IT-Projekte in Schieflage erkennen
Viele Unternehmen halten zu lange an Vorhaben fest, die den erwünschten Effekt oder Geschäftsvorteil nicht mehr einbringen werden. Lesen Sie, woran Sie erkennen, dass Sie ein totes Pferd reiten.
„Jetzt haben wir schon so viel investiert, jetzt müssen wir‘s auch durchziehen“– dies ist einer der typischen Denkfehler, die Unternehmen teuer zu stehen kommen.
Projekte einzustellen, weil die erhofften Vorteile außer Sicht geraten und die Kosten auszuufern drohen, ist eine wichtige, aber auch mutige Entscheidung. Folgende Anzeichen signalisieren, dass die Reißleine gezogen werden sollte.
1. Der Zeitrahmen wird gesprengt
Wenn das Vorhaben innerhalb eines vorher abgesteckten Zeitrahmens (zirka sechs bis zwölf Monate) nicht die gewünschten Fortschritte erzielt, kann es an der Zeit sein, Strategie und Zielsetzung zu überarbeiten – oder das Projekt zu beerdigen. „Commitment Escalation“ist nach den Erfahrungen von T. Ravichandran, Professor für Supply Chain Management am Rensselaer Polytechnic Institute, eines der Hauptprobleme in vielen Unternehmen: „Weil wir schon investiert haben, müssen wir es jetzt auch durchziehen“, argumentierten die Verantwortlichen. Der Wissenschaftler empfiehlt deshalb, Gelder schrittweise fließen zu lassen und die Zahlungen an Erfolge zu knüpfen.
2. Die Rahmenbedingungen ändern sich
Die Umstände ändern sich manchmal schnell und unerwartet, wie die Corona-Pandemie zeigt. Solche Ereignisse können zu neuen Rahmenbedingungen führen, weshalb immer wieder Neubewertungen nötig sind. Wie sinnhaft ist unser Vorgehen noch angesichts der neuen Faktenlage, in der zum Beispiel Home-Office verordnet, die Supply-Chain neu organisiert und eine Übernahme auf Eis gelegt wurde?
3. Warnzeichen werden übersehen
Wenn sich abzeichnet, dass ein Projekt die vorgegebenen Ziele weit verfehlt, muss das alle Alarmglocken schrillen lassen. „Jeder Hinweis darauf, dass Projektziele verfehlt werden, sollte genau geprüft und das Projekt reevaluiert werden“, empfiehlt Paul Rohmeyer, Director am Stevens Institute of Technology. Er warnt aber davor, die Dinge zu überstürzen: Sei die Entscheidung dann aber einmal gefallen, sollte die Abwicklung so schnell wie möglich erfolgen, um weitere Ausgaben zu verhindern und Ressourcen umverteilen zu können.
4. Stakeholder treten leisen Rückzug an
Achten Sie darauf, dass der Rückhalt der Stakeholder nicht schwindet. Warnsignale sind, wenn in Konferenzen das Vorhaben totgeschwiegen wird, immer mehr Änderungsanträge auftauchen, wichtige Projektinhalte infrage gestellt oder Teammitglieder in Schlüsselrollen abgezogen werden.
5. Verführte Manager
Ein Projekt kann perfekt laufen, jedes angestrebte Ziel erreichen und trotzdem die erhofften Vorteile etwa in Sachen Kosten, Time-toMarket oder Produktivität verfehlen. Viele CIOs erkennen das zu spät, im Regelfall ist dann schon viel Geld geflossen. Sebastian Grady vom Softwareanbieter Rimini Street beobachtet: „Manchmal wird das Lieblingsprojekt eines Einzelnen durchgezogen, oder das Management will eine neue Technologie ausprobieren, weil es die anderen auch machen. Noch schlimmer ist es, wenn CIOs der Roadmap von Herstellern folgen. Solche Projekte bringen oft weder Ertrag noch Kosten- oder Wettbewerbsvorteile.“Große Vorhaben brauchen einen klaren, unbestechlichen Blick. CIOs sollten keinen Change einleiten, der nicht mit strategischen Prioritäten und einem klaren RoI verknüpft ist.
6. Die Nutzer senken den Daumen
Ein Projekt muss den betroffenen Anwendern einen Mehrwert bieten. Wenn ein einst vielversprechendes Vorhaben kein oder nur ein geringes User-Interesse erzeugt, wird das Vorhaben irgendwann zu einer nutzlosen Belastung für das Unternehmen. Dagegen hilft, genau zu beobachten, Endanwender einzubeziehen und den eingeschlagenen Kurs auch mal zu korrigieren.
7. Aus der Zeit gefallen
Weil die Zeit nicht stehen bleibt und die Technologieentwicklung in hohem Tempo voranschreitet, kann ein einstmals erfolgversprechendes Projekt relativ plötzlich seinen Nutzen verlieren. Deshalb sollte jedes IT-Investment in regelmäßigen Zeitabständen daraufhin abgeklopft werden, ob es den vorgesehenen Business Case noch planmäßig unterstützt. Nur so lässt sich ermitteln, ob die Ziele noch realistisch sind. Wenn nicht, heißt es Abschied nehmen und das Vorhaben abschreiben – auch wenn es schwerfällt.