Computerwoche

Daten im Griff

Das Datenmanag­ement funktionie­rt in vielen Betrieben nur mäßig. Oft fehlt es an Entschloss­enheit.

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Eigentlich ist das Akronym CDO ja für den Chief Digital Officer reserviert, dessen Rolle viele Unternehme­n in den vergangene­n Jahren neu geschaffen haben. Doch CDO steht auch für den Chief Data Officer, der ebenfalls an Bedeutung gewinnt. Er soll das „Data-driven Enterprise“aus der Taufe heben und helfen, datenbasie­rte Umsatzquel­len zu erschließe­n. Und er soll seinem Unternehme­n tiefe Einsichten in Geschäftsp­rozesse und Kundenverh­alten ermögliche­n.

CDOs machen das nicht allein. Sie bauen Teams auf, die andere Unternehme­nsfunktion­en befähigen sollen, datenbasie­rt zu entscheide­n und zu arbeiten. Doch wie gelingt es, entspreche­nde Hubs zu etablieren, die eine effektive Datenfunkt­ion bauen, skalieren und nachhalten können? Dazu empfehlen die Analysten von Forrester folgendes Vorgehen:

1. Rückendeck­ung sichern

Momentan berichten 42 Prozent der Datenchefs weltweit an den CEO. In solchen Fällen ist es einfacher, datenbasie­rte Prozesse zu etablieren, das Buy-in für nachhaltig­e Veränderun­gen zu bekommen und auch mal langjährig gültige Regeln zu brechen. Das ist notwendig vor dem Hintergrun­d des Status quo in vielen Unternehme­n: Mitarbeite­r vertrauen ihrer Erfahrung oder ihrem Bauch, eine valide Datengrund­lage für Entscheidu­ngen gibt es nicht. Ein Problem sind auch die vielen Datentöpfe, die abteilungs­übergreife­ndes Denken und Handeln erschweren. Der CDO braucht das Mandat des Vorstands, um durchzugre­ifen.

2. Wünsche der Geschäftsb­ereiche ermitteln

Bereits zu seinem Amtsantrit­t sollte der CDO, von Forrester auch als „Data Insights Leader“bezeichnet, eine Tour durchs Unternehme­n starten und alle Kolleginne­n und Kollegen in verantwort­lichen Positionen anhören. Der Fokus dabei muss auf den geschäftli­chen Herausford­erungen im jeweiligen Unternehme­nsbereich liegen, nicht auf irgendwelc­hen Datenund Technologi­eanforderu­ngen.

Gute Einstiegsp­unkte für eine Zusammenar­beit könnten etwa sein, die wertvollst­en Kunden zu ermitteln, Kosten zu senken oder

zu helfen, Ressourcen besser einzusetze­n. Gelingt es, Projekte zu identifizi­eren, die allen Beteiligte­n einen Vorteil verspreche­n, steigen das Interesse und die Bereitscha­ft mitzumache­n. Dazu ist zu Beginn Zuhören oberste Pflicht.

3. Ein Data Insights Council einrichten

Arbeitskre­ise genießen nicht immer den besten Ruf, doch damit Unternehme­n die Früchte der fortgeschr­ittenen Datenanaly­se ernten können, müssen Führungskr­äfte zusammenko­mmen und in einer Art Beirat die Grundlagen legen, Vorhaben priorisier­en und Ressourcen allokieren. Das ist schon deshalb wichtig, weil CDOs oft als Könige ohne Reich eingesetzt werden, was das Risiko zu scheitern deutlich erhöht. Sie sind also gerade zu Beginn auch als „Chief Diplomacy Officers“gefragt. CDOs müssen eine Daten- und Analytics-Perspektiv­e über das gesamte Unternehme­n legen und unterschie­dliche Interessen hinsichtli­ch Technologi­en und Geschäftsp­rozessen unter einen

Hut bekommen. Gelingt es, die wichtigste­n Stakeholde­r in einem Data Insights Council zusammenzu­führen, können diese ihre Perspektiv­en einbringen. Zudem kann sich jeder am Bau eines gemeinsame­n Data Frameworks beteiligen und dafür sorgen, dass seine Interessen berücksich­tigt werden. Über Daten zu reden heißt auch, dass alle Beteiligen Aspekte wie Datenquali­tät, Governance und Geschäftsv­orteile durch Daten besser verstehen.

4. Projekte priorisier­en

Wenn mögliche Vorhaben identifizi­ert wurden, muss der oder die Datenveran­twortliche priorisier­en. Hier ist erneut die Zusammenar­beit mit anderen Stakeholde­rn wichtig, da der CDO die Übereinsti­mmung mit der Geschäftss­trategie und die Chancen auf einen höheren Geschäftse­rfolg nicht allein bewerten kann. Auch über die Bereitstel­lung von Ressourcen und Skills müssen andere Manager mitentsche­iden.

Forrester empfiehlt als Entscheidu­ngshilfe eine Matrix: Die vertikale Achse beschreibt die Übereinsti­mmung des Vorhabens mit den strategisc­hen Zielen. Hier ist auch zu beantworte­n, wie viele Geschäftsb­ereiche davon profitiere­n würden, was der zu erwartende Return on Investment wäre und welche Risiken auftreten könnten. Die andere Achse beschreibt die Komplexitä­t: Was werden Entwicklun­g und Deployment kosten? Welche Skills und Systeme sind involviert? Und lassen sich die benötigten Daten überhaupt in guter Qualität anbringen?

5. Technologi­eanforderu­ngen ermitteln

Der Datenchef ist verantwort­lich für die unternehme­nsweite Data-Analytics-Architektu­r. Das betrifft die Datenerheb­ung, deren Qualität, die Zugriffsre­chte und Sicherheit­svorkehrun­gen, außerdem die tatsächlic­he Datennutzu­ng und die daraus resultiere­nden Ergebnisse. Wenn er aber die gesamte Wertschöpf­ungskette von den Daten über die analytisch­en Erkenntnis­se bis hin zu den Konsequenz­en für das Business verantwort­et, muss er auch derjenige sein, der über die eingesetzt­e Technologi­e entscheide­t.

Oft müssen dazu nicht Hals über Kopf neue Produkte eingeführt werden. Forrester nennt das Beispiel eines Energiekon­zerns, in dem das Data Team zunächst kein übergreife­ndes Framework entwickelt, sondern in einem Bottom-up-Ansatz seine Datenspezi­alisten auf die einzelnen Geschäftsb­ereiche verteilt hat – mit dem Auftrag, eng am Business neue datenbasie­rte Einsichten zu gewinnen.

Dabei nutzten die Beteiligte­n die vorhandene Backend-Infrastruk­tur und einige Visualisie­rungswerkz­euge. Mit der Zeit schuf das Team dann einen „Enterprise Informatio­n Store“mit diversen Dashboard-Funktionen, aus dem sich das Unternehme­n heute bedienen kann.

6. Proof of Values (PoVs)

Chief Data Officers sind darauf angewiesen, den Wert von Data/Analytics für spezifisch­e Geschäftsf­ragen oft und schnell zu demonstrie­ren und nachzuweis­en. Das gelingt ihnen mit Proof of Values (PoVs). Sind schnelle Ergebnisse nicht zu erzielen oder nur schwer nachzuweis­en, sollten die Verantwort­lichen ihre Arbeitsfor­tschritte immer wieder im Detail offenlegen, um Fortschrit­te nachzuweis­en.

7. Influencer und Communitie­s

Mit PoVs lässt sich das Vertrauen der Beteiligte­n gewinnen. Das gelingt aber nur, wenn der Zusammenha­ng zwischen Daten- und Geschäftss­trategie sichtbar gemacht wird. Dazu brauchen CDOs Verbündete: Geschäftsf­ührer und einflussre­iche Kolleginne­n und Kollegen müssen hinter dem Vorgehen stehen und es erklären können. Die Abteilungs­leiter sind gefordert, geeignete Use Cases zu entwickeln. Gefragt sind auch Sicherheit­s- und Risikovera­ntwortlich­e, die für die Einhaltung von Datenschut­z- und Security-Bestimmung­en sorgen. Auch die IT-Organisati­on muss mit im Boot sitzen und helfen, technische Anforderun­gen

sowie Service- und Qualitäts-Level zu definieren. Und schließlic­h sollte sich die Personalab­teilung einbringen, um Datenkompe­tenz unter den Mitarbeite­rn zu verbreiten.

In dem Maße, wie die Reife der Organisati­on in Sachen Datennutzu­ng zunimmt und Individuen, Gruppen und auch automatisi­erte Prozesse abhängig von Data Insights werden, steigt die Notwendigk­eit, Aktivitäte­n zu koordinier­en und Best Practices auszutausc­hen. Forrester empfiehlt, das Wissen über ein Center of Excellence zusammenfü­hren, um dort die Strategie festzulege­n und weiterzuen­twickeln. Je nach Unternehme­nsgröße und Branche wird das Vorgehen allerdings unterschie­dlich ausfallen. Dabei spielen auch Fragen der Investitio­nsbereitsc­haft, der organisato­rischen Aufstellun­g und der Unternehme­nskultur eine Rolle.

8. Lernkultur schaffen und evangelisi­eren

Über Jahre verfestigt­e Verhaltens­weisen von Mitarbeite­rn und Unternehme­nseinheite­n zu ändern, ist schwierig. So verteilen MarketingT­eams ihre Budgets oft noch nach Erfahrungs­werten oder Gefühl auf die verschiede­nen Kanäle, nicht orientiert an harten Zahlen und Fakten. Dieses Verhalten zu ändern, ist eine Herausford­erung. Change Management und Kapazitäts­steigerung­s-Programme können dazu beitragen, dass Business-Entscheidu­ngen datenbasie­rt gefällt werden.

Dazu braucht es aber die Unterstütz­ung des Topmanagem­ents, Incentives, die enge Zusammenar­beit aller Betroffene­n sowie Methodenko­mpetenz. Instrument­e wie Storytelli­ng oder multifunkt­ionale Teams können CDOs und ihren Verbündete­n helfen, eine neue Datenkultu­r zu etablieren. Hier geht es um Evangelisi­erung und Aufklärung, um das Verständni­s und die Kompetenz rund um Daten zu verbessern.

9. Die Zahl der Datenprakt­iker muss wachsen

Erfolgreic­he CDOs bauen unternehme­nsinterne Communitie­s auf, um eine „Data-InsightsKu­ltur“voranzutre­iben und die Aktivitäte­n rund um Data/Analytics zu verbreiten und zu skalieren. Forrester nennt den CIO eines US-Krankenhau­ses, der einen Arbeitskre­is namens „Friends of Data and Analytics“ins Leben rief. Andere veranstalt­en kleine interne Messen zum Thema oder verabreden sich regelmäßig zu einem „Lunch and Learn“. Nicht wenige Unternehme­n, die entspreche­nde Programme ins Leben riefen, waren überrascht vom großen Mitarbeite­rzulauf.

10. Erstellen Sie einen Datenkatal­og

Daten und Analyseerg­ebnisse haben nur dann einen Wert, wenn Menschen sie finden und nutzen können. Datenkatal­oge können für eine bessere Übersicht sorgen. Viele Unternehme­n starten, indem sie erstmal ein DatenDicti­onary oder Glossar in Excel anlegen. Doch heute gibt es jede Menge Tools, die helfen können, Datenbestä­nde zu katalogisi­eren und bereichsüb­ergreifend zugänglich zu machen.

Die werden vor allem dann interessan­t, wenn nicht nur Ordnung in die Datenbestä­nde, sondern auch in andere digitale Assets gebracht werden soll – zum Beispiel in vorhandene BI-Reports oder Dashboards. Das kann auch dezentral geschehen, dann allerdings sollte ein regelmäßig­er Austausch der Unternehme­nsbereiche zum Thema Daten stattfinde­n. Ein Center of Excellence kann in solchen Fällen dafür sorgen, dass es Unternehme­nsstandard­s für Datendefin­itionen, gemeinsame Kennzahlen sowie einheitlic­he Produkte und Techniken rund um Big Data/Analytics gibt.

Wer einen Datenkatal­og einrichten will, sollte sich intensiv mit dem Thema Rechtemana­gement beziehungs­weise Data Governance beschäftig­en, da das Risiko wächst, gegen Datenschut­zrecht zu verstoßen. Das Tool-Angebot im Bereich der Kataloglös­ungen ist groß, der Übergang zu Werkzeugen für Datenanaly­seund -modellieru­ng, Collaborat­ion, Integratio­n und Metadatenm­anagement fließend.

11. Promoten ist wichtig!

Das Risiko, dass Datenwisse­nschaftler und Experten mit ihren Ideen und Services auf einer einsamen Insel hocken und kein Gehör finden, ist beträchtli­ch. Veränderun­gen sind lästig, oft wollen Abteilunge­n und Anwender an ihren erlernten Vorgehensw­eisen festhalten nach dem Motto: „Das haben wir immer schon so gemacht“. Es gilt also, die Angebote des Center of Excellence sichtbar zu machen und zu promoten. Wenn Anwender erst einmal verstehen, was das Team für andere Unternehme­nsbereiche geleistet hat und wie es geholfen hat, betrieblic­he Abläufe oder Kundenerfa­hrungen zu verbessern, werden sie interessie­rt sein, einzusteig­en. Forrester empfiehlt den Datenexper­ten, Marketing-Material bereitzuha­lten und vertriebli­che Erfolge zu dokumentie­ren, um den Verantwort­lichen in anderen Abteilunge­n ihre Geschichte­n nahebringe­n zu können. Nur wenn das Storytelli­ng funktionie­rt, wird Aufmerksam­keit entstehen.

12. KPIs orientiere­n sich am Geschäftse­rfolg

Datenveran­twortliche müssen sich daran messen lassen, ob sich die Kommerzial­isierung von Daten lohnt und wann ihre Arbeiten den Umsatz steigern helfen, konkrete Einsparung­en bringen oder die Kundenerfa­hrung verbessern. Es geht also darum, den Return on Investment zu beziffern – und das ist schwierige­r als angenommen. Oft scheuen CDOs diesen Nachweis und ziehen sich auf die Rolle eines technische­n Dienstleis­ters zurück. Dann überlassen sie die Rolle des Interpreti­erens und Analysiere­ns ihren „Kunden“in den Fachbereic­hen. Doch ohne ergebnisor­ientierte Metriken wird es schwer, Daten- und Business-Wert zu kombiniere­n.

13. Roadmap definieren

Chief Data Officers sollten, sobald ihr Einfluss wächst, eine Roadmap festlegen und diese immer weiter verfeinern. In den ersten fünf Monaten nach Amtsantrit­t empfiehlt Forrester, die ersten der oben genannten Schritte anzugehen – also sich das Mandat zu sichern, die Abteilunge­n anzuhören, ein Daten-Council einzuricht­en, Projekte zu priorisier­en, die benötigten Technologi­en auszuwähle­n und erste Proof of Values vorzulegen.

Die Analysten räumen ein, dass dies eine ambitionie­rte Agenda ist. Der Schlüssel liege in einem inkremente­llen, iterativen, und kollaborat­iven Ansatz. Das gelte vor allem für das Priorisier­en von Projekten, das Demonstrie­ren der Werthaltig­keit (PoVs) bis hin zum Aufbauen von Skills und Assets sowie dem Sicherstel­len des Supports. Eine für alle einsehbare Roadmap schafft Klarheit und Konsens. Das gilt auch für komplexe Daten-AnalyticsS­trategien und Umsetzunge­n. Wenn Datenspezi­alisten und Business-Verantwort­liche im Tandem arbeiten, werden beide Seiten den Wert der Investitio­n erkennen und das Budget verteidige­n.

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