Remote Work bei Wacker Chemie
Wie Dirk Ramhorst, CIO und CDO der Wacker Chemie, trotz Corona eine neue Produktionsanlage in Südkorea in Betrieb genommen hat.
Dirk Ramhorst, CIO und CDO der Wacker Chemie AG, arbeitet mit seinem Team seit dem Ausbruch der Pandemie im März 2020 auf Distanz zusammen. Der Chemiekonzern hat sogar eine neue Produktionsanlage in Südkorea in Betrieb genommen, obwohl die meisten Mitarbeiter nicht vor Ort sein konnten.
Damit verteilte Teams optimal zusammenarbeiten können, hatte Dirk Ramhorst schon im August 2019 den Digital Workplace im Chemiekonzern eingeführt. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Notwendigkeit, verteilt und remote zu arbeiten, für Wacker Chemie noch einmal eine ganz andere Bedeutung bekommen. CIO Ramhorst und seine IT-Mannschaft arbeiten nun seit fast einem Jahr größtenteils von zuhause aus und haben im ersten Lockdown von einem Tag auf den anderen weltweit mehr als 6.000 Beschäftigte remote arbeitsfähig gemacht.
CW: Herr Ramhorst, wie beurteilen Sie die aktuelle Debatte um mehr Home-Office?
Dirk Ramhorst: Remote zu arbeiten haben wir bei uns in der IT vom Beginn der Pandemie an relativ konsequent durchgezogen, auch um Risiken zu verringern. Unser Konzern ist Teil der kritischen Infrastruktur, es gilt, die Produktion aufrechtzuerhalten. Jeder, der bei uns nicht ins Büro geht, trägt dazu bei, seine Kollegen, die in der Produktion arbeiten, zu schützen. In den 60 Buslinien, die unsere 10.000 Mitarbeiter in das Stammwerk nach Burghausen bringen, gilt schon lange Maskenpflicht und ist auch die Sitzordnung so verteilt, dass genügend Abstand zwischen den Personen ist.
CW: Was raten Sie Führungskräften, die sich mit Home-Office noch schwer tun?
Ramhorst: Wir haben gemerkt, dass man das Thema erst mal entmystifizieren sollte. Früher vermuteten ja noch einige, ein Tag Home-Office sei gleichbedeutend mit einem Tag frei. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass
die Arbeit remote mitunter effektiver ist, wenn ich zuhause die richtige Arbeitsumgebung habe und nicht zum Beispiel durch paralleles Homeschooling mit kleineren Kindern belastet bin. Wir haben im April schon begonnen, in regelmäßigen Newslettern Tipps und Tricks zur virtuellen Zusammenarbeit zu geben. Etwa, wie man digitale Events veranstaltet oder wie die Design-Thinking-Methode auch virtuell funktioniert. Das Feedback war sehr gut, sodass wir bis heute über digitale Tools informieren, aktuell zum Beispiel, wie sich Mitarbeitergespräche mit Microsoft Teams führen lassen. Wir als IT müssen Führungskräften wie Mitarbeitern helfen, aber auch zeigen, wie wir selbst mit den neuen Arbeitsformen zurechtkommen.
CW: Die IT als Vorbild und Helfer, um verteiltes Arbeiten zu ermöglichen. Funktioniert das nur für die Büros oder auch in anderen Unternehmensbereichen?
Ramhorst: Im vergangenen Jahr mussten wir eine neue Anlage in Südkorea in Betrieb nehmen, ohne dass unser Ingenieurteam die Kollegen vor Ort unterstützen konnte. Dieses mehrjährige Bauprojekt konnte schließlich nur erfolgreich beendet werden, weil wir über Videoconferencing sowie digital verfügbare Engineering-Dokumente und Anlagendaten die Kollegen in Südkorea begleiteten. Die Inbetriebnahme einer Produktionsanlage ist ein hochkomplexer Prozess, hunderte von Daten wie Temperatur oder Drücke müssen stimmen, damit die einzelnen Teile der Anlage in einer systematischen Abfolge live geschaltet werden können.
CW: Werden Videokonferenzen und digitale Anlagendokumentationen das Zusammenarbeiten auch nach Corona prägen?
Ramhorst: Ja, solche Hilfsmittel führen nachhaltig dazu, dass die Notwendigkeit von Geschäftsreisen infrage gestellt wird. Natürlich fällt die virtuelle Zusammenarbeit viel leichter, wenn sich die Teams vorher schon einmal persönlich kennengelernt haben. Neu zusammengestellte Teams sind immer limitiert, wenn sie ausschließlich virtuell kooperieren. Dem kann man aber entgegensteuern, indem man bewusst auf Zwischenmenschliches achtet. Also mit den Kollegen in Teams auch mal plaudern und nicht nur von einer Konferenz in die nächste hetzen. Selbstdisziplin und Zeit-Management spielen hierbei auch eine entscheidende Rolle.
CW: Warum ist Selbstdisziplin so wichtig?
Ramhorst: Im Virtuellen ist das nächste Meeting immer nur zwei Klicks entfernt, darum muss man sich auch mal bewusst zurücknehmen und durchatmen. Zugleich sollte man die Kamera immer auch als Kommunikationsinstrument einsetzen und dem Gegenüber die eigene Aufmerksamkeit deutlich machen. Also mit der eingeschalteten Kamera zeigen „Ich bin dabei“und nicht nebenher noch Mails beantworten oder andere Dinge tun. Ein Jour fixe oder Mitarbeitergespräche gehen nur mit eingeschalteter Kamera.
CW: Wie lautet Ihre Prognose für die Zusammenarbeit nach der Coronakrise?
Ramhorst: Ich kann mir hybride Szenarien gut vorstellen. Die Menschen werden vor allem in die Büros gehen, um sich dort auszutauschen und all die Limitationen zu überwinden, die das Videoconferencing mit sich bringt. Zuhause lassen sich dann fokussierte Arbeiten verrichten, wenn die Arbeitsumgebung vorhanden ist. Ich gehe davon aus, dass man Büro und Home-Office auch am selben Tag mischen kann. Morgens beginne ich zuhause zu arbeiten, fahre dann erst um elf Uhr ins Büro, um an einem Meeting teilzunehmen. Durch verschiedene Anfangszeiten im Büro könnten sich auch die Pendlerströme entzerren.