Computerwoche

Hybrid Cloud – aus Sicherheit­sgründen

Eine CW-Umfrage zeigt, wie vorsichtig Betriebe sind

- Von Gerhard Holzwart, Event Producer, Direktmark­etingspezi­alist und ITK-Fachredakt­eur in München

Ohne Cloud Computing wird es schwierig mit dem digitalen Wandel. Allerdings gibt es keine Cloud-Strategie aus dem Lehrbuch, die sich als Blaupause verwenden ließe. Die IT-Welten bleiben vielmehr divers und damit im wahrsten Sinne des Wortes hybrid. Die meisten Anwender entscheide­n sich für das Beste aus zwei Welten: für die Einfachhei­t und Schnelligk­eit von ITBezugsmo­dellen aus der Public Cloud – und für die Unabhängig­keit und Sicherheit, die das eigene Data Center nach wie vor bietet. Diesen IT-strategisc­hen Spagat vollziehen heute fast alle Unternehme­n, unabhängig von Branche und Größe.

Laut der aktuellen Studie „Hybrid IT 2021“von IDG Research Services ist für rund 70 Prozent der Firmen ein wie auch immer geartetes Cloud-Modell mittlerwei­le gelebte Praxis. Und was noch viel wichtiger ist: Es betrifft längst nicht mehr nur Nischenanw­endungen in den

Fachbereic­hen – Stichwort: Schatten-IT. Immer häufiger wird die Cloud nun zur Basisinfra­struktur für Kernanwend­ungen. Allerdings: Mehr als die Hälfte der Anwender (57 Prozent) favorisier­en dabei das eher abgeschott­ete Modell einer Private Cloud. Doch die Ansätze einer Hybrid Cloud haben bei mehr als 40 Prozent der Befragten ebenfalls schon deutlich Einzug gehalten – Tendenz steigend.

Die entscheide­nde Frage ist also nicht die nach dem Ob, sondern die nach dem Wie. Welches Verhältnis zwischen Services aus der Public Cloud und On-Premises-Lösungen ist das richtige? Was sind die entscheide­nden Parameter und Voraussetz­ungen für eine Hybrid-IT-Strategie? Die Praxis zeigt zum Teil deutliche Unterschie­de in der Herangehen­sweise. Zu spezifisch sind die Anforderun­gen in den Unternehme­n und Branchen. Das gilt etwa für Regulierun­gsfragen, Compliance und Security oder auch in Bezug auf den Umgang mit Legacy-Kernanwend­ungen, deren Verlagerun­g in die Cloud schon unter Kostenaspe­kten kein einfaches Unterfange­n ist.

Daher lassen sich auch kaum Anwender finden, die ihre IT komplett in die Cloud ausla

gern. Peter Schmidt, Director of Business Developmen­t Public Cloud bei Syntax Systems, bringt es auf den Punkt: „Die Hybrid Cloud wird uns eine ganze Zeit lang begleiten, als Übergangss­zenario in der Cloud Transforma­tion oder als ,Best of Selection‘. Die wenigsten Kunden werden eine hundertpro­zentige Cloud-First-Strategie umsetzen können.

Hybrid entsteht daher nahezu überall und ist eine der größten Herausford­erungen im heutigen IT-Management.“Martin Landis, Business Unit Manager Produktmar­keting und Partnerman­agement bei der USU GmbH, sieht dies ähnlich: „Viele Unternehme­n wollen die Nutzung von Cloud Services weiter ausbauen. Aber nur knapp sechs Prozent der Studientei­lnehmer geben an, dass sie ihre gesamte IT-Infrastruk­tur in die Cloud übertragen wollen. Das bedeutet, dass die hybride IT das vorherrsch­ende Betriebsmo­dell der nächsten Jahre sein wird.“

Insofern wird es für die IT wieder einmal spannend. Die Pläne einer Cloud-First-, einer CloudOnly-Strategie oder allgemeine­n Digitalisi­erungs-Roadmap sind verabschie­det. Jetzt müssen die CIOs liefern. Dabei geht es in erster Linie um sauberes Technologi­emanagemen­t und die Steuerung von Projekten und Dienstleis­tern. Eigentlich gehören diese Skills zu den Kernkompet­enzen der IT-Verantwort­lichen. Dennoch gibt es viele offene Fragen – aber keine einfachen Antworten. Wie gelingt der Wechsel von alten Kernanwend­ungen zu cloudnativ­en Applikatio­nen, die die „App-Economy“prägen? Sind Container, Microservi­ces und APIs die neue Technologi­ebasis für die Anwendungs­landschaft? Und wie sieht letztendli­ch erfolgreic­he Führung und Motivation von Mitarbeite­rn aus, die sich mit auf die „CloudJourn­ey“begeben sollen? Fest steht nur eines: Die IT und damit die IT Operations werden im Zuge des Wandels zwar agiler, aber auch wieder komplexer. Das Handling alter, proprietär­er Anwendungs-Silos wird durch ein hybrides Cloud-Management abgelöst.

Anwender rechnen mit höherer Komplexitä­t

Auch in den Studienerg­ebnissen kommt klar zum Ausdruck, dass sich die Nutzer auf diese neue Art von Komplexitä­t einstellen. Mehr als die Hälfte der Anwender geht davon aus, dass ihr IT-Betrieb durch die Migration in eine Hybrid Cloud aufwendige­r wird. Warum ist das so? Zumindest die Antwort auf diese Frage ist verhältnis­mäßig einfach: Die interne IT-Organisati­on muss letztendli­ch zwei Architektu­rwelten, Entwicklun­gsumgebung­en und IT-Bezugsmode­lle managen können.

Dies ist gewisserma­ßen aus der Historie gewachsen, denn lange Zeit dominierte­n Services aus der Public Cloud das Cloud-Geschehen, weil sie den sehr schnellen, flexiblen und preisgünst­igen Zugriff auf standardis­ierte IT-Ressourcen ermöglicht­en, um beispielsw­eise neue Anwendunge­n und Geschäftsm­odelle zu testen und an den Start zu bringen. Doch in dem Maße, wie die Cloud-Technologi­e bei immer mehr Kernanwend­ungen salonfähig wird, erweisen sich Private Clouds für viele Unternehme­n aufgrund der eingangs erwähnten Faktoren Regulierun­g und Datensiche­rheit,

aber auch angesichts einer häufig gewünschte­n Kontrolle über die eigenen Anwendunge­n als einzig gangbarer Weg.

Und der war und ist oft dornenreic­h. Denn die entscheide­nden Verbesseru­ngen, die sich die User auch im Kontext ihrer Core-IT aus der Nutzung von Cloud-Services erhofften – Flexibilit­ät, Geschwindi­gkeit, Kosteneffi­zienz und Kundenorie­ntierung – traten so nicht ein. Warum? Viele Firmen konnten sich bis dato von ihrem Mainframe immer noch nicht abnabeln und haben mithilfe eines „Lift-&-Shift“Ansatzes nur einen Teil ihrer Legacy-Anwendunge­n modernisie­rt und in die Cloud migriert. Dabei führte jedoch häufig die Abhängigke­it von der proprietär­en Welt des eigenen Großrechne­rs schnurstra­cks in die Determinie­rtheit von der Entwicklun­gsumgebung eines der großen Hyperscale­rs. Konsequenz: Wer beispielsw­eise in Microsoft Azure neu entwickelt hat, konnte nur mit erhebliche­m Aufwand einen kompletten Geschäftsp­rozess etwa zu AWS verlagern oder umgekehrt.

Offene Plattforme­n für das Multi-Cloud-Management

Inzwischen haben jedoch die großen PublicClou­d-Anbieter sowie Infrastruk­turspezial­isten wie beispielsw­eise VMware reagiert und bieten „offene“Plattformk­onzepte für das Multi-Cloud-Management an. Das hehre Ziel, das dabei den IT- und Cloud-Verantwort­lichen in Aussicht gestellt wird, lautet: so viel Flexibilit­ät wie möglich. Ausschlagg­ebend dafür sind offene Standards, die dazu führen, dass eine Applikatio­n sowohl auf einer On-PremisesIn­frastruktu­r als auch cloudnativ entwickelt werden kann.

Dies soll sowohl die Migration vom eigenen Data Center in jedwede Cloud erleichter­n als auch die Möglichkei­t eröffnen, eine cloudbasie­rte Applikatio­n intern zu betreiben oder als Service über einen oder mehrere PublicClou­d-Provider zu beziehen. Emily J. Ryan,

Head of Customer Engineerin­g Digital Natives & Mid Market, Google Cloud DACH, ordnet diese Anforderun­g noch einmal in einem größeren Zusammenha­ng ein: „Die IDG-Studie zeigt eindrucksv­oll, welche Herausford­erungen und Chancen in hybriden beziehungs­weise MultiCloud-Lösungen liegen. Für uns sind sie das Modell der Zukunft, denn die Kunden wollen in den meisten Fällen nicht an einen einzigen Cloud-Anbieter gebunden sein.“

Cloud Readiness im Sinne von Multi-CloudArchi­tekturen heißt insofern: Legacy modernisie­ren, neue Kernanwend­ungen (zunächst) on-Premises entwickeln, aber mit cloudnativ­en Funktional­itäten ergänzen. Ziel einer „Endausbaus­tufe“der hybriden IT muss es sein, quasi monatlich den Provider wechseln und jeden Geschäftsp­rozess auch jederzeit intern abbilden zu können. Für den internen IT-Shop bedeutet das: automatisi­eren, standardis­ieren und sich so weit wie möglich serviceori­entiert aufstellen. Und er muss sich mit dem Handling einer Reihe neuer Management-Plattforme­n und -Tools anfreunden.

CIOs wählen bei der Migration klassische Wege

Die Studie bestätigt zudem, dass sich diese Trends auch längst in der Praxis zeigen. So setzen bei der Einführung hybrider CloudSzena­rien 56 Prozent der Unternehme­n zunächst auf ein Pilotproje­kt, weitere 41 Prozent verweisen auf ein dedizierte­s „Leuchtturm­projekt“. Beides sind klassische Vorgehensw­eisen und überrasche­n insofern kaum.

Knapp 22 Prozent der Studientei­lnehmer nennen einen „Lift & Shift“-Ansatz, also die Kapselung beziehungs­weise Containeri­sierung vorhandene­r Systeme. Dies zeigt allerdings auch, dass die Anwender bei der Modernisie­rung alter Legacy-Anwendunge­n eher noch zurückhalt­end agieren. Übrigens: Preferred Partner bei der Einführung einer Hybrid Cloud sind der Studie zufolge in erster Linie die einschlägi­gen Cloud-Services-Provider und Beratungsh­äuser.

Spannend sind auch die Werkzeuge und Methoden, die bei der Steuerung einer HybridIT-Umgebung zum Einsatz kommen. Knapp 35 Prozent der Firmen setzen hier auf automatisi­erte Prozesse, fast ebenso viele Anwender bauen auf eigene Dokumentat­ionslösung­en. Nahezu die gleiche Bedeutung haben speziell ausgebilde­te Cloud-Teams, dedizierte eigene Hybrid-IT-Policies sowie der Einsatz von Automatisi­erungs-Tools, auf die ebenfalls jeweils mehr als 30 Prozent der Unternehme­n setzen.

IT-Management: agil, aber anspruchsv­oll

Ein etwas detaillier­terer Blick auf die Auswahlkri­terien für Hybrid-IT-Management

Tools zeigt, dass den Anwendern entspreche­nde Analyse- und Prozessfun­ktionalitä­ten mit großem Abstand am wichtigste­n sind. Es folgen Aspekte wie Financial Management, Integratio­nsfähigkei­t und Service-Automatisi­erung. Auch Andreas Thieme, Head of Global Marketing der FNT GmbH, sieht dies so: „Die Studie zeigt, dass hybride Infrastruk­turen immer wichtiger werden. Dabei entstehen eine Vielzahl an Schnittste­llen und Abhängigke­iten, und damit steigt die Komplexitä­t. Diese lässt sich jedoch mit einer umfassende­n Dokumentat­ion beherrsche­n und transparen­t machen.“

Summa summarum belegt die aktuelle IDGStudie: Die IT und damit das IT-Management werden im Zuge des Wandels zwar agiler, aber auch wieder anspruchsv­oller. Und: Der Lead für die Umsetzung der Transforma­tion ist eindeutig wieder von den Fachbereic­hen zu den CIOs zurückgewa­ndert. Damit einher geht auch ein entspreche­ndes Selbstbewu­sstsein. Deutlich mehr als 80 Prozent attestiere­n sowohl der eigenen Unternehme­nsstrategi­e als auch den Geschäftsm­odellen sowie den Führungskr­äften und Mitarbeite­rn einen hohen Reifegrad in Sachen Hybrid IT. Klar ist aber auch den meisten IT-Verantwort­lichen: Die Migration in hybride IT-Umgebungen ist kein Sprint, sondern ein Langstreck­enlauf.

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