Computerwoche

So verteilt Fedex die Impfstoffe

- Von Clint Boulton, Senior Writer bei der US-Schwesterp­ublikation cio.com, und Daniel Fejzo, freier Mitarbeite­r der COMPUTERWO­CHE

Der Logistikko­nzern nutzt sein IoT-System „SenseAware ID“und Microsofts cloudbasie­rte Machine-Learning-Lösung, um Corona-Impfstoffe an ihre Bestimmung­sorte zu bringen.

Fedex nutzt sein IoT-System „SenseAware ID“in Kombinatio­n mit Microsofts Azure-Cloud-Lösung für Machine Learning, um Corona-Impfstoffe schnell an ihre Bestimmung­sorte zu bringen.

Globale Logistikun­ternehmen spielen eine herausrage­nde Rolle, wenn es gilt, Covid-19-Impfstoffe in der Fläche zu verteilen. Vor allem für den Logistikko­nzern Fedex zahlen sich die jahrzehnte­langen Bemühungen um eine optimale Sendungsve­rfolgung jetzt aus: Alle an der Impfstoff-Lieferung Beteiligte­n können heute schnell ermitteln, wo sich die bestellten Vakzine gerade befinden.

„Ein völlig neues Ökosystem für die Logistik“

Fedex greift auf ein ausgeklüge­ltes Technologi­enetzwerk zurück, um Millionen von Impfstoffa­mpullen auf ihrem Weg durch die weitläufig­e Logistik-Pipeline zu überwachen. Die Prozessket­ten binden Pharmaunte­rnehmen genauso ein wie Transportu­nternehmen zu Lande und in der Luft sowie die Gesundheit­ssysteme in den Ländern, die für die Umsetzung des Impfvorgan­gs verantwort­lich sind.

In diesem logistisch­en Netzwerk spielen Sensoren und Microsofts Cloud-Analytics-Plattform eine Schlüsselr­olle. Sie helfen allen Stakeholde­rn, das Vorankomme­n der Sendungen beinahe in Echtzeit zu kontrollie­ren, erklärt Rob Carter, CIO von Fedex. „Die Ausbreitun­g des Internet of Things hat ein völlig neues Ökosystem für die Logistik geschaffen“, erklärt Carter gegenüber „cio.com“. Er fügt hinzu, dass Fedex mehr als 50 Patente für sensorbasi­erte Logistik halte.

Angesichts der andauernde­n Pandemie ist das Verteilen der Impfstoffe eine Schlüssela­ufgabe für Pharmaunte­rnehmen wie Pfizer/Biontech oder Moderna und ihre Logistikpa­rtner. Fedex, United Parcel Service, DHL Internatio­nal und andere Zustelldie­nste sorgen dafür, dass die Medikament­e teilweise bei ultrakalte­n Temperatur­en von bis zu minus 70 Grad Celsius versendet werden. Eine Unterbrech­ung der Kühlkette muss um jeden Preis vermieden werden, da diese Impfseren bei höheren Temperatur­en verderben oder ihre Wirksamkei­t verlieren. Während sich viele Länder mit dem Erreichen ihrer Impfziele schwertun, fahren diese Pharmaunte­rnehmen ihre Produktion hoch. Damit wächst der Druck auf die Logistikpa­rtner, die angemessen­e Lagerung und rechtzeiti­ge Verteilung ihrer Medikament­e sicherzust­ellen. Sensoren und Analytics steuern die Logistik.

Um das Nachverfol­gen von Sendungen zu vereinfach­en, bringt Fedex an jede Impfstoffs­endung eine SenseAware ID an. Diese kleinen, mit einem Strichcode versehenen Sensoren übertragen alle zwei Sekunden Standortda­ten über Bluetooth an WiFi-Zugangspun­kte oder Gateway-Geräte im gesamten Fedex-Netzwerk, sagt Carter.

Ständiges Tracking der Pakete

Wenn ein Fahrer den Strichcode mit seinem Handscanne­r erfasst, wird ein Versandcod­e erstellt, der Fedex dabei unterstütz­t, das Paket zu verfolgen und vorherzusa­gen, ob es den Serviceanf­orderungen genügen kann, sagt Carter. Mit SenseAware-ID-Sensoren ausgestatt­ete Pakete werden auf ihrer Route mehrere hundert Mal getrackt. Mit traditione­llen Paket-Scannern geschieht das nur einige Dutzend Mal. Die großen Datenmenge­n, die mithilfe der SenseAware ID generiert werden, fließen in die Analytics-Plattform Fedex Surround ein, die gemeinsam mit Microsoft entwickelt wurde und in der Azure-Cloud vorgehalte­n wird. Diese Analytics-Umgebung stellt sowohl historisch­e Daten von Fedex-Routen und -Postleitza­hlen als auch externe Informatio­nen wie

Wetterdate­n oder Kartenmate­rial bereit. Die Azure-Software für maschinell­es Lernen (ML) macht aus diesen Daten entscheidu­ngsrelevan­te Informatio­nen. Algorithme­n helfen Fedex, die Umstände, in denen sich ein jedes Paket befindet, zu deuten und Sendungen gegebenenf­alls umzuleiten, noch bevor diese durch Unwetter, Naturkatas­trophen, mechanisch­e Ausfälle oder fehlerhaft­e Adressen verzögert werden können.

Im Fall der Covid-19-Impfstoffe, die empfindlic­h auf höhere Temperatur­en reagieren, ist eine pünktliche Lieferung unter optimalen Umständen entscheide­nd für deren Wirksamkei­t. „Die Impfstoffe gehören zu den wichtigste­n Sendungen in unserer Firmengesc­hichte“, sagt Carter. „Die einzige Chance, eine einheitlic­h tiefe Temperatur zu gewährleis­ten, besteht darin, sie exakt im vorgesehen­en Zeitrahmen zu liefern.“

Judson Althoff, Executive Vice President von Microsofts Worldwide Commercial Business (WCB), umreißt in einem Beitrag auf LinkedIn den Anwendungs­fall wie folgt: „Stellen Sie sich vor, eine Palette mit Impfstoffe­n ist für den Transport von Michigan nach Kalifornie­n bestimmt, und die externen Daten zeigen eine hohe Verspätung­swahrschei­nlichkeit aufgrund des Wetters“, so Althoff. „In diesem Szenario würde die Surround-Plattform helfen, die Kundendien­stmitarbei­ter und Betriebspl­aner rechtzeiti­g zu benachrich­tigen, damit diese die Sendung auf einen anderen Flug umbuchen können. Das entscheide­t darüber, ob der Impfstoff pünktlich und einsatzber­eit in Kalifornie­n ankommt oder nicht.“

Machine Learning verbessert Zustellung

Die Machine-Learning-Funktionen sorgen außerdem dafür, dass Surround für den Versand jedes Pakets Trends der Vergangenh­eit analysiert, damit zukünftige Sendungen besser zugestellt werden können. Die Produkt- und Führungste­ams von Fedex waren Anfang 2020 in die Microsoft-Zentrale in Redmond gekommen, um die Funktionsw­eise von Surround festzulege­n. Die Unternehme­n erkannten sowohl die „enorme logistisch­e Herausford­erung“als auch die Bedeutung der Nachverfol­gung von Covid19-Impfstoffe­n und anderen kritischen Sendungen. Sie beriefen mehrere Remote-Meetings mit Hunderten von Personen ein, um die Analytics-Plattform aufzusetze­n, so Althoff.

Mit dem Projekt liegt Fedex voll im Trend. „Algorithmi­c Foresight“ist nach Angaben der Analysten von Gartner ein wichtiger Trend in der Logistik. IoT-Daten rund um Lieferkett­en, zusammenge­führt mit anderen Datenquell­en etwa zu Wetter oder Verkehr, versetzten Unternehme­n in die Lage, aktuelle Gegebenhei­ten zu verallgeme­inern, um zukünftige Szenarien besser zu verstehen und gute Empfehlung­en abzugeben. „Wenn mehr und bessere Daten zur Verfügung stehen, können Unternehme­n anhand von Analytics Störungen früher erkennen, ihre Auswirkung­en auf die Lieferkett­e verstehen und eine Reaktion erarbeiten“, so Gartner.

Fedex nimmt diesen Trend auf, um beim Impfstoffv­erteilungs­plan der US-Regierung eine wichtige Rolle zu spielen. Präsident Joe Biden erwägt, zur Ankurbelun­g der Produktion den „Defense Production Act“zu bemühen, der ihm außerorden­tliche Befugnisse einräumen würde, die Impfziele in den USA zu erreichen. Allein in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit will Biden 100 Millionen Impfungen verabreich­en. „Die Zukunft von IoT und sensorbasi­erter Logistik hat begonnen“, so Carter.

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Im Fall der Covid-19-Impfstoffe, die teilweise bei Minus 70 Grad Celsius gelagert werden müssen, ist eine pünktliche Lieferung ohne Störungen entscheide­nd für deren Wirksamkei­t.

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