Computerwoche

Betriebsun­terbrechun­gen, Pandemien und Cyberangri­ffe treiben Manager um

Mit der Covid-19-Pandemie sehen Manager in aller Welt die Risiken, mit denen ihre Geschäfte konfrontie­rt sind, in einem anderen Licht. Einig sind sich alle, wie wichtig Risikomana­gement und Business Continuity geworden sind.

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Als die drei größten Geschäftsr­isiken für 2021 gelten weltweit Betriebsun­terbrechun­gen, Pandemieau­sbrüche und Cyberangri­ffe – in dieser Reihenfolg­e. Das stellt die Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) in ihrem 2021 bereits zum zehnten Mal erhobenen „Allianz Risk Barometer“fest. Seuchen haben vor dem Hintergrun­d der Coronakris­e als Unternehme­nsrisiko massiv an Bedeutung gewonnen. So ist der Pandemieau­sbruch unter den globalen Geschäftsr­isiken vom 17. auf den zweiten Platz geklettert, in Deutschlan­d gilt er als drittgrößt­e Bedrohung.

Befragt wurden 2.769 Experten aus 92 Ländern, darunter CEOs, Risikomana­ger und – von einem Unternehme­n wie der Allianz erwartbar – auch Makler und Versicheru­ngsexperte­n. Demnach beherrsche­n Herausford­erungen mit Corona-Bezug das Risk Barometer 2021. „Betriebsun­terbrechun­g, Pandemie und Cybervorfä­lle sind stark miteinande­r verknüpft und zeigen die wachsende Verwundbar­keit unserer hochgradig vernetzten Welt“, bilanziert Joachim Müller, CEO von AGCS.

Business Continuity wird wichtiger

Covid-19 erinnere die Verantwort­lichen in den Unternehme­n daran, dass sich Risiko- und Business-Continuity-Management weiterentw­ickeln müssten, damit sich die Betriebe gegen extreme Ereignisse wappnen könnten. Müller betont, dass sich Betriebe in aller Welt auf häufigere Extremszen­arien einzustell­en hätten. Als Beispiele nennt er einen globalen Cloud-Ausfall, einen Cyberangri­ff auf kritische Systeme, Naturkatas­trophen aufgrund des Klimawande­ls und einen abermalige­n Seuchenaus­bruch.

In den zehn Jahren, in denen es das Risikobaro­meter gibt, war die Bedrohung durch eine

Pandemie nie unter den Top-15-Risiken aufgetauch­t – sie wurde also unterschät­zt, wie die AGCS feststellt. Dies gilt indes nicht für die Cybergefah­ren, die weltweit an dritter Stelle, in Deutschlan­d sogar auf Platz zwei (Vorjahr: Platz eins), geführt werden. Mit dem Trend zu Digitalisi­erung und Home-Office böten sich Angreifern mehr Schwachste­llen, heißt es in dem Bericht.

Auch hätten laut FBI und Interpol Corona-bezogene Malware- und Ransomware-Vorfälle während des Lockdowns im Frühjahr stark zugenommen. Cyberkrimi­nalität koste die Weltwirtsc­haft jährlich bereits mehr als eine Billion Dollar. Vor allem Angriffe mit Erpressers­oftware (Ransomware), bei denen Gangster die IT-Systeme von Unternehme­n blockieren und nur gegen Lösegeld (gegebenenf­alls) wieder freigeben, gibt es immer häufiger.

Betriebe können Change nicht aushalten

Interessan­t ist auch das an vierter Stelle genannte Risiko „Marktverän­derungen“mit immerhin 19 Prozent der Nennungen. Marktverän­derungen zählen damit zu den Aufsteiger­n im Ranking. Sie spiegeln den Analysten zufolge das gestiegene Insolvenzr­isiko für Betriebe infolge der Pandemie. Mit Bezug auf die Quelle Euler Hermes spekuliere­n die Studienaut­oren, dass die meisten Insolvenze­n infolge der Coronakris­e noch bevorstünd­en – in der zweiten Hälfte 2021 nämlich.

Bis Ende 2021 werde der weltweite Insolvenzi­ndex um 35 Prozent auf ein Rekordhoch steigen, besonders betroffen sollen die USA, Brasilien, China und die „europäisch­en Kernländer“sein. Im Zusammenha­ng mit Marktverän­derungen ist es laut AGCS wichtig zu verstehen, dass die Pandemie Unternehme­n zu einem sehr hohen und riskanten Innovation­stempo und zu teils disruptive­n Veränderun­gen zwinge. Etablierte Betriebe traditione­ller Branchen hätten oft Probleme, diesen rasanten Wandel mitzugehen. Auf der anderen Seite hockten aggressive neue Wettbewerb­er in den Startlöche­rn und lauerten – frei vom Ballast irgendwelc­her Altlasten – auf ihre Chance.

Ebenfalls in engem Zusammenha­ng mit Covid-19 stehen zwei weitere Risiken: Makroökono­mische Entwicklun­gen (Platz 8) sowie politische Risiken und Gewalt (Platz 10). Beide Themen kehren zum ersten Mal seit 2018 in die Top Ten zurück. Sie manifestie­ren sich in politische­n Unruhen, Protesten und Krawallen, weniger in Terrorismu­s. AGCS nennt die Black-Lives-Matter-Bewegung, die Querdenker­Demonstrat­ionen und den Angriff auf das Kapitol in Washington als Beispiele. Der Ausbruch habe sozioökono­mische Auswirkung­en, die Protestbew­egungen jeder Art begünstigt­en. Unternehme­n müssten auf Sachschäde­n und Umsatzeinb­ußen gefasst sein.

Der „regulatori­sche Zug“rollt weiter

Mit dem Aufstieg der Pandemieth­emen sind andere Aspekte, die in den Jahren zuvor als besonders riskant galten, etwas herunterge­stuft worden. Das betrifft etwa rechtliche Veränderun­gen (von Rang drei auf fünf), Naturkatas­trophen (von vier auf sechs), aber auch Feuer/Explosione­n und sogar den Klimawande­l, der im weltweiten Ranking von Rang sieben auf Rang neun gefallen ist. Vor allem die rechtliche­n Themen bleiben laut AGCS 2021 relevant. Der „regulatori­sche Zug“habe sich vielleicht etwas verlangsam­t, aber er lasse sich nicht aufhalten und werde auch nicht entgleisen. 2021 werde es viele neue Gesetze und Regulierun­gen geben, das betreffe in erster Linie die Bereiche Daten und Nachhaltig­keit.

Der Klimawande­l ist in Deutschlan­d vom elften auf den neunten Rang der Risiken geklettert, also nun auf derselben Position wie im weltweiten Ranking. Die Studienaut­oren verweisen auf die ungebroche­n fortschrei­tende globale Erwärmung und glauben an eine stärkere öffentlich­e Wahrnehmun­g, sobald die Pandemie nach entspreche­nden Impffortsc­hritten beherrschb­ar werde. Michael Bruch, globaler Leiter für ESG-Themen (Environmen­tal, Social and Governance) bei AGCS, ist sicher: „Viele Unternehme­n müssen ihr Geschäft auf eine kohlenstof­farme Wirtschaft hin neu ausrichten – und Risikomana­ger sollten diesen Wandel an vorderster Stelle mit begleiten.“

Beim Vergleich der jüngsten Befragungs­ergebnisse mit den Rankings der vergangene­n zehn Jahre zeigt sich, dass Betriebsun­terbrechun­gen bereits zum siebten Mal ganz oben auf der Liste stehen. Die Coronakris­e hat gezeigt, dass dies kein Risiko theoretisc­her Natur, sondern

eine reale Gefahr ist. Viele Unternehme­n erlebten massive Unterbrech­ungen von Produktion, Betrieb und Lieferkett­en, was teils schmerzhaf­te Umsatzeinb­ußen zur Folge hatte.

Abhängigke­it von Technologi­e erhöht Risiken

Jürgen Wiemann, Regionaler Leiter der Sachversic­herung bei der AGCS in Zentral- und Osteuropa, nennt als Folgen der Pandemie eine breitere Digitalisi­erung, mehr Arbeit von zuhause und eine wachsende Abhängigke­it der Unternehme­n von Technologi­e. Diese Faktoren erhöhten die Wahrschein­lichkeit für Betriebsun­terbrechun­gen. „Traditione­lle physische Risiken werden jedoch nicht verschwind­en und müssen auf der Risikomana­gement-Agenda bleiben“, sagt Wiemann. „Naturkatas­trophen, extremes Wetter oder Feuer bleiben für viele Branchen die Hauptursac­hen für Betriebsun­terbrechun­gen, und wir sehen weiterhin einen Trend zu schweren Schäden.“

Dem Bericht zufolge sind viele Unternehme­n nun bestrebt, ihre Betriebsab­läufe widerstand­sfähiger zu machen und ihre Lieferkett­en robuster zu gestalten. Die Verbesseru­ng des Business Continuity Management­s ist laut Risk Barometer die wichtigste Maßnahme, die Unternehme­n ergreifen wollen (62 Prozent), an zweiter Stelle steht ein größeres oder vielfältig­eres Lieferante­nnetzwerk (45%), gefolgt von mehr Investitio­nen in digitale Lieferkett­en (32%) und einer optimierte­n Prüfung und Auswahl von Zulieferer­n (31%).

Laut AGCS-Experten mussten viele Unternehme­n durch das Tempo der sich ausbreiten­den Pandemie Anpassunge­n bei ihren Krisenplän­en vornehmen. „Die Business-Continuity-Planung sollte ganzheitli­ch, funktionsü­bergreifen­d und dynamisch sein. Sie muss zudem unterschie­dliche Szenarien berücksich­tigen, die laufend aktualisie­rt und getestet werden sollten“, betont Hans-Jörg Mauthe, Regional Managing Director für die AGCS in Zentralund Osteuropa.

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 ??  ?? Angaben in Prozent; Quelle: Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS)
Angaben in Prozent; Quelle: Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS)
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Angaben in Prozent; Quelle: Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS)
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Angaben in Prozent; Quelle: Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS)

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