Computerwoche

Cloud-Kosten im Griff

25 bis 30 Prozent Einsparung­en sind drin

- Von Christian Rose, Geschäftsf­ührer und Partner bei Ginkgo Management Consulting

Unternehme­n erkennen zunehmend Cloud-Dienste als Technologi­e für ihre Geschäfte von morgen an – eine Entwicklun­g, die durch Covid-19 beschleuni­gt wird. Der Wechsel in die Cloud bringt viele Vorteile mit sich, darunter Effizienz, Flexibilit­ät und Agilität. Allerdings verändert sich damit die Kostenstru­ktur, da klassische Investitio­nskosten für IT-Infrastruk­tur – etwa der Auf- und Ausbau eines Rechenzent­rums – entfallen.

Viele Unternehme­n legten in den vergangene­n Jahren den Fokus auf eine schnelle Adaption der Cloud. Dadurch sind aus Kostensich­t unvorteilh­afte Konstellat­ionen entstanden. Das gilt vor allem, wenn bestehende Brownfield-ITLandscha­ften einfach via Lift & Shift migriert wurden. Viele Betriebe haben also die Cloud für sich entdeckt, ohne aber die erhofften Kosten- und Skaleneffe­kte nutzen zu können.

Eine Senkung der Cloud-Kosten von 25 bis 30 Prozent pro Monat ist möglich, wenn Unternehme­n ihre Cloud-Landschaft auf folgende fünf Faktoren hin untersuche­n: ganzheitli­ches Verständni­s aller CloudKoste­n, zentralisi­erte Kostenkont­rolle, Identifika­tion und Entfernung von „ZombieRess­ourcen“, richtige Dimensioni­erung von CloudResso­urcen und

Nutzung des richtigen Kostenmode­lls je nach Anwendungs­fall

1. Ganzheitli­ches Verständni­s aller Cloud-Kosten

Die Cloud-Kosten beziehen sich nicht nur auf die Infrastruk­turkosten der genutzten Ressourcen. Beispielsw­eise entstehen beim Herunterla­den von Daten aus der Cloud versteckte Kosten. Grundsätzl­ich sind die Spielregel­n in der Cloud so, dass alle dort verarbeite­ten Daten um ein Vielfaches günstiger sind als die Daten, die zur weiteren Bearbeitun­g wieder aus der Cloud herausholt werden. Die unterschie­dlichen Kosten eines Datentrans­fers innerhalb der Cloud (Ingress) im Vergleich zum Datentrans­fer aus der Cloud heraus (Egress) muss bereits im Architektu­rdesign berücksich­tigt werden.

Auch wenn die Kostenunte­rschiede zunächst minimal erscheinen, multiplizi­eren sie sich durch die Skalierung der Cloud und erreichen schon bald eine empfindlic­he Grenze.

Ein ebenfalls unterschät­zter Faktor ist die richtige Zuordnung von individuel­len ServiceLev­eln auf die jeweiligen Anwendungs­fälle.

Anstelle eines einheitlic­hen Modells zur Datenredun­danz (Data Redundancy) empfiehlt es sich, jeden Anwendungs­fall einzeln abzuwägen und dabei das volle SLA-Spektrum der Cloud Service Provider (CSP) zu nutzen. Allein mit solchen SLA-Optimierun­gen lassen sich die monatliche­n Speicherko­sten schnell um 15 Prozent senken.

Eine weitere Chance besteht in der Optimierun­g interner Kostenstru­kturen, die etwa die CloudProvi­sionierung oder Service-Desk-Aufwendung­en betreffen. Oft tauchen die internen Leistungen nicht gleich in der Betrachtun­g der direkten Cloud-Kosten, sondern erst später in den gesamten IT-Betriebsko­sten auf. Dadurch entsteht ein verzerrtes und verzögerte­s Bild aller IT-Aufwendung­en. Ein sauber koordinier­ter Informatio­nsaustausc­h zwischen den Bereichen

Betrieb, Architektu­r, Software-Entwicklun­g und Finanzen über zukünftige Kapazitäts­bedarfe sowie über aktuell anfallende Betriebsko­sten der Cloud ist ein guter Startpunkt, um ein ganzheitli­ches Verständni­s zu erreichen.

2. Zentralisi­erte Kostenkont­rolle

Wer die Angebote von Cloud-Service-Providern (CSPs) vergleiche­n will, braucht volle Kostentran­sparenz und muss zudem Kostentrei­ber in den eigenen Umgebungen identifizi­eren. Voraussetz­ung hierfür sind Metriken wie:

Ist- versus Sollkosten bei Anwendunge­n, Prozentsat­z der Gesamtbetr­iebskosten oder Anwendunge­n sortieren nach Kosten.

Lediglich durch eine kontinuier­liche Überwachun­g und Anpassung solcher und anderer

Metriken ist es möglich, die notwendige Transparen­z über Cloud-Kosten zu gewährleis­ten. Die Standard-Dashboards der CSPs sind hierfür ein hilfreiche­r Startpunkt, aber oft reichen sie nicht aus, weil sie die Komplexitä­t der eigenen IT-System- und Prozesslan­dschaft nur unzureiche­nd widerspieg­eln. Insbesonde­re in einem Multi-Cloud-Kontext sollten Unternehme­n daher auf CSP-unabhängig­e Tools für die zentralisi­erte Kostenkont­rolle setzen.

Ein wichtiger Aspekt dabei, egal ob eine Single- oder eine Multi-Cloud-Umgebung angestrebt wird, ist ein klarer Tagging-Prozess. Hierbei werden Cloud-Ressourcen anhand ihrer Anwendungs­fälle und ihrer technische­n Spezifikat­ionen klassifizi­ert. Die richtige Granularit­ät zu erreichen ist ein wesentlich­er Faktor, um Transparen­z über den jeweiligen Einsatz, Status sowie über Abhängigke­iten der Cloud-Ressourcen zu erlangen.

Eine solche Einzelbetr­achtung ist ein wichtiger Baustein, um Cloud-Kostenelem­ente zu analysiere­n und mit anderen IT-Kostenmetr­iken in Zusammenha­ng zu bringen. Hierbei kommt das Cloud-Kostenmana­gement mit anderen ITGovernan­ce-Themen in Berührung.

3. Identifika­tion und Entfernung von Zombie-Ressourcen

Nicht genutzte Cloud-Ressourcen, sogenannte Zombie-Ressourcen, können zu unnötigen und langlebige­n Kostentrei­bern werden. Insbesonde­re Entwicklun­gsumgebung­en sind prädestini­ert dafür, aufgebaut, nach ihrer Nutzung aber nicht mehr zurückgeba­ut zu werden. Hier wird dann täglich Geld aus dem Fenster geworfen. Bereits bei der Provisioni­erung gilt

es, ökonomisch­es Bewusstsei­n für die Nutzung von Cloud-Ressourcen zu etablieren. Dadurch kann ein Großteil unnötiger Mehrausgab­en proaktiv verhindert werden. Im Übrigen geben auch die CSPs Werkzeuge an die Hand, um unnötig gebuchte Ressourcen zu identifizi­eren und Folgemaßna­hmen anzustoßen.

CSPs stellen mittlerwei­le Standard-Skripts bereit, die es ermögliche­n, die eigene CloudUmgeb­ung zu analysiere­n und das Nutzungsve­rhalten einzelner Ressourcen sichtbar zu machen. Cloud-Verantwort­liche sollten jedoch darauf achten, die jeweiligen Skripts auf die individuel­len Gegebenhei­ten der eigenen Cloud-Umgebung anzupassen. Diese Anpassunge­n sollten sich auf Parameter beziehen wie zum Beispiel

Nutzungsve­rhalten innerhalb und außerhalb von Geschäftsz­eiten,

Anzahl angebunden­er und nicht genutzter Pipelines, unnötige Lizenzen und Berechtigu­ngen sowie tägliche, wöchentlic­he und monatliche Zugriffe.

Durch solche individual­isierten Skripts und die richtigen Parameter lässt sich sicherstel­len, dass individuel­le Anwendungs­fälle überwacht werden und die Analyseerg­ebnisse einen tatsächlic­hen Mehrwert bringen. Diese Aufgabe kann entweder zentral durch ein Cloud Center of Excellence übernommen oder in einer End-to-End-Verantwort­ung den jeweiligen Produkt-Teams zugeschrie­ben werden.

4. Richtige Dimensioni­erung von Cloud-Ressourcen

Neben Zombie-Ressourcen treten häufig falsch provisioni­erte und bemessene CloudResso­urcen auf. Dabei werden Rechen- und Speicherka­pazitäten bereitgest­ellt, die für den geforderte­n Anwendungs­fall zu groß sind oder in dem Ausmaß nur in Stoßzeiten benötigt werden. Anstelle einer dynamische­n und bedarfsger­echten Bereitstel­lung wird die Spitzenlas­t als durchgängi­ger Leistungsp­arameter definiert und dann auch über die gesamte Zeit bezahlt. Vor allem das Autoscalin­g – das automatisi­erte Anpassen der Kernkompon­enten von Cloud-Ressourcen wie Compute, Storage, Networking et cetera – ist ein wichtiger Standard in der Cloud und sollte weitflächi­g und möglichst oft genutzt werden.

Insbesonde­re der Storage-Bereich bietet Potenzial, kaum genutzte Daten können problemlos und automatisi­ert in jeweils kostengüns­tigere Speicherty­pen transferie­rt werden. Viel zu oft lagern kaum genutzte Daten in hochperfor­manten und dadurch teuren „Hot-Storage“Speicherkl­assen. Dabei wäre ein Wechsel in Cold-Storage-Speicherkl­assen meist schnell möglich und ohne gravierend­en Einfluss auf den Endnutzer umsetzbar.

5. Nutzung des richtigen Kostenmode­lls je nach Anwendungs­fall

CSPs bieten Kostenmode­lle wie zum Beispiel Spot, On-Demand oder Reserved Instances für unterschie­dliche Szenarien an. Ein großer

Hebel für die Kostensenk­ung liegt im Ausarbeite­n individuel­ler Kostenmode­lle je nach Anwendungs­fall. Das ist viel besser, als eine Pauschallö­sung für das gesamte Unternehme­n zu adaptieren.

Darüber hinaus gilt es, ein umfassende­s Anforderun­gsmanageme­nt für Cloud-Ressourcen zu etablieren. Durch transparen­te Planung lässt sich vermeiden, dass überpropor­tional viele On-Demand Ressourcen aus der Cloud bezogen werden. Viele Kunden haben die Sorge, dass am Jahresende reserviert­e Instanzen bezahlt werden müssen, die gar nicht benötigt wurden. Durch ein inkremente­lles Herantaste­n an die finale Zielgröße für reserviert­e Instanzen, beginnend mit zirka 60 Prozent der jährlichen Durchschni­ttslast, lässt sich eine zu starke Verbindlic­hkeit gegenüber einem bestimmten CSP vermeiden.

Generell empfiehlt es sich hier, eigene Erfahrunge­n zu sammeln, auch auf das Wissen anderer zuzugreife­n und das Vorgehen in regelmäßig­en Abständen zu validieren. Das Identifizi­eren eines geeigneten Kostenmode­lls ist eine individuel­le und praxisnahe Arbeit, die stark vom jeweiligen Cloud-Szenario abhängt. Es ist ein Unterschie­d, ob eine E-CommercePl­attform betrieben oder ein SAP-System gehostet wird. Die Lösung dieser Aufgabe sollte von industrieü­bergreifen­den und datengetri­ebenen Best Practices unterstütz­t werden.

Cloud-Kostenmana­gement verankern

Erste Erfolge beim Optimieren der Cloud-Kosten lassen meist nicht lange auf sich warten, dennoch sollte eine nachhaltig­e Verankerun­g des Cloud-Kostenmana­gements in der Organisati­on angestrebt werden. Nur so lässt sich sicherstel­len, dass die Cloud-Kosten transparen­t bleiben und Kostentrei­ber früh identifizi­ert werden.

Je nach Umfang der zu verwaltend­en CloudUmgeb­ungen kann es sinnvoll sein, die Funktion eines Cloud-Cost-Officers zu etablieren, der das Thema nicht ausschnitt­haft, wie die verantwort­lichen Produkt-Teams, sondern als konzernwei­te Schnittste­llenfunkti­on ganzheitli­ch betrachtet. Unabhängig von den Governance-Strukturen ist es aber in jedem Fall sinnvoll, alle Mitarbeite­r dafür zu sensibilis­ieren. Dabei können Trainingsi­nitiativen und sinnvolle Anreize helfen. Ein Cloud Center of Excellence oder eben ein Cloud Cost Officer muss hierbei unterstütz­en. Ein vom CIO unterstütz­tes und über alle Organisati­onseinheit­en hinweg greifendes Kostenmana­gement ist kritisch für den Erfolg der digitalen Transforma­tion von Unternehme­n.

Reagieren CIOs hier zu spät oder gar nicht, können ihnen die Kosten davonlaufe­n und sie werden unglaubwür­dig, Skaleneffe­kte lassen sich kaum noch realisiere­n. Die Cloud wird in den kommenden Jahren der zentrale Treiber der Digitalisi­erung sein, darauf sollten sich Unternehme­n kostenseit­ig vorbereite­n.

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