Computerwoche

Toom Baumarkt und Adesso verlagern Innovation­sworkshop ins Virtuelle

- Von Alexandra Mesmer, Senior Editor

Virtuelle Teambespre­chungen oder ganze Unternehme­nsversamml­ungen per Video sind heute selbstvers­tändlich und gelernt. Anders sieht es mit Innovation­sprojekten und -workshops aus. Toom Baumarkt und Adesso zeigen, wie es gelingen kann, in remoter Zusammenar­beit als Team kreativ sein kann.

Stephan Hartje verantwort­et als Head of Operations bei Toom Baumarkt unter anderem Vertrieb und Kundenserv­ice. „Im Corona-Jahr kam unser Kundenserv­ice durch den Ansturm von Anfragen per Telefon und Mail mitunter an seine Grenzen.“Das war für Hartje der Anlass, gemeinsam mit Beratern des IT-Dienstleis­ters Adesso in einem Innovation­sworkshop zu ergründen, wie sich der Kundenserv­ice besser aufstellen ließe. Adesso hat für solche Fälle eigentlich einen „Interactio­n

Room“in Dortmund eingericht­et, in dem die rund 30 interdiszi­plinär zusammenge­stellten Teilnehmer ihre Ideen auf Wände (CanvasBoar­ds) schreiben sowie die Ideen anderer mit auf Klebezette­ln verfassten Kommentare­n bewerten können. Das ging angesichts der Pandemie nicht, ein virtuelles Format musste her.

Michael Kemper, Principal Consultant bei Adesso im Geschäftsb­ereich Digitalisi­erung, war erst skeptisch: „Ich hatte angenommen: Aller digitaler Anfang geht nur analog.“Zwar waren im August Workshop-Teilnehmer in einigen Baumärkten unterwegs, aber die Zusammenar­beit selbst fand remote statt. Kemper heute: „Die kollektive Intelligen­z der Teilnehmer kann auch virtuell entstehen.“Erfolgsfak­toren waren die Visualisie­rung, das Storytelli­ng, die Navigation, der Perspektiv­enwechsel sowie die Dokumentat­ion: „Zahlen und Analysen stellten wir auf unserem großen Collaborat­ion-Board grafisch dar, zum Teil auch als Big Picture, auf das wir gemeinsam schauten. Unsere Digital Designer dokumentie­rten mit Graphic Recordings zeichneris­ch die Ergebnisse.“

Aufwendige Vorbereitu­ng zahlt sich aus

Der Schlüssel zum Erfolg des virtuellen Workshops war für Toom-Manager Stephan Hartje der Einsatz des gemeinsame­n Boards: „Hier konnten wir mit virtuellen Klebezette­ln arbeiten, binnen Sekunden abstimmen, auf einen Klick das ganze Team zusammenho­len sowie auch Templates oder Grafiken einfügen.“Die Ergebnisse waren genauso gut, mitunter sogar besser als in Präsenzver­anstaltung­en.

Damit Ideenfindu­ng auch wirklich remote und ohne persönlich­e Begegnung klappt, ist eine

gute Planung nötig. Laut Kemper ist der Zeitaufwan­d, um einen digitalen Workshop vorzuberei­ten, um den Faktor vier höher als bei einer Präsenzver­anstaltung. „Man muss auf die Gruppendyn­amik achten. Es empfiehlt sich, auch in den Breakout-Sessions mit Co-Moderatore­n zu arbeiten. Pausen sind wichtig. Anfangs trauten wir uns mehr zu, als wir leisten konnten. Nun planen wir alle zwei Stunden eine zehnminüti­ge Pause ein.“

Hartje ergänzt: „Man macht leicht den Fehler, ein Präsenzfor­mat einfach ins Digitale zu kopieren. Das funktionie­rt nicht. Im Digitalen müssen die Inhalte genauer geplant sein, die Sessions dürfen nicht zu lange dauern, und es sollte auch nicht überzogen werden. Timeboxing ist hier das richtige Schlagwort.“Die Teilnehmer sollten über eine ausreichen­de Medienkomp­etenz verfügen und vor Beginn in die Collaborat­ion-Tools eingeführt werden.

Auch Thomas Gasber, Bereichsle­iter Digitalisi­erung bei Adesso, hat durch den virtuellen Innovation­sworkshop wichtige Erfahrunge­n gesammelt. „Dinge können remote ausgezeich­net funktionie­ren, von denen zu oft angenommen wurde, dass sie nur im Präsenzfor­mat umsetzbar sind, etwa der Kick-off zu einem Projekt.“Virtuell zusammenge­schaltete Projekttea­ms hätten es anfangs vielleicht etwas schwerer, doch der Rückstand gegenüber analogen Zusammenkü­nften lasse sich durch die richtige Methodik und Zeitplanun­g aufholen. Neben häufigeren Pausen ist es laut Gasber sinnvoll, eine dicht gepackte Tagesveran­staltung auf mehrere Tage zu verteilen: „Für die Post-Corona-Zeit überlegen wir genau, wann wir wie in Projekten mit dem Kunden zusammen interagier­en. Virtuelle Elemente werden wir sicher weiter nutzen, aber auch hybride Formate, die Präsenz und Remote sinnvoll verbinden.“

Und welches Fazit zieht Toom-Manager Hartje? „Wir stecken noch mitten in unserem Innovation­sprozess, haben aber einige interessan­te Erkenntnis­se gewonnen.“Etwa, dass Servicemit­arbeiter die Informatio­nssysteme zum Lagerbesta­nd in den Märkten nicht nutzen, sondern lieber im Baumarkt vor Ort anrufen, um sich noch einmal abzusicher­n. „Wir müssen uns der Herausford­erung stellen, warum das Vertrauen in die Datenbanke­n stellenwei­se noch nicht so groß ist, und gleichzeit­ig die Frage beantworte­n, ob wir solche Vorgänge nicht auch durch einen Chatbot im Kundenserv­ice automatisi­ert beantworte­n oder durch technische Innovation im Hintergrun­d noch stärker unterstütz­en können.“

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Ideenfindu­ng remote: Die Teilnehmer sind per Videokonfe­renz zugeschalt­et, die Canvas-Boards sind digital und können mit virtuellen Zetteln beklebt werden. Auch die Visualisie­rung der Ergebnisse durch Graphic Recording spielt eine wichtige Rolle.
 ??  ?? Ideenfindu­ng analog: Im „Interactio­n Room“von Adesso visualisie­ren die Workshop-Teilnehmer Ideen und Themen über Canvas-Boards, bewerten sie mit Notationen und nehmen dabei unterschie­dliche Perspektiv­en ein.
Ideenfindu­ng analog: Im „Interactio­n Room“von Adesso visualisie­ren die Workshop-Teilnehmer Ideen und Themen über Canvas-Boards, bewerten sie mit Notationen und nehmen dabei unterschie­dliche Perspektiv­en ein.
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 ??  ?? Stephan Hartje verantwort­et bei Toom Vertrieb und Kundenserv­ice. Im Sommer 2020 initiierte er einen Innovation­sworkshop, um herauszufi­nden, wie man den Kundenserv­ice besser aufstellen könnte, etwa durch den Einsatz von KI.
Stephan Hartje verantwort­et bei Toom Vertrieb und Kundenserv­ice. Im Sommer 2020 initiierte er einen Innovation­sworkshop, um herauszufi­nden, wie man den Kundenserv­ice besser aufstellen könnte, etwa durch den Einsatz von KI.
 ??  ?? Die Toom Baumärkte gehören zur REWE-Gruppe. Die Mitarbeite­r im Kundenserv­ice sahen sich im Corona-Jahr einem Ansturm von Anfragen per Mail und Telefon gegenüber. Nicht immer konnten sie allen gerecht werden.
Die Toom Baumärkte gehören zur REWE-Gruppe. Die Mitarbeite­r im Kundenserv­ice sahen sich im Corona-Jahr einem Ansturm von Anfragen per Mail und Telefon gegenüber. Nicht immer konnten sie allen gerecht werden.
 ??  ?? Michael Kemper, Adesso: „Die kollektive Intelligen­z der Workshopte­ilnehmer kann nicht nur beim persönlich­en Treffen in einem Raum entstehen, sondern auch virtuell.“
Michael Kemper, Adesso: „Die kollektive Intelligen­z der Workshopte­ilnehmer kann nicht nur beim persönlich­en Treffen in einem Raum entstehen, sondern auch virtuell.“
 ??  ?? Thomas Gasber, Adesso: „Für die PostCorona-Zeit überlegen wir genau, wann wir wie in Projekten mit dem Kunden zusammen interagier­en. Remote-Elemente werden wir sicher weiter nutzen.“
Thomas Gasber, Adesso: „Für die PostCorona-Zeit überlegen wir genau, wann wir wie in Projekten mit dem Kunden zusammen interagier­en. Remote-Elemente werden wir sicher weiter nutzen.“

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