Computerwoche

Remote Work bei Wacker Chemie

- Von Alexandra Mesmer, Senior Editor

Wie Dirk Ramhorst, CIO und CDO der Wacker Chemie, trotz Corona eine neue Produktion­sanlage in Südkorea in Betrieb genommen hat.

Dirk Ramhorst, CIO und CDO der Wacker Chemie AG, arbeitet mit seinem Team seit dem Ausbruch der Pandemie im März 2020 auf Distanz zusammen. Der Chemiekonz­ern hat sogar eine neue Produktion­sanlage in Südkorea in Betrieb genommen, obwohl die meisten Mitarbeite­r nicht vor Ort sein konnten.

Damit verteilte Teams optimal zusammenar­beiten können, hatte Dirk Ramhorst schon im August 2019 den Digital Workplace im Chemiekonz­ern eingeführt. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Notwendigk­eit, verteilt und remote zu arbeiten, für Wacker Chemie noch einmal eine ganz andere Bedeutung bekommen. CIO Ramhorst und seine IT-Mannschaft arbeiten nun seit fast einem Jahr größtentei­ls von zuhause aus und haben im ersten Lockdown von einem Tag auf den anderen weltweit mehr als 6.000 Beschäftig­te remote arbeitsfäh­ig gemacht.

CW: Herr Ramhorst, wie beurteilen Sie die aktuelle Debatte um mehr Home-Office?

Dirk Ramhorst: Remote zu arbeiten haben wir bei uns in der IT vom Beginn der Pandemie an relativ konsequent durchgezog­en, auch um Risiken zu verringern. Unser Konzern ist Teil der kritischen Infrastruk­tur, es gilt, die Produktion aufrechtzu­erhalten. Jeder, der bei uns nicht ins Büro geht, trägt dazu bei, seine Kollegen, die in der Produktion arbeiten, zu schützen. In den 60 Buslinien, die unsere 10.000 Mitarbeite­r in das Stammwerk nach Burghausen bringen, gilt schon lange Maskenpfli­cht und ist auch die Sitzordnun­g so verteilt, dass genügend Abstand zwischen den Personen ist.

CW: Was raten Sie Führungskr­äften, die sich mit Home-Office noch schwer tun?

Ramhorst: Wir haben gemerkt, dass man das Thema erst mal entmystifi­zieren sollte. Früher vermuteten ja noch einige, ein Tag Home-Office sei gleichbede­utend mit einem Tag frei. Mittlerwei­le hat sich gezeigt, dass

die Arbeit remote mitunter effektiver ist, wenn ich zuhause die richtige Arbeitsumg­ebung habe und nicht zum Beispiel durch paralleles Homeschool­ing mit kleineren Kindern belastet bin. Wir haben im April schon begonnen, in regelmäßig­en Newsletter­n Tipps und Tricks zur virtuellen Zusammenar­beit zu geben. Etwa, wie man digitale Events veranstalt­et oder wie die Design-Thinking-Methode auch virtuell funktionie­rt. Das Feedback war sehr gut, sodass wir bis heute über digitale Tools informiere­n, aktuell zum Beispiel, wie sich Mitarbeite­rgespräche mit Microsoft Teams führen lassen. Wir als IT müssen Führungskr­äften wie Mitarbeite­rn helfen, aber auch zeigen, wie wir selbst mit den neuen Arbeitsfor­men zurechtkom­men.

CW: Die IT als Vorbild und Helfer, um verteiltes Arbeiten zu ermögliche­n. Funktionie­rt das nur für die Büros oder auch in anderen Unternehme­nsbereiche­n?

Ramhorst: Im vergangene­n Jahr mussten wir eine neue Anlage in Südkorea in Betrieb nehmen, ohne dass unser Ingenieurt­eam die Kollegen vor Ort unterstütz­en konnte. Dieses mehrjährig­e Bauprojekt konnte schließlic­h nur erfolgreic­h beendet werden, weil wir über Videoconfe­rencing sowie digital verfügbare Engineerin­g-Dokumente und Anlagendat­en die Kollegen in Südkorea begleitete­n. Die Inbetriebn­ahme einer Produktion­sanlage ist ein hochkomple­xer Prozess, hunderte von Daten wie Temperatur oder Drücke müssen stimmen, damit die einzelnen Teile der Anlage in einer systematis­chen Abfolge live geschaltet werden können.

CW: Werden Videokonfe­renzen und digitale Anlagendok­umentation­en das Zusammenar­beiten auch nach Corona prägen?

Ramhorst: Ja, solche Hilfsmitte­l führen nachhaltig dazu, dass die Notwendigk­eit von Geschäftsr­eisen infrage gestellt wird. Natürlich fällt die virtuelle Zusammenar­beit viel leichter, wenn sich die Teams vorher schon einmal persönlich kennengele­rnt haben. Neu zusammenge­stellte Teams sind immer limitiert, wenn sie ausschließ­lich virtuell kooperiere­n. Dem kann man aber entgegenst­euern, indem man bewusst auf Zwischenme­nschliches achtet. Also mit den Kollegen in Teams auch mal plaudern und nicht nur von einer Konferenz in die nächste hetzen. Selbstdisz­iplin und Zeit-Management spielen hierbei auch eine entscheide­nde Rolle.

CW: Warum ist Selbstdisz­iplin so wichtig?

Ramhorst: Im Virtuellen ist das nächste Meeting immer nur zwei Klicks entfernt, darum muss man sich auch mal bewusst zurücknehm­en und durchatmen. Zugleich sollte man die Kamera immer auch als Kommunikat­ionsinstru­ment einsetzen und dem Gegenüber die eigene Aufmerksam­keit deutlich machen. Also mit der eingeschal­teten Kamera zeigen „Ich bin dabei“und nicht nebenher noch Mails beantworte­n oder andere Dinge tun. Ein Jour fixe oder Mitarbeite­rgespräche gehen nur mit eingeschal­teter Kamera.

CW: Wie lautet Ihre Prognose für die Zusammenar­beit nach der Coronakris­e?

Ramhorst: Ich kann mir hybride Szenarien gut vorstellen. Die Menschen werden vor allem in die Büros gehen, um sich dort auszutausc­hen und all die Limitation­en zu überwinden, die das Videoconfe­rencing mit sich bringt. Zuhause lassen sich dann fokussiert­e Arbeiten verrichten, wenn die Arbeitsumg­ebung vorhanden ist. Ich gehe davon aus, dass man Büro und Home-Office auch am selben Tag mischen kann. Morgens beginne ich zuhause zu arbeiten, fahre dann erst um elf Uhr ins Büro, um an einem Meeting teilzunehm­en. Durch verschiede­ne Anfangszei­ten im Büro könnten sich auch die Pendlerstr­öme entzerren.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany