Was SAP mit Signavio vorhat
Mit dem Bundling „Rise with SAP“wollen die Walldorfer Kunden locken. Ein zentraler Bestandteil ist Business Process Intelligence. Um hier besser zu werden kauft SAP Signavio.
Mit „Rise with SAP“bündelt SAP Software, Services und Tools, um seinen Kunden den Weg in die Cloud und zu effizienteren Prozessen zu ebnen. Ein zentraler Bestandteil des Pakets ist Business Process Intelligence. Um sich hier zu stärken, kaufen die Walldorfer Signavio.
SAP hat mit „Rise with SAP“ein Paket geschnürt, das Kunden bei ihrer digitalen Transformation unterstützen soll. Voraussetzung ist der Umstieg oder die Neueinführung von S/4HANA. Der Fokus liegt dabei eindeutig auf der Cloud-Variante, wenngleich SAP-Vorstandssprecher Christian Klein betonte, auch On-Premises- und hybride IT-Infrastrukturen einbeziehen zu wollen. Das neue Bundle der SAP besteht aus folgenden Bestandteilen:
➜ S/4HANA Cloud,
➜Business Process Intelligence,
➜dem SAP Business Network,
➜ der SAP Business Technology Platform (BTP)
➜Cloud-Infrastruktur-Services (Alibaba, AWS, Azure, Google, IBM, SAP)
➜ Tools und Services für die Migration.
Im Zuge der Migration auf S/4HANA müsse es in erster Linie um die Optimierung der Geschäftsprozesse gehen, sagte Thomas Saueressig, SAPVorstand für den Bereich Product Engineering, im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE. Es greife zu kurz, sich nur auf eine technische Migration des SAP-Systems zu beschränken. Saueressig spricht von „Business Transformation as a Service“, das SAP mit Rise with SAP anbieten wolle. Eine wichtige Rolle sollen dabei Beratungspartner spielen. Mit an Bord sind unter anderen Accenture, Deloitte und PwC.
Als Vorteil des Lösungspakets hob Saueressig die „einfache Nutzung“hervor. Anwender erhielten einen Vertrag mit einer entsprechenden Cloud-Subscription. Die Abrechnungsmetrik dahinter orientiere sich an der Zahl der Nutzer. Dabei will SAP seinen Kunden offenbar mehr Flexibilität als bisher bieten. Die Zahl der Nutzer lasse sich nach oben und nach unten skalieren, sagte der SAP-Vorstand. Kunden müssten sich nicht mehr über Jahre hinweg auf eine bestimmte User-Zahl festlegen. Anwendervertreter hatten seit Jahren atmende Lizenzmodelle für SAPs Cloud-Angebote gefordert. Nun scheint sich der Softwarekonzern in diese Richtung zu bewegen.
Rise with SAP soll vergleichsweise einfach einsetzbar sein, verspricht Saueressig. Anwender könnten sich ganz auf das Verbessern und Transformieren ihrer Geschäftsprozesse ausrichten. Um alles andere werde sich SAP kümmern: die Software, die Infrastrukturressourcen in der Cloud und den Gesamtbetrieb der Lösung. Dabei könnten Anwender zwischen verschiedenen Optionen wählen. Neben der eigenen Cloud-Infrastruktur kooperiert SAP mit den großen Hyperscalern AWS, Microsoft, Google und Alibaba.
SAP arbeitet eigenen Angaben zufolge bereits seit etwa einem halben Jahr an dem Paket. Über 130 Pilotkunden haben die Lösung seit dem vierten Quartal 2020 im Einsatz. Obwohl
die Entwicklung nicht publik gemacht worden sei, gebe es bereits eine große Nachfrage, sagte Vorstandsmitglied Saueressig. Das Angebot richte sich an Kunden aller Branchen und Größenordnungen. SAP plant offenbar, im Laufe der Zeit weitere Lösungen mit Rise with SAP zu integrieren, beispielsweise die CloudAngebote von Successfactors und Concur. Auch dabei stünden die einfache Nutzung und Harmonisierung im Vordergrund. So sollen unterschiedliche Abrechnungsmodelle wie die nutzungsabhängige Metrik bei Concur, die sich an der Zahl der über das Tool abgerechneten Reisen orientiert, mit der nutzerbasierten Metrik in einem Vertrag gebündelt werden, um so die Komplexität für die Kunden zu reduzieren.
Mit Business Process Intelligence zu effizienteren Abläufen
Zur neuen Prozessorientierung von SAP passt die Übernahme von Signavio. Die Verantwortlichen des Berliner Startups interessieren sich nicht nur für das klassische Process Mining, das darauf abzielt, vorhandene Abläufe im Betrieb zu dokumentieren, zu visualisieren und zu verbessern. Signavio orientiert sich eher in Richtung Process Intelligence, kümmert sich also um eine grundsätzliche Transformation von Prozessen. SAP will den eigenen Geschäftsbereich Business Process Intelligence mit Signavio verknüpfen. Kunden sollen damit ihre Geschäftsprozesse analysieren, transformieren und steuern können. Der Kauf soll noch im ersten Quartal 2021 abgeschlossen werden, die Zustimmung der Aufsichtsbehörden vorausgesetzt. Über den Preis vereinbarten beide Seiten Stillschweigen. Insider sprechen von rund einer Milliarde Euro, die SAP angeblich für das Berliner Startup auf den Tisch lege.
Die integrierte cloudnative Prozess-Suite von Signavio soll die Business-Process-IntelligenceLösung von SAP ergänzen. Die Walldorfer sprechen von einer ganzheitlichen Suite flexibler Lösungen zur Prozesstransformation, mit der
Kunden ihre Geschäftsabläufe durchgängig anpassen könnten. Dazu gehörten die Analyse, das Design und die Verbesserung von Geschäftsprozessen sowie das Management von Prozessänderungen. Die Suite ermögliche es zudem, die Resultate der Prozessanpassungen zu überwachen.
Signavio und SAP sind sich nicht fremd. Im Mai vergangenen Jahres hatten die Berliner bekannt gegeben, ihren „Process Manager“mit S/4HANA zu integrieren. Das erleichtere und beschleunige die Migration von ERP-Altsystemen, versprachen die Verantwortlichen. Anwender könnten damit Prozesse optimieren, Kosten reduzieren und das Risiko vermindern, dass Projekte scheiterten. Neben dem Process Manager bietet Signavio seine „Business Transformation Suite“. Dabei handele es sich nach Herstellerangaben um eine integrierte Lösungsplattform für das Modellieren, Analysieren, Verwalten, Optimieren und Ausführen von Geschäftsprozessen. Die Suite beinhalte Technologien wie Prozess- und Entscheidungsmanagement, Process Mining und Customer Journey Mapping. Sie unterstütze Anwender bei allen Projekten der digitalen Transformation in Bereichen wie Process Excellence, ERPTransformation, RPA, Risk & Compliance oder Customer Excellence.
Noch nicht abzusehen ist, wie fest SAP die Lösungen von Signavio mit der eigenen Software verdrahten will, und ob die Werkzeuge auch in Zukunft für andere Plattformen verfügbar sein werden. Seit September vergangenen Jahres wird beispielsweise die ProcessIntelligence-Lösung von Signavio auf dem AppExchange-Marktplatz von Salesforce angeboten – einem Wettbewerber von SAP, gerade im so wichtigen Cloud-Geschäft. Die Verantwortlichen sprachen von einer nahtlosen Integration von Signavio Process Intelligence in Salesforce. Anwender könnten so Vertriebsprozesse analysieren und optimieren. Ob das auch künftig so sein wird, ist fraglich.
Anwender wollen Eigenentwicklungen nicht zurücklassen
Anwender begrüßten SAPs Initiative, Kunden den Weg in die Cloud und zu S/4HANA zu ebnen. Steffen Pietsch, Fachvorstand Technologie bei der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), nannte die Transformation des Business und die Anpassung von Geschäftsprozessen als zentrale Herausforderungen der Migration. „Ein reines Lift and Shift von OnPremises-Systemen in eine Cloud-Umgebung reicht nicht aus beziehungsweise kann nur der erste Schritt sein.“
Die Erwartungshaltung der SAP-Kunden ist hoch. „SAP ist gemeinsam mit Partnern gefordert, Wege aufzuzeigen, wie sie hochgradig angepasste Systeme und Prozesse in S/4HANACloud-Umgebungen überführen wollen“, sagte Pietsch. Gleiches gelte für die Transformation komplexer Eigenentwicklungen und Drittsystem-Integrationen, die teilweise nicht cloudkompatibel seien, de facto aber in vielen Kundensystemen existierten und fachlich weiterhin erforderlich seien. „Diese Umstellung ist keine technische Migration, sondern eine Transformation, die die inhaltliche Auseinandersetzung mit fachlichen Anforderungen und einen ganzheitlichen Blick auf die Systemlandschaft erforderlich macht.“Ob SAPs RiseModell hier weiterhelfen kann, ist aus DSAGSicht noch offen. „Derzeit liegen noch zu wenige Informationen vor, um die Tragfähigkeit bewerten zu können.“
Microsoft Teams mit SAP-Software integriert
Um den Umstieg in die Cloud für Kunden zu vereinfachen, baut SAP zudem seine Partnerschaft mit Microsoft aus. Das betrifft in erster Linie verschiedene Integrationsszenarien zwischen Microsoft Teams und SAP-Lösungen wie S/4HANA, Successfactors und Customer Experience, die bis Mitte des Jahres zur Verfügung stehen sollen. Anwender könnten beispielsweise direkt über S/4HANA oder die Sales
Cloud Kontakt mit ihren Geschäftspartnern aufnehmen, ohne zu einer anderen Anwendung wechseln zu müssen, beschrieb SAP-Vorstand Saueressig ein Szenario. „So können sie auf der Grundlage von Echtzeitdaten und im ständigen Dialog mit den relevanten Stakeholdern schnell auf neue Situationen reagieren.“
„Indem wir die Leistungsfähigkeit von Azure und Teams mit SAP-Lösungen kombinieren, helfen wir mehr Unternehmen, das Potenzial der Cloud auszuschöpfen“, versprach Satya Nadella, CEO von Microsoft. „Sie können sich somit in Zukunft schneller anpassen und Innovation stärker vorantreiben.“SAP-Chef Klein ergänzte, dass neue Formen der Arbeit, Zusammenarbeit und des Austauschs die betrieblichen Abläufe grundlegend veränderten. „Wir gestalten damit gemeinsam die Arbeitswelt der Zukunft und bereiten den Weg für das reibungslos funktionierende Unternehmen.“Darüber hinaus wollen SAP und Microsoft Anwendern künftig bei der Erstkonfiguration und beim Design der Architektur von S/4HANA in einer Azure-Umgebung stärker unter die Arme greifen. Geplant seien automatisierte Systeminstallationen sowie mehr Hilfestellung beim Einsatz des Datenmigrations-Tools, mit dem sich SAP-Workloads aus der On-PremisesUmgebung in S/4HANA auf Microsoft Azure migrieren lassen. Dafür sollen auch die Infrastrukturen mit der SAP Business Technology Platform (BTP) und den Microsoft Azure Services enger verzahnt werden, hieß es.
Die Kooperation dürfte bei SAP-Anwendern gut ankommen. Im Rahmen ihrer jüngsten Investitionsumfrage hat die DSAG auch die Relevanz von Plattformen abgefragt. Dabei steht Azure ganz vorn. Mehr als ein Viertel der fast 250 befragten SAP-Anwender plant hohe (21 Prozent) beziehungsweise mittlere (sechs Prozent) Investitionen in Microsofts PaaS- und IaaS-Angebote. Auf Platz zwei liegt SAPs BTP (17 Prozent). Abgeschlagen folgen AWS (sechs Prozent) und die Google Cloud Platform (GCP) mit zwei Prozent.