Personalführung auf Distanz
Woran Vorgesetzte denken sollten
Die Präsenzkultur ist durch die CoronaPandemie grundlegend infrage gestellt worden. Unternehmen gewöhnen sich zunehmend daran, ihre Mitarbeiter aus dem Home-Office arbeiten zu lassen. Viele bekräftigen, auch dann daran festhalten zu wollen, wenn die aktuelle Krise vorbei sein wird. Die bislang ungewohnte Situation verlangt Arbeitgebern und ihren Beschäftigten gleichermaßen Anpassungsfähigkeit ab. Insbesondere Führungskräfte müssen sich mit neuen Methoden zur Mitarbeiterführung über digitale Kanäle vertraut machen. Diese elf Vorschläge sollten Manager beherzigen, wenn sie gut durch die Krise kommen wollen:
1. Unterschiedliche Arbeits- und Lebensumstände anerkennen
Zu den größten Herausforderungen gehört nicht in erster Linie die räumliche Distanz. Es geht eher um die unterschiedlichen Grundvoraussetzungen, mit denen Mitarbeiter bei der Arbeit von zuhause konfrontiert sind. Vor allem in Städten hat nicht jeder ausreichenden Raum für ein separates Zimmer. Bei vielen ist der Arbeitsplatz weiterhin der Küchen- oder Esstisch. Dazu kommt eine ganze Reihe möglicher Ablenkungen: Kinder brauchen Hilfe bei den Hausaufgaben, der Paketbote klingelt, der Hund muss vor die Tür. Und wer allein wohnt, fühlt sich mit der Zeit von seiner Umwelt isoliert. All das hat Einfluss darauf, wie Mitarbeiter ihre Aufgaben erledigen können. Vorgesetzte, die Verständnis für diese Situationen äußern, schaffen die Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.
2. Das Stress-Level steuern
Permanenter Stress im Home-Office ist keine ideale Voraussetzung, um kontinuierlich gute Arbeit abzuliefern. Wer als Führungskraft vermittelt, dass es in Ordnung ist, wenn Mitarbeitende in dieser Sondersituation nicht immer perfekt funktionieren, nimmt Druck von jedem Einzelnen. Vielen fällt es mit einem solchen Entgegenkommen leichter, Deadlines einzuhalten und den Erwartungen zu entsprechen. Während des Video-Meetings läuft im Hintergrund der Nachwuchs oder das Haustier durchs Bild? Das ist den meisten von uns auch schon passiert – und völlig okay, sofern daraus keine dauerhafte Ablenkung wird. Hier empfehlen sich virtuelle Hintergründe, die die nötige Trennung zwischen Privat- und Arbeitsleben schaffen.
3. Regelmäßigen Kontakt pflegen
Ein tägliches Gespräch mit der Chefin oder dem Chef – ist das nicht ein bisschen zu viel des Guten? Vielleicht sieht es auf den ersten Blick so aus, aber insbesondere bei der digitalen Mitarbeiterführung ist die Regelmäßigkeit des Austauschs entscheidend, um einschätzen zu können, ob alles wie besprochen läuft und sich alle im Team den Anforderungen gewachsen fühlen. Missverständnisse und Fehler passieren – ähnlich wie im Büro – vor allem, wenn zu wenig kommuniziert wird.
4. Die Vorteile neuer Technologien nutzen Beziehungen lassen sich nur zu Menschen aufbauen, mit denen man regelmäßig Kontakt hält. Zum Beispiel helfen moderne Videokonferenz-Tools dabei, von Angesicht zu Angesicht zu kommunizieren und im wahrsten Sinne des Wortes zu sehen, wie es allen geht. Der Anlass für ein kurzes persönliches Gespräch muss gar
nicht unbedingt immer ein konkreter Arbeitsauftrag sein. Um eine offene Kommunikation zu pflegen, reicht auch die Frage: Wie kommst du voran? Wie hast du dir deine Arbeit in der vergangenen Woche eingeteilt? Welche Unterstützung wünschst du dir?
5. Kommunikationsregeln festlegen
Dezentral organisierte Teamarbeit funktioniert dann am effektivsten, wenn sich alle über die Grundregeln der gemeinsamen Kommunikation einig sind. Vorgesetzte können für klare Verhältnisse sorgen, indem sie Häufigkeit und Zweck des Austauschs und die dafür priorisierten Kanäle festlegen. Videokonferenzen sind in der Regel die erste Wahl für tägliche Besprechungen. Größere Gesprächsrunden lassen sich durch simple Tricks so strukturieren, dass auch Sitzungen mit hoher Teilnehmerzahl geordnet ablaufen. Wenn es um dringliche Angelegenheiten geht, sind andere Kanäle wie Instant Messaging der bessere Weg.
6. Erwartungen definieren
Oft werden beim Übergang von der klassischen Büroarbeit ins Home-Office bestimmte Aufgaben innerhalb eines Teams neu verteilt, manchmal kommen auch neue hinzu. Damit Mitarbeitende diese erfüllen, muss klar sein, was genau von ihnen erwartet wird. Manchen mag es außerhalb der gewohnten Büroatmosphäre anfangs schwerfallen, Aufträge zu priorisieren. Zusammen lässt sich festlegen, was zuerst erledigt werden soll und was zu schaffen ist. Einfach davon auszugehen, dass schon jeder weiß, was er zu tun hat, ist kontraproduktiv. Besser ist, von Anfang an eine Feedback-Schleife zu vereinbaren, um gegebenenfalls die Erwartungen anzupassen.
7. Ein gemeinsames Ziel verfolgen
Wer Mitarbeitern ein klar definiertes Ziel vorgibt, sorgt dafür, dass sie eine emotionale Verbindung zueinander aufbauen. Denn Teams funktionieren vor allem dann, wenn alle Mitglieder eine gemeinsame Mission verfolgen. Das dabei entstehende Gemeinschaftsgefühl hilft auch, Unsicherheiten zu überwinden und mit ungewohnten Arbeitssituationen umzugehen. Wenn jeder weiß, was er zum Erfolg beiträgt, ist das die beste Motivation, Höchstleistungen zu erbringen. Chefs sollten Erfolge würdigen und Mitarbeitern die entsprechende Anerkennung zukommen lassen.
8. Auf die Ergebnisse konzentrieren
Wie lassen sich Engagement und Selbstverantwortung fördern? Indem Chefs sich auf die gewünschten Ergebnisse konzentrieren – und Teammitgliedern den Freiraum lassen, selbst einzuteilen, wie sie zum Ziel kommen wollen. Voraussetzung dafür ist, dass ausreichend Zeit zur Verfügung steht und zuvor entsprechendes Vertrauen aufgebaut wurde. Ist das der Fall, lässt sich nicht nur die Kreativität der Mitarbeiter fördern, sondern auch kräftezehrendes Mikromanagement vermeiden. Virtuelle Brainstormings lassen sich beispielsweise in Breakout-Räume aufteilen. Kleinere Teams können so in separaten Sitzungen zusammenkommen und ihre Ideen sammeln, die sie dann in der größeren Runde präsentieren. 9. Strikte Kontrollmechanismen vermeiden Regelmäßige Kommunikation und klare Zielvorgaben sind wichtig. Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass Mitarbeiter das Gefühl bekommen, im Home-Office überwacht zu werden. Vorgesetzte, die mehrmals täglich Rückmeldungen einfordern, signalisieren damit fehlendes Vertrauen. Sie riskieren auch, dass Teams den Fokus verlieren. Beratung und Betreuung sind besser als strikte Kontrolle.
10. Neue Team-Mitglieder integrieren
Als neues Mitglied in ein dezentral arbeitendes Team zu kommen, kann zur Herausforderung werden, weil sich die Dynamik einer Gruppe anfangs schwer erspüren lässt. Umso wichtiger ist es, Mitarbeitern direkt zu Beginn ihrer Tätigkeit das Gefühl zu geben, Teil der Gruppe zu sein. Firmen, die bereits über längere Erfahrung in dezentralem Arbeiten verfügen, haben dies zum festen Bestandteil ihres Onboardings gemacht. Zu den ersten Aufgaben neuer Mitarbeiter gehört es deshalb, nicht nur ihren Arbeitsplatz einzurichten und den Zugang per Zwei-Faktor-Authentifizierung zu sichern, sondern auch, einen Termin für einen virtuellen Kaffee mit den neuen Kollegen zu vereinbaren.
11. Das Wir-Gefühl stärken
Selbst in einem gut funktionierenden Arbeitsumfeld kann es ab und an zu Unsicherheiten, Unzufriedenheit oder Ängsten der Mitarbeiter kommen. Die Aufgabe von Führungskräften besteht darin, Teams davor zu schützen. Das gelingt am ehesten, wenn auch die sozialen Aspekte der gemeinsamen Arbeit berücksichtigt werden. Dafür braucht es keine verpflichtenden gemeinsamen Kaffeepausen, aber von Zeit zu Zeit die Gelegenheit für einen lockeren Austausch, der Mitarbeitern das Gefühl gibt, trotz Distanz gesehen und gehört zu werden. Die Happy Hour nach Feierabend, ein virtuelles Quiz oder das gemeinsame Pizzaessen per Videochat stärken den Teamgeist – insbesondere dann, wenn sich nicht alle täglich im Büro über den Weg laufen.