Hybrid Cloud – aus Sicherheitsgründen
Eine CW-Umfrage zeigt, wie vorsichtig Betriebe sind
Ohne Cloud Computing wird es schwierig mit dem digitalen Wandel. Allerdings gibt es keine Cloud-Strategie aus dem Lehrbuch, die sich als Blaupause verwenden ließe. Die IT-Welten bleiben vielmehr divers und damit im wahrsten Sinne des Wortes hybrid. Die meisten Anwender entscheiden sich für das Beste aus zwei Welten: für die Einfachheit und Schnelligkeit von ITBezugsmodellen aus der Public Cloud – und für die Unabhängigkeit und Sicherheit, die das eigene Data Center nach wie vor bietet. Diesen IT-strategischen Spagat vollziehen heute fast alle Unternehmen, unabhängig von Branche und Größe.
Laut der aktuellen Studie „Hybrid IT 2021“von IDG Research Services ist für rund 70 Prozent der Firmen ein wie auch immer geartetes Cloud-Modell mittlerweile gelebte Praxis. Und was noch viel wichtiger ist: Es betrifft längst nicht mehr nur Nischenanwendungen in den
Fachbereichen – Stichwort: Schatten-IT. Immer häufiger wird die Cloud nun zur Basisinfrastruktur für Kernanwendungen. Allerdings: Mehr als die Hälfte der Anwender (57 Prozent) favorisieren dabei das eher abgeschottete Modell einer Private Cloud. Doch die Ansätze einer Hybrid Cloud haben bei mehr als 40 Prozent der Befragten ebenfalls schon deutlich Einzug gehalten – Tendenz steigend.
Die entscheidende Frage ist also nicht die nach dem Ob, sondern die nach dem Wie. Welches Verhältnis zwischen Services aus der Public Cloud und On-Premises-Lösungen ist das richtige? Was sind die entscheidenden Parameter und Voraussetzungen für eine Hybrid-IT-Strategie? Die Praxis zeigt zum Teil deutliche Unterschiede in der Herangehensweise. Zu spezifisch sind die Anforderungen in den Unternehmen und Branchen. Das gilt etwa für Regulierungsfragen, Compliance und Security oder auch in Bezug auf den Umgang mit Legacy-Kernanwendungen, deren Verlagerung in die Cloud schon unter Kostenaspekten kein einfaches Unterfangen ist.
Daher lassen sich auch kaum Anwender finden, die ihre IT komplett in die Cloud ausla
gern. Peter Schmidt, Director of Business Development Public Cloud bei Syntax Systems, bringt es auf den Punkt: „Die Hybrid Cloud wird uns eine ganze Zeit lang begleiten, als Übergangsszenario in der Cloud Transformation oder als ,Best of Selection‘. Die wenigsten Kunden werden eine hundertprozentige Cloud-First-Strategie umsetzen können.
Hybrid entsteht daher nahezu überall und ist eine der größten Herausforderungen im heutigen IT-Management.“Martin Landis, Business Unit Manager Produktmarketing und Partnermanagement bei der USU GmbH, sieht dies ähnlich: „Viele Unternehmen wollen die Nutzung von Cloud Services weiter ausbauen. Aber nur knapp sechs Prozent der Studienteilnehmer geben an, dass sie ihre gesamte IT-Infrastruktur in die Cloud übertragen wollen. Das bedeutet, dass die hybride IT das vorherrschende Betriebsmodell der nächsten Jahre sein wird.“
Insofern wird es für die IT wieder einmal spannend. Die Pläne einer Cloud-First-, einer CloudOnly-Strategie oder allgemeinen Digitalisierungs-Roadmap sind verabschiedet. Jetzt müssen die CIOs liefern. Dabei geht es in erster Linie um sauberes Technologiemanagement und die Steuerung von Projekten und Dienstleistern. Eigentlich gehören diese Skills zu den Kernkompetenzen der IT-Verantwortlichen. Dennoch gibt es viele offene Fragen – aber keine einfachen Antworten. Wie gelingt der Wechsel von alten Kernanwendungen zu cloudnativen Applikationen, die die „App-Economy“prägen? Sind Container, Microservices und APIs die neue Technologiebasis für die Anwendungslandschaft? Und wie sieht letztendlich erfolgreiche Führung und Motivation von Mitarbeitern aus, die sich mit auf die „CloudJourney“begeben sollen? Fest steht nur eines: Die IT und damit die IT Operations werden im Zuge des Wandels zwar agiler, aber auch wieder komplexer. Das Handling alter, proprietärer Anwendungs-Silos wird durch ein hybrides Cloud-Management abgelöst.
Anwender rechnen mit höherer Komplexität
Auch in den Studienergebnissen kommt klar zum Ausdruck, dass sich die Nutzer auf diese neue Art von Komplexität einstellen. Mehr als die Hälfte der Anwender geht davon aus, dass ihr IT-Betrieb durch die Migration in eine Hybrid Cloud aufwendiger wird. Warum ist das so? Zumindest die Antwort auf diese Frage ist verhältnismäßig einfach: Die interne IT-Organisation muss letztendlich zwei Architekturwelten, Entwicklungsumgebungen und IT-Bezugsmodelle managen können.
Dies ist gewissermaßen aus der Historie gewachsen, denn lange Zeit dominierten Services aus der Public Cloud das Cloud-Geschehen, weil sie den sehr schnellen, flexiblen und preisgünstigen Zugriff auf standardisierte IT-Ressourcen ermöglichten, um beispielsweise neue Anwendungen und Geschäftsmodelle zu testen und an den Start zu bringen. Doch in dem Maße, wie die Cloud-Technologie bei immer mehr Kernanwendungen salonfähig wird, erweisen sich Private Clouds für viele Unternehmen aufgrund der eingangs erwähnten Faktoren Regulierung und Datensicherheit,
aber auch angesichts einer häufig gewünschten Kontrolle über die eigenen Anwendungen als einzig gangbarer Weg.
Und der war und ist oft dornenreich. Denn die entscheidenden Verbesserungen, die sich die User auch im Kontext ihrer Core-IT aus der Nutzung von Cloud-Services erhofften – Flexibilität, Geschwindigkeit, Kosteneffizienz und Kundenorientierung – traten so nicht ein. Warum? Viele Firmen konnten sich bis dato von ihrem Mainframe immer noch nicht abnabeln und haben mithilfe eines „Lift-&-Shift“Ansatzes nur einen Teil ihrer Legacy-Anwendungen modernisiert und in die Cloud migriert. Dabei führte jedoch häufig die Abhängigkeit von der proprietären Welt des eigenen Großrechners schnurstracks in die Determiniertheit von der Entwicklungsumgebung eines der großen Hyperscalers. Konsequenz: Wer beispielsweise in Microsoft Azure neu entwickelt hat, konnte nur mit erheblichem Aufwand einen kompletten Geschäftsprozess etwa zu AWS verlagern oder umgekehrt.
Offene Plattformen für das Multi-Cloud-Management
Inzwischen haben jedoch die großen PublicCloud-Anbieter sowie Infrastrukturspezialisten wie beispielsweise VMware reagiert und bieten „offene“Plattformkonzepte für das Multi-Cloud-Management an. Das hehre Ziel, das dabei den IT- und Cloud-Verantwortlichen in Aussicht gestellt wird, lautet: so viel Flexibilität wie möglich. Ausschlaggebend dafür sind offene Standards, die dazu führen, dass eine Applikation sowohl auf einer On-PremisesInfrastruktur als auch cloudnativ entwickelt werden kann.
Dies soll sowohl die Migration vom eigenen Data Center in jedwede Cloud erleichtern als auch die Möglichkeit eröffnen, eine cloudbasierte Applikation intern zu betreiben oder als Service über einen oder mehrere PublicCloud-Provider zu beziehen. Emily J. Ryan,
Head of Customer Engineering Digital Natives & Mid Market, Google Cloud DACH, ordnet diese Anforderung noch einmal in einem größeren Zusammenhang ein: „Die IDG-Studie zeigt eindrucksvoll, welche Herausforderungen und Chancen in hybriden beziehungsweise MultiCloud-Lösungen liegen. Für uns sind sie das Modell der Zukunft, denn die Kunden wollen in den meisten Fällen nicht an einen einzigen Cloud-Anbieter gebunden sein.“
Cloud Readiness im Sinne von Multi-CloudArchitekturen heißt insofern: Legacy modernisieren, neue Kernanwendungen (zunächst) on-Premises entwickeln, aber mit cloudnativen Funktionalitäten ergänzen. Ziel einer „Endausbaustufe“der hybriden IT muss es sein, quasi monatlich den Provider wechseln und jeden Geschäftsprozess auch jederzeit intern abbilden zu können. Für den internen IT-Shop bedeutet das: automatisieren, standardisieren und sich so weit wie möglich serviceorientiert aufstellen. Und er muss sich mit dem Handling einer Reihe neuer Management-Plattformen und -Tools anfreunden.
CIOs wählen bei der Migration klassische Wege
Die Studie bestätigt zudem, dass sich diese Trends auch längst in der Praxis zeigen. So setzen bei der Einführung hybrider CloudSzenarien 56 Prozent der Unternehmen zunächst auf ein Pilotprojekt, weitere 41 Prozent verweisen auf ein dediziertes „Leuchtturmprojekt“. Beides sind klassische Vorgehensweisen und überraschen insofern kaum.
Knapp 22 Prozent der Studienteilnehmer nennen einen „Lift & Shift“-Ansatz, also die Kapselung beziehungsweise Containerisierung vorhandener Systeme. Dies zeigt allerdings auch, dass die Anwender bei der Modernisierung alter Legacy-Anwendungen eher noch zurückhaltend agieren. Übrigens: Preferred Partner bei der Einführung einer Hybrid Cloud sind der Studie zufolge in erster Linie die einschlägigen Cloud-Services-Provider und Beratungshäuser.
Spannend sind auch die Werkzeuge und Methoden, die bei der Steuerung einer HybridIT-Umgebung zum Einsatz kommen. Knapp 35 Prozent der Firmen setzen hier auf automatisierte Prozesse, fast ebenso viele Anwender bauen auf eigene Dokumentationslösungen. Nahezu die gleiche Bedeutung haben speziell ausgebildete Cloud-Teams, dedizierte eigene Hybrid-IT-Policies sowie der Einsatz von Automatisierungs-Tools, auf die ebenfalls jeweils mehr als 30 Prozent der Unternehmen setzen.
IT-Management: agil, aber anspruchsvoll
Ein etwas detaillierterer Blick auf die Auswahlkriterien für Hybrid-IT-Management
Tools zeigt, dass den Anwendern entsprechende Analyse- und Prozessfunktionalitäten mit großem Abstand am wichtigsten sind. Es folgen Aspekte wie Financial Management, Integrationsfähigkeit und Service-Automatisierung. Auch Andreas Thieme, Head of Global Marketing der FNT GmbH, sieht dies so: „Die Studie zeigt, dass hybride Infrastrukturen immer wichtiger werden. Dabei entstehen eine Vielzahl an Schnittstellen und Abhängigkeiten, und damit steigt die Komplexität. Diese lässt sich jedoch mit einer umfassenden Dokumentation beherrschen und transparent machen.“
Summa summarum belegt die aktuelle IDGStudie: Die IT und damit das IT-Management werden im Zuge des Wandels zwar agiler, aber auch wieder anspruchsvoller. Und: Der Lead für die Umsetzung der Transformation ist eindeutig wieder von den Fachbereichen zu den CIOs zurückgewandert. Damit einher geht auch ein entsprechendes Selbstbewusstsein. Deutlich mehr als 80 Prozent attestieren sowohl der eigenen Unternehmensstrategie als auch den Geschäftsmodellen sowie den Führungskräften und Mitarbeitern einen hohen Reifegrad in Sachen Hybrid IT. Klar ist aber auch den meisten IT-Verantwortlichen: Die Migration in hybride IT-Umgebungen ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf.