projekte priorisieren
Wenn mögliche Vorhaben identifiziert wurden, muss der oder die Datenverantwortliche priorisieren. Hier ist erneut die Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern wichtig, da der CDO die Übereinstimmung mit der Geschäftsstrategie und die Chancen auf einen höheren Geschäftserfolg nicht allein bewerten kann. Auch über die Bereitstellung von Ressourcen und Skills müssen andere Manager mitentscheiden.
Forrester empfiehlt als Entscheidungshilfe eine Matrix: Die vertikale Achse beschreibt die Übereinstimmung des Vorhabens mit den strategischen Zielen. Hier ist auch zu beantworten, wie viele Geschäftsbereiche davon profitieren würden, was der zu erwartende Return on Investment wäre und welche Risiken auftreten könnten. Die andere Achse beschreibt die Komplexität: Was werden Entwicklung und Deployment kosten? Welche Skills und Systeme sind involviert? Und lassen sich die benötigten Daten überhaupt in guter Qualität anbringen?
5. Technologieanforderungen ermitteln
Der Datenchef ist verantwortlich für die unternehmensweite Data-Analytics-Architektur. Das betrifft die Datenerhebung, deren Qualität, die Zugriffsrechte und Sicherheitsvorkehrungen, außerdem die tatsächliche Datennutzung und die daraus resultierenden Ergebnisse. Wenn er aber die gesamte Wertschöpfungskette von den Daten über die analytischen Erkenntnisse bis hin zu den Konsequenzen für das Business verantwortet, muss er auch derjenige sein, der über die eingesetzte Technologie entscheidet.
Oft müssen dazu nicht Hals über Kopf neue Produkte eingeführt werden. Forrester nennt das Beispiel eines Energiekonzerns, in dem das Data Team zunächst kein übergreifendes Framework entwickelt, sondern in einem Bottom-up-Ansatz seine Datenspezialisten auf die einzelnen Geschäftsbereiche verteilt hat – mit dem Auftrag, eng am Business neue datenbasierte Einsichten zu gewinnen.
Dabei nutzten die Beteiligten die vorhandene Backend-Infrastruktur und einige Visualisierungswerkzeuge. Mit der Zeit schuf das Team dann einen „Enterprise Information Store“mit diversen Dashboard-Funktionen, aus dem sich das Unternehmen heute bedienen kann.
6. Proof of Values (PoVs)
Chief Data Officers sind darauf angewiesen, den Wert von Data/Analytics für spezifische Geschäftsfragen oft und schnell zu demonstrieren und nachzuweisen. Das gelingt ihnen mit Proof of Values (PoVs). Sind schnelle Ergebnisse nicht zu erzielen oder nur schwer nachzuweisen, sollten die Verantwortlichen ihre Arbeitsfortschritte immer wieder im Detail offenlegen, um Fortschritte nachzuweisen.
7. Influencer und Communities
Mit PoVs lässt sich das Vertrauen der Beteiligten gewinnen. Das gelingt aber nur, wenn der Zusammenhang zwischen Daten- und Geschäftsstrategie sichtbar gemacht wird. Dazu brauchen CDOs Verbündete: Geschäftsführer und einflussreiche Kolleginnen und Kollegen müssen hinter dem Vorgehen stehen und es erklären können. Die Abteilungsleiter sind gefordert, geeignete Use Cases zu entwickeln. Gefragt sind auch Sicherheits- und Risikoverantwortliche, die für die Einhaltung von Datenschutz- und Security-Bestimmungen sorgen. Auch die IT-Organisation muss mit im Boot sitzen und helfen, technische Anforderungen
sowie Service- und Qualitäts-Level zu definieren. Und schließlich sollte sich die Personalabteilung einbringen, um Datenkompetenz unter den Mitarbeitern zu verbreiten.
In dem Maße, wie die Reife der Organisation in Sachen Datennutzung zunimmt und Individuen, Gruppen und auch automatisierte Prozesse abhängig von Data Insights werden, steigt die Notwendigkeit, Aktivitäten zu koordinieren und Best Practices auszutauschen. Forrester empfiehlt, das Wissen über ein Center of Excellence zusammenführen, um dort die Strategie festzulegen und weiterzuentwickeln. Je nach Unternehmensgröße und Branche wird das Vorgehen allerdings unterschiedlich ausfallen. Dabei spielen auch Fragen der Investitionsbereitschaft, der organisatorischen Aufstellung und der Unternehmenskultur eine Rolle.
8. Lernkultur schaffen und evangelisieren
Über Jahre verfestigte Verhaltensweisen von Mitarbeitern und Unternehmenseinheiten zu ändern, ist schwierig. So verteilen MarketingTeams ihre Budgets oft noch nach Erfahrungswerten oder Gefühl auf die verschiedenen Kanäle, nicht orientiert an harten Zahlen und Fakten. Dieses Verhalten zu ändern, ist eine Herausforderung. Change Management und Kapazitätssteigerungs-Programme können dazu beitragen, dass Business-Entscheidungen datenbasiert gefällt werden.
Dazu braucht es aber die Unterstützung des Topmanagements, Incentives, die enge Zusammenarbeit aller Betroffenen sowie Methodenkompetenz. Instrumente wie Storytelling oder multifunktionale Teams können CDOs und ihren Verbündeten helfen, eine neue Datenkultur zu etablieren. Hier geht es um Evangelisierung und Aufklärung, um das Verständnis und die Kompetenz rund um Daten zu verbessern.
9. Die Zahl der Datenpraktiker muss wachsen
Erfolgreiche CDOs bauen unternehmensinterne Communities auf, um eine „Data-InsightsKultur“voranzutreiben und die Aktivitäten rund um Data/Analytics zu verbreiten und zu skalieren. Forrester nennt den CIO eines US-Krankenhauses, der einen Arbeitskreis namens „Friends of Data and Analytics“ins Leben rief. Andere veranstalten kleine interne Messen zum Thema oder verabreden sich regelmäßig zu einem „Lunch and Learn“. Nicht wenige Unternehmen, die entsprechende Programme ins Leben riefen, waren überrascht vom großen Mitarbeiterzulauf.
10. Erstellen Sie einen Datenkatalog
Daten und Analyseergebnisse haben nur dann einen Wert, wenn Menschen sie finden und nutzen können. Datenkataloge können für eine bessere Übersicht sorgen. Viele Unternehmen starten, indem sie erstmal ein DatenDictionary oder Glossar in Excel anlegen. Doch heute gibt es jede Menge Tools, die helfen können, Datenbestände zu katalogisieren und bereichsübergreifend zugänglich zu machen.
Die werden vor allem dann interessant, wenn nicht nur Ordnung in die Datenbestände, sondern auch in andere digitale Assets gebracht werden soll – zum Beispiel in vorhandene BI-Reports oder Dashboards. Das kann auch dezentral geschehen, dann allerdings sollte ein regelmäßiger Austausch der Unternehmensbereiche zum Thema Daten stattfinden. Ein Center of Excellence kann in solchen Fällen dafür sorgen, dass es Unternehmensstandards für Datendefinitionen, gemeinsame Kennzahlen sowie einheitliche Produkte und Techniken rund um Big Data/Analytics gibt.
Wer einen Datenkatalog einrichten will, sollte sich intensiv mit dem Thema Rechtemanagement beziehungsweise Data Governance beschäftigen, da das Risiko wächst, gegen Datenschutzrecht zu verstoßen. Das Tool-Angebot im Bereich der Kataloglösungen ist groß, der Übergang zu Werkzeugen für Datenanalyseund -modellierung, Collaboration, Integration und Metadatenmanagement fließend.
11. Promoten ist wichtig!
Das Risiko, dass Datenwissenschaftler und Experten mit ihren Ideen und Services auf einer einsamen Insel hocken und kein Gehör finden, ist beträchtlich. Veränderungen sind lästig, oft wollen Abteilungen und Anwender an ihren erlernten Vorgehensweisen festhalten nach dem Motto: „Das haben wir immer schon so gemacht“. Es gilt also, die Angebote des Center of Excellence sichtbar zu machen und zu promoten. Wenn Anwender erst einmal verstehen, was das Team für andere Unternehmensbereiche geleistet hat und wie es geholfen hat, betriebliche Abläufe oder Kundenerfahrungen zu verbessern, werden sie interessiert sein, einzusteigen. Forrester empfiehlt den Datenexperten, Marketing-Material bereitzuhalten und vertriebliche Erfolge zu dokumentieren, um den Verantwortlichen in anderen Abteilungen ihre Geschichten nahebringen zu können. Nur wenn das Storytelling funktioniert, wird Aufmerksamkeit entstehen.
12. KPIs orientieren sich am Geschäftserfolg
Datenverantwortliche müssen sich daran messen lassen, ob sich die Kommerzialisierung von Daten lohnt und wann ihre Arbeiten den Umsatz steigern helfen, konkrete Einsparungen bringen oder die Kundenerfahrung verbessern. Es geht also darum, den Return on Investment zu beziffern – und das ist schwieriger als angenommen. Oft scheuen CDOs diesen Nachweis und ziehen sich auf die Rolle eines technischen Dienstleisters zurück. Dann überlassen sie die Rolle des Interpretierens und Analysierens ihren „Kunden“in den Fachbereichen. Doch ohne ergebnisorientierte Metriken wird es schwer, Daten- und Business-Wert zu kombinieren.
13. Roadmap definieren
Chief Data Officers sollten, sobald ihr Einfluss wächst, eine Roadmap festlegen und diese immer weiter verfeinern. In den ersten fünf Monaten nach Amtsantritt empfiehlt Forrester, die ersten der oben genannten Schritte anzugehen – also sich das Mandat zu sichern, die Abteilungen anzuhören, ein Daten-Council einzurichten, Projekte zu priorisieren, die benötigten Technologien auszuwählen und erste Proof of Values vorzulegen.
Die Analysten räumen ein, dass dies eine ambitionierte Agenda ist. Der Schlüssel liege in einem inkrementellen, iterativen, und kollaborativen Ansatz. Das gelte vor allem für das Priorisieren von Projekten, das Demonstrieren der Werthaltigkeit (PoVs) bis hin zum Aufbauen von Skills und Assets sowie dem Sicherstellen des Supports. Eine für alle einsehbare Roadmap schafft Klarheit und Konsens. Das gilt auch für komplexe Daten-AnalyticsStrategien und Umsetzungen. Wenn Datenspezialisten und Business-Verantwortliche im Tandem arbeiten, werden beide Seiten den Wert der Investition erkennen und das Budget verteidigen.