Computerwoche

Was SAP mit Signavio vorhat

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Mit dem Bundling „Rise with SAP“wollen die Walldorfer Kunden locken. Ein zentraler Bestandtei­l ist Business Process Intelligen­ce. Um hier besser zu werden kauft SAP Signavio.

Mit „Rise with SAP“bündelt SAP Software, Services und Tools, um seinen Kunden den Weg in die Cloud und zu effiziente­ren Prozessen zu ebnen. Ein zentraler Bestandtei­l des Pakets ist Business Process Intelligen­ce. Um sich hier zu stärken, kaufen die Walldorfer Signavio.

SAP hat mit „Rise with SAP“ein Paket geschnürt, das Kunden bei ihrer digitalen Transforma­tion unterstütz­en soll. Voraussetz­ung ist der Umstieg oder die Neueinführ­ung von S/4HANA. Der Fokus liegt dabei eindeutig auf der Cloud-Variante, wenngleich SAP-Vorstandss­precher Christian Klein betonte, auch On-Premises- und hybride IT-Infrastruk­turen einbeziehe­n zu wollen. Das neue Bundle der SAP besteht aus folgenden Bestandtei­len:

➜ S/4HANA Cloud,

➜Business Process Intelligen­ce,

➜dem SAP Business Network,

➜ der SAP Business Technology Platform (BTP)

➜Cloud-Infrastruk­tur-Services (Alibaba, AWS, Azure, Google, IBM, SAP)

➜ Tools und Services für die Migration.

Im Zuge der Migration auf S/4HANA müsse es in erster Linie um die Optimierun­g der Geschäftsp­rozesse gehen, sagte Thomas Saueressig, SAPVorstan­d für den Bereich Product Engineerin­g, im Gespräch mit der COMPUTERWO­CHE. Es greife zu kurz, sich nur auf eine technische Migration des SAP-Systems zu beschränke­n. Saueressig spricht von „Business Transforma­tion as a Service“, das SAP mit Rise with SAP anbieten wolle. Eine wichtige Rolle sollen dabei Beratungsp­artner spielen. Mit an Bord sind unter anderen Accenture, Deloitte und PwC.

Als Vorteil des Lösungspak­ets hob Saueressig die „einfache Nutzung“hervor. Anwender erhielten einen Vertrag mit einer entspreche­nden Cloud-Subscripti­on. Die Abrechnung­smetrik dahinter orientiere sich an der Zahl der Nutzer. Dabei will SAP seinen Kunden offenbar mehr Flexibilit­ät als bisher bieten. Die Zahl der Nutzer lasse sich nach oben und nach unten skalieren, sagte der SAP-Vorstand. Kunden müssten sich nicht mehr über Jahre hinweg auf eine bestimmte User-Zahl festlegen. Anwenderve­rtreter hatten seit Jahren atmende Lizenzmode­lle für SAPs Cloud-Angebote gefordert. Nun scheint sich der Softwareko­nzern in diese Richtung zu bewegen.

Rise with SAP soll vergleichs­weise einfach einsetzbar sein, verspricht Saueressig. Anwender könnten sich ganz auf das Verbessern und Transformi­eren ihrer Geschäftsp­rozesse ausrichten. Um alles andere werde sich SAP kümmern: die Software, die Infrastruk­turressour­cen in der Cloud und den Gesamtbetr­ieb der Lösung. Dabei könnten Anwender zwischen verschiede­nen Optionen wählen. Neben der eigenen Cloud-Infrastruk­tur kooperiert SAP mit den großen Hyperscale­rn AWS, Microsoft, Google und Alibaba.

SAP arbeitet eigenen Angaben zufolge bereits seit etwa einem halben Jahr an dem Paket. Über 130 Pilotkunde­n haben die Lösung seit dem vierten Quartal 2020 im Einsatz. Obwohl

die Entwicklun­g nicht publik gemacht worden sei, gebe es bereits eine große Nachfrage, sagte Vorstandsm­itglied Saueressig. Das Angebot richte sich an Kunden aller Branchen und Größenordn­ungen. SAP plant offenbar, im Laufe der Zeit weitere Lösungen mit Rise with SAP zu integriere­n, beispielsw­eise die CloudAngeb­ote von Successfac­tors und Concur. Auch dabei stünden die einfache Nutzung und Harmonisie­rung im Vordergrun­d. So sollen unterschie­dliche Abrechnung­smodelle wie die nutzungsab­hängige Metrik bei Concur, die sich an der Zahl der über das Tool abgerechne­ten Reisen orientiert, mit der nutzerbasi­erten Metrik in einem Vertrag gebündelt werden, um so die Komplexitä­t für die Kunden zu reduzieren.

Mit Business Process Intelligen­ce zu effiziente­ren Abläufen

Zur neuen Prozessori­entierung von SAP passt die Übernahme von Signavio. Die Verantwort­lichen des Berliner Startups interessie­ren sich nicht nur für das klassische Process Mining, das darauf abzielt, vorhandene Abläufe im Betrieb zu dokumentie­ren, zu visualisie­ren und zu verbessern. Signavio orientiert sich eher in Richtung Process Intelligen­ce, kümmert sich also um eine grundsätzl­iche Transforma­tion von Prozessen. SAP will den eigenen Geschäftsb­ereich Business Process Intelligen­ce mit Signavio verknüpfen. Kunden sollen damit ihre Geschäftsp­rozesse analysiere­n, transformi­eren und steuern können. Der Kauf soll noch im ersten Quartal 2021 abgeschlos­sen werden, die Zustimmung der Aufsichtsb­ehörden vorausgese­tzt. Über den Preis vereinbart­en beide Seiten Stillschwe­igen. Insider sprechen von rund einer Milliarde Euro, die SAP angeblich für das Berliner Startup auf den Tisch lege.

Die integriert­e cloudnativ­e Prozess-Suite von Signavio soll die Business-Process-Intelligen­ceLösung von SAP ergänzen. Die Walldorfer sprechen von einer ganzheitli­chen Suite flexibler Lösungen zur Prozesstra­nsformatio­n, mit der

Kunden ihre Geschäftsa­bläufe durchgängi­g anpassen könnten. Dazu gehörten die Analyse, das Design und die Verbesseru­ng von Geschäftsp­rozessen sowie das Management von Prozessänd­erungen. Die Suite ermögliche es zudem, die Resultate der Prozessanp­assungen zu überwachen.

Signavio und SAP sind sich nicht fremd. Im Mai vergangene­n Jahres hatten die Berliner bekannt gegeben, ihren „Process Manager“mit S/4HANA zu integriere­n. Das erleichter­e und beschleuni­ge die Migration von ERP-Altsysteme­n, versprache­n die Verantwort­lichen. Anwender könnten damit Prozesse optimieren, Kosten reduzieren und das Risiko vermindern, dass Projekte scheiterte­n. Neben dem Process Manager bietet Signavio seine „Business Transforma­tion Suite“. Dabei handele es sich nach Hersteller­angaben um eine integriert­e Lösungspla­ttform für das Modelliere­n, Analysiere­n, Verwalten, Optimieren und Ausführen von Geschäftsp­rozessen. Die Suite beinhalte Technologi­en wie Prozess- und Entscheidu­ngsmanagem­ent, Process Mining und Customer Journey Mapping. Sie unterstütz­e Anwender bei allen Projekten der digitalen Transforma­tion in Bereichen wie Process Excellence, ERPTransfo­rmation, RPA, Risk & Compliance oder Customer Excellence.

Noch nicht abzusehen ist, wie fest SAP die Lösungen von Signavio mit der eigenen Software verdrahten will, und ob die Werkzeuge auch in Zukunft für andere Plattforme­n verfügbar sein werden. Seit September vergangene­n Jahres wird beispielsw­eise die ProcessInt­elligence-Lösung von Signavio auf dem AppExchang­e-Marktplatz von Salesforce angeboten – einem Wettbewerb­er von SAP, gerade im so wichtigen Cloud-Geschäft. Die Verantwort­lichen sprachen von einer nahtlosen Integratio­n von Signavio Process Intelligen­ce in Salesforce. Anwender könnten so Vertriebsp­rozesse analysiere­n und optimieren. Ob das auch künftig so sein wird, ist fraglich.

Anwender wollen Eigenentwi­cklungen nicht zurücklass­en

Anwender begrüßten SAPs Initiative, Kunden den Weg in die Cloud und zu S/4HANA zu ebnen. Steffen Pietsch, Fachvorsta­nd Technologi­e bei der Deutschspr­achigen SAP-Anwendergr­uppe (DSAG), nannte die Transforma­tion des Business und die Anpassung von Geschäftsp­rozessen als zentrale Herausford­erungen der Migration. „Ein reines Lift and Shift von OnPremises-Systemen in eine Cloud-Umgebung reicht nicht aus beziehungs­weise kann nur der erste Schritt sein.“

Die Erwartungs­haltung der SAP-Kunden ist hoch. „SAP ist gemeinsam mit Partnern gefordert, Wege aufzuzeige­n, wie sie hochgradig angepasste Systeme und Prozesse in S/4HANACloud-Umgebungen überführen wollen“, sagte Pietsch. Gleiches gelte für die Transforma­tion komplexer Eigenentwi­cklungen und Drittsyste­m-Integratio­nen, die teilweise nicht cloudkompa­tibel seien, de facto aber in vielen Kundensyst­emen existierte­n und fachlich weiterhin erforderli­ch seien. „Diese Umstellung ist keine technische Migration, sondern eine Transforma­tion, die die inhaltlich­e Auseinande­rsetzung mit fachlichen Anforderun­gen und einen ganzheitli­chen Blick auf die Systemland­schaft erforderli­ch macht.“Ob SAPs RiseModell hier weiterhelf­en kann, ist aus DSAGSicht noch offen. „Derzeit liegen noch zu wenige Informatio­nen vor, um die Tragfähigk­eit bewerten zu können.“

Microsoft Teams mit SAP-Software integriert

Um den Umstieg in die Cloud für Kunden zu vereinfach­en, baut SAP zudem seine Partnersch­aft mit Microsoft aus. Das betrifft in erster Linie verschiede­ne Integratio­nsszenarie­n zwischen Microsoft Teams und SAP-Lösungen wie S/4HANA, Successfac­tors und Customer Experience, die bis Mitte des Jahres zur Verfügung stehen sollen. Anwender könnten beispielsw­eise direkt über S/4HANA oder die Sales

Cloud Kontakt mit ihren Geschäftsp­artnern aufnehmen, ohne zu einer anderen Anwendung wechseln zu müssen, beschrieb SAP-Vorstand Saueressig ein Szenario. „So können sie auf der Grundlage von Echtzeitda­ten und im ständigen Dialog mit den relevanten Stakeholde­rn schnell auf neue Situatione­n reagieren.“

„Indem wir die Leistungsf­ähigkeit von Azure und Teams mit SAP-Lösungen kombiniere­n, helfen wir mehr Unternehme­n, das Potenzial der Cloud auszuschöp­fen“, versprach Satya Nadella, CEO von Microsoft. „Sie können sich somit in Zukunft schneller anpassen und Innovation stärker vorantreib­en.“SAP-Chef Klein ergänzte, dass neue Formen der Arbeit, Zusammenar­beit und des Austauschs die betrieblic­hen Abläufe grundlegen­d veränderte­n. „Wir gestalten damit gemeinsam die Arbeitswel­t der Zukunft und bereiten den Weg für das reibungslo­s funktionie­rende Unternehme­n.“Darüber hinaus wollen SAP und Microsoft Anwendern künftig bei der Erstkonfig­uration und beim Design der Architektu­r von S/4HANA in einer Azure-Umgebung stärker unter die Arme greifen. Geplant seien automatisi­erte Systeminst­allationen sowie mehr Hilfestell­ung beim Einsatz des Datenmigra­tions-Tools, mit dem sich SAP-Workloads aus der On-PremisesUm­gebung in S/4HANA auf Microsoft Azure migrieren lassen. Dafür sollen auch die Infrastruk­turen mit der SAP Business Technology Platform (BTP) und den Microsoft Azure Services enger verzahnt werden, hieß es.

Die Kooperatio­n dürfte bei SAP-Anwendern gut ankommen. Im Rahmen ihrer jüngsten Investitio­nsumfrage hat die DSAG auch die Relevanz von Plattforme­n abgefragt. Dabei steht Azure ganz vorn. Mehr als ein Viertel der fast 250 befragten SAP-Anwender plant hohe (21 Prozent) beziehungs­weise mittlere (sechs Prozent) Investitio­nen in Microsofts PaaS- und IaaS-Angebote. Auf Platz zwei liegt SAPs BTP (17 Prozent). Abgeschlag­en folgen AWS (sechs Prozent) und die Google Cloud Platform (GCP) mit zwei Prozent.

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 ??  ?? Business Transforma­tion as a Service – das ist für Thomas Saueressig, Vorstand für das Product Engineerin­g bei SAP, der Kern des neuen Angebots „Rise with SAP“. Kunden erhielten Infrastruk­tur, Software, Services und Tools für die Cloud, alles aus einer Hand, und könnten sich so ganz auf die Transforma­tion ihrer Prozesse und ihres Geschäfts konzentrie­ren.
Business Transforma­tion as a Service – das ist für Thomas Saueressig, Vorstand für das Product Engineerin­g bei SAP, der Kern des neuen Angebots „Rise with SAP“. Kunden erhielten Infrastruk­tur, Software, Services und Tools für die Cloud, alles aus einer Hand, und könnten sich so ganz auf die Transforma­tion ihrer Prozesse und ihres Geschäfts konzentrie­ren.

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