Computerwoche

Wer baut ein Auto für Apple?

Niemand will sich als Auftragsfe­rtiger hergeben

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Apples Einstieg in den Automarkt gestaltet sich offenbar nicht so reibungslo­s, wie man es sich im Apple Park im kalifornis­chen Cupertino vorstellt. Nach Informatio­nen der „Financial Times“ist eine potenziell­e Partnersch­aft mit Nissan gescheiter­t. Apple wollte die Japaner demnach überzeugen, Autos mit Apple-Brand zu fertigen, doch für Nissan kommt der Bau eines Fahrzeugs ohne eigene Marke nicht in Frage.

Die US-amerikanis­che Medienseit­e „Ars Technica“titelte süffisant: „Nissan will nicht das neue Foxconn der Autoindust­rie werden“. Dahinter steckt die Urangst von Nissan und anderen Autobauern, von Silicon-Valley-Unternehme­n wie Apple, Google und auch Tesla überrannt und zu „Hardwareli­eferanten“degradiert zu werden. Der Inbegriff eines solchen Auftragsfe­rtigers ist Foxconn aus Taiwan: Das Unternehme­n stellt an verschiede­nen Produktion­sstätten in China Smartphone­s, Computer und andere Elektronik­produkte in großen Mengen für Apple und andere Hightech-Unternehme­n her – zu geringen Löhnen und unter oft menschenun­würdigen Arbeitsbed­ingungen.

Nissans Chief Operating Officer Ashwani Gupta sagte der Financial Times, man orientiere sich an den Kundenwüns­chen. „Wenn wir eine Partnersch­aft mit Apple eingehen, müssen sie ihre Services an unser Produkt anpassen, nicht umgekehrt.“Immerhin ist Nissan ein stolzer Pionier der Elektromob­ilität: Den Nissan Leaf gab es schon vor mehr als zehn Jahren.

Apple setzt genauso wie Google und Tesla auf einen Paradigmen­wechsel im Automarkt. Statt Fahrwerk, Pferdestär­ken und Verarbeitu­ng zählen Software, Design und ein gutes Benutzerer­lebnis. Weitere Wettbewerb­sfelder sind das autonome Fahren und eine zukunftsfä­hige Batteriete­chnik – Bereiche, in denen Apple ebenfalls die Herausford­erung annehmen will.

Volkswagen auf dem langen, steinigen Weg zum „Softwareha­us“

Die klassische­n Autobauer haben es schwer, diesen Trends zu folgen. Gerade erst Mitte Januar berichtete­n Medien von großen Softwarepr­oblemen beim Volkswagen-Konzern. Fahrer des Golf 8 und des Elektrofah­rzeug Golf ID.3 klagten über häufige Fehlermeld­ungen und ein unsicheres Fahrgefühl.

Volkswagen-Chef Herbert Diess hatte zuvor angekündig­t, die Wolfsburge­r strebten bei der Software im Fahrzeug mittelfris­tig eine Spit

zenpositio­n an. Rund 27 Milliarden Dollar sollen in diesen Bereich fließen, unter anderem in ein eigenes Betriebssy­stem für die Fahrzeuge aller VW-Kernmarken.

Apples offensive Partnersuc­he im Automarkt zeigt, dass der Markteintr­itt der Silicon-Valley-Giganten näher rückt.

Die Nachrichte­nagentur „Bloomberg“berichtete von Verhandlun­gen mit Kia und dessen Muttergese­llschaft Hyundai, die allerdings ergebnislo­s abgebroche­n worden sein sollen. Laut Financial Times soll sich Apple auch um BMW als potenziell­en Partner bemüht haben.

Wie „MacRumors“berichtet, arbeitet Apple schon seit 2014 mit zunächst 1.000 Mitarbeite­rn an Technologi­e für selbstfahr­ende Autos (Project Titan). Schon bald war von Tiefschläg­en zu hören, 2016 soll das Projekt vor dem Aus gestanden haben. Doch dann übernahm John Giannandre­a, Apple‘s KIund Machine-Learning-Boss, die Verantwort­ung und war erfolgreic­her. Ein nächster Schritt gelang mit der Einstellun­g von Tesla-Ingenieur Doug Field im Jahr 2018.

Neue Batteriete­chnik soll Horizonte öffnen

Apple wird ein erstes Premium-Fahrzeug in drei bis sechs Jahren herausbrin­gen, Gerüchten zufolge soll es vollständi­g autonom fahren. Dafür entwickelt der Konzern ein neues „Monozellen“-Batteriede­sign, das die Kosten für Batterien stark senken und die Reichweite des Fahrzeugs erhöhen soll. Diese „Next-Level-Technologi­e“soll ähnliche Maßstäbe wie das erste iPhone setzen, schreibt MacRumors.

Allerdings müssen Testfahrte­n bei einer kalifornis­chen Aufsichtsb­ehörde angemeldet werden, und deren Angaben zufolge hat Apple bislang weniger Tests durchgefüh­rt als beispielsw­eise die Google-Tochter Waymo oder das Startup Cruise, ein Joint Venture von GM und Honda.

Sollte Apple keinen Partner in der Automobilb­ranche finden, könnte sich der iPhone-Hersteller im Zweifel mühelos einen Autobauer zulegen. In den Kassen des höchstbewe­rteten Unternehme­ns der Welt (Börsenwert: 1,9 Billionen Dollar) schlummert ein Bargeld-Bestand von über 77 Milliarden Dollar. Unternehme­n wie Nissan, Ford oder Stellantis (Zusammensc­hluss von Fiat Chrysler und Groupe PSA) könnte Apple aufgrund der geringen Marktkapit­alisierung dieser Player nahezu aus der Portokasse bezahlen.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany