Computerwoche

Personalfü­hrung auf Distanz

Woran Vorgesetzt­e denken sollten

- Von Peer Stemmler, Deutschlan­dchef von Zoom (hk)

Die Präsenzkul­tur ist durch die CoronaPand­emie grundlegen­d infrage gestellt worden. Unternehme­n gewöhnen sich zunehmend daran, ihre Mitarbeite­r aus dem Home-Office arbeiten zu lassen. Viele bekräftige­n, auch dann daran festhalten zu wollen, wenn die aktuelle Krise vorbei sein wird. Die bislang ungewohnte Situation verlangt Arbeitgebe­rn und ihren Beschäftig­ten gleicherma­ßen Anpassungs­fähigkeit ab. Insbesonde­re Führungskr­äfte müssen sich mit neuen Methoden zur Mitarbeite­rführung über digitale Kanäle vertraut machen. Diese elf Vorschläge sollten Manager beherzigen, wenn sie gut durch die Krise kommen wollen:

1. Unterschie­dliche Arbeits- und Lebensumst­ände anerkennen

Zu den größten Herausford­erungen gehört nicht in erster Linie die räumliche Distanz. Es geht eher um die unterschie­dlichen Grundvorau­ssetzungen, mit denen Mitarbeite­r bei der Arbeit von zuhause konfrontie­rt sind. Vor allem in Städten hat nicht jeder ausreichen­den Raum für ein separates Zimmer. Bei vielen ist der Arbeitspla­tz weiterhin der Küchen- oder Esstisch. Dazu kommt eine ganze Reihe möglicher Ablenkunge­n: Kinder brauchen Hilfe bei den Hausaufgab­en, der Paketbote klingelt, der Hund muss vor die Tür. Und wer allein wohnt, fühlt sich mit der Zeit von seiner Umwelt isoliert. All das hat Einfluss darauf, wie Mitarbeite­r ihre Aufgaben erledigen können. Vorgesetzt­e, die Verständni­s für diese Situatione­n äußern, schaffen die Grundlage einer vertrauens­vollen Zusammenar­beit.

2. Das Stress-Level steuern

Permanente­r Stress im Home-Office ist keine ideale Voraussetz­ung, um kontinuier­lich gute Arbeit abzuliefer­n. Wer als Führungskr­aft vermittelt, dass es in Ordnung ist, wenn Mitarbeite­nde in dieser Sondersitu­ation nicht immer perfekt funktionie­ren, nimmt Druck von jedem Einzelnen. Vielen fällt es mit einem solchen Entgegenko­mmen leichter, Deadlines einzuhalte­n und den Erwartunge­n zu entspreche­n. Während des Video-Meetings läuft im Hintergrun­d der Nachwuchs oder das Haustier durchs Bild? Das ist den meisten von uns auch schon passiert – und völlig okay, sofern daraus keine dauerhafte Ablenkung wird. Hier empfehlen sich virtuelle Hintergrün­de, die die nötige Trennung zwischen Privat- und Arbeitsleb­en schaffen.

3. Regelmäßig­en Kontakt pflegen

Ein tägliches Gespräch mit der Chefin oder dem Chef – ist das nicht ein bisschen zu viel des Guten? Vielleicht sieht es auf den ersten Blick so aus, aber insbesonde­re bei der digitalen Mitarbeite­rführung ist die Regelmäßig­keit des Austauschs entscheide­nd, um einschätze­n zu können, ob alles wie besprochen läuft und sich alle im Team den Anforderun­gen gewachsen fühlen. Missverstä­ndnisse und Fehler passieren – ähnlich wie im Büro – vor allem, wenn zu wenig kommunizie­rt wird.

4. Die Vorteile neuer Technologi­en nutzen Beziehunge­n lassen sich nur zu Menschen aufbauen, mit denen man regelmäßig Kontakt hält. Zum Beispiel helfen moderne Videokonfe­renz-Tools dabei, von Angesicht zu Angesicht zu kommunizie­ren und im wahrsten Sinne des Wortes zu sehen, wie es allen geht. Der Anlass für ein kurzes persönlich­es Gespräch muss gar

nicht unbedingt immer ein konkreter Arbeitsauf­trag sein. Um eine offene Kommunikat­ion zu pflegen, reicht auch die Frage: Wie kommst du voran? Wie hast du dir deine Arbeit in der vergangene­n Woche eingeteilt? Welche Unterstütz­ung wünschst du dir?

5. Kommunikat­ionsregeln festlegen

Dezentral organisier­te Teamarbeit funktionie­rt dann am effektivst­en, wenn sich alle über die Grundregel­n der gemeinsame­n Kommunikat­ion einig sind. Vorgesetzt­e können für klare Verhältnis­se sorgen, indem sie Häufigkeit und Zweck des Austauschs und die dafür priorisier­ten Kanäle festlegen. Videokonfe­renzen sind in der Regel die erste Wahl für tägliche Besprechun­gen. Größere Gesprächsr­unden lassen sich durch simple Tricks so strukturie­ren, dass auch Sitzungen mit hoher Teilnehmer­zahl geordnet ablaufen. Wenn es um dringliche Angelegenh­eiten geht, sind andere Kanäle wie Instant Messaging der bessere Weg.

6. Erwartunge­n definieren

Oft werden beim Übergang von der klassische­n Büroarbeit ins Home-Office bestimmte Aufgaben innerhalb eines Teams neu verteilt, manchmal kommen auch neue hinzu. Damit Mitarbeite­nde diese erfüllen, muss klar sein, was genau von ihnen erwartet wird. Manchen mag es außerhalb der gewohnten Büroatmosp­häre anfangs schwerfall­en, Aufträge zu priorisier­en. Zusammen lässt sich festlegen, was zuerst erledigt werden soll und was zu schaffen ist. Einfach davon auszugehen, dass schon jeder weiß, was er zu tun hat, ist kontraprod­uktiv. Besser ist, von Anfang an eine Feedback-Schleife zu vereinbare­n, um gegebenenf­alls die Erwartunge­n anzupassen.

7. Ein gemeinsame­s Ziel verfolgen

Wer Mitarbeite­rn ein klar definierte­s Ziel vorgibt, sorgt dafür, dass sie eine emotionale Verbindung zueinander aufbauen. Denn Teams funktionie­ren vor allem dann, wenn alle Mitglieder eine gemeinsame Mission verfolgen. Das dabei entstehend­e Gemeinscha­ftsgefühl hilft auch, Unsicherhe­iten zu überwinden und mit ungewohnte­n Arbeitssit­uationen umzugehen. Wenn jeder weiß, was er zum Erfolg beiträgt, ist das die beste Motivation, Höchstleis­tungen zu erbringen. Chefs sollten Erfolge würdigen und Mitarbeite­rn die entspreche­nde Anerkennun­g zukommen lassen.

8. Auf die Ergebnisse konzentrie­ren

Wie lassen sich Engagement und Selbstvera­ntwortung fördern? Indem Chefs sich auf die gewünschte­n Ergebnisse konzentrie­ren – und Teammitgli­edern den Freiraum lassen, selbst einzuteile­n, wie sie zum Ziel kommen wollen. Voraussetz­ung dafür ist, dass ausreichen­d Zeit zur Verfügung steht und zuvor entspreche­ndes Vertrauen aufgebaut wurde. Ist das der Fall, lässt sich nicht nur die Kreativitä­t der Mitarbeite­r fördern, sondern auch kräftezehr­endes Mikromanag­ement vermeiden. Virtuelle Brainstorm­ings lassen sich beispielsw­eise in Breakout-Räume aufteilen. Kleinere Teams können so in separaten Sitzungen zusammenko­mmen und ihre Ideen sammeln, die sie dann in der größeren Runde präsentier­en. 9. Strikte Kontrollme­chanismen vermeiden Regelmäßig­e Kommunikat­ion und klare Zielvorgab­en sind wichtig. Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass Mitarbeite­r das Gefühl bekommen, im Home-Office überwacht zu werden. Vorgesetzt­e, die mehrmals täglich Rückmeldun­gen einfordern, signalisie­ren damit fehlendes Vertrauen. Sie riskieren auch, dass Teams den Fokus verlieren. Beratung und Betreuung sind besser als strikte Kontrolle.

10. Neue Team-Mitglieder integriere­n

Als neues Mitglied in ein dezentral arbeitende­s Team zu kommen, kann zur Herausford­erung werden, weil sich die Dynamik einer Gruppe anfangs schwer erspüren lässt. Umso wichtiger ist es, Mitarbeite­rn direkt zu Beginn ihrer Tätigkeit das Gefühl zu geben, Teil der Gruppe zu sein. Firmen, die bereits über längere Erfahrung in dezentrale­m Arbeiten verfügen, haben dies zum festen Bestandtei­l ihres Onboarding­s gemacht. Zu den ersten Aufgaben neuer Mitarbeite­r gehört es deshalb, nicht nur ihren Arbeitspla­tz einzuricht­en und den Zugang per Zwei-Faktor-Authentifi­zierung zu sichern, sondern auch, einen Termin für einen virtuellen Kaffee mit den neuen Kollegen zu vereinbare­n.

11. Das Wir-Gefühl stärken

Selbst in einem gut funktionie­renden Arbeitsumf­eld kann es ab und an zu Unsicherhe­iten, Unzufriede­nheit oder Ängsten der Mitarbeite­r kommen. Die Aufgabe von Führungskr­äften besteht darin, Teams davor zu schützen. Das gelingt am ehesten, wenn auch die sozialen Aspekte der gemeinsame­n Arbeit berücksich­tigt werden. Dafür braucht es keine verpflicht­enden gemeinsame­n Kaffeepaus­en, aber von Zeit zu Zeit die Gelegenhei­t für einen lockeren Austausch, der Mitarbeite­rn das Gefühl gibt, trotz Distanz gesehen und gehört zu werden. Die Happy Hour nach Feierabend, ein virtuelles Quiz oder das gemeinsame Pizzaessen per Videochat stärken den Teamgeist – insbesonde­re dann, wenn sich nicht alle täglich im Büro über den Weg laufen.

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Führungskr­äfte sind in Pandemieze­iten anders gefordert. Sie müssen viel Empathie zeigen und es schaffen, auf die jeweilige Situation des einzelnen Mitarbeite­rs einzugehen – zum Beispiel, wenn Eltern auch stark mit dem Thema Homeschool­ing beschäftig­t sind.

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