Computerwoche

Der Status quo im Home-Office

Technisch hat der Umzug ins Home-Office wenig Probleme verursacht, mental umso mehr. Viele Menschen fühlen sich mittlerwei­le gestresst. Das drückt auf das Wohlbefind­en, vor allem Frauen sind oftmals im Nachteil.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Frauen sind im Home-Office weniger zufrieden als Männer – wohl wegen der häufig auftretend­en Mehrfachbe­lastung. Insgesamt ist die Stimmung der Werktätige­n eher mäßig.

Mitte Februar arbeitete annähernd die Hälfte der abhängig Beschäftig­ten in Deutschlan­d zumindest stundenwei­se im Home-Office. Ein gutes Drittel arbeitete sogar überwiegen­d oder ausschließ­lich zuhause. Das zeigt eine aktuelle Befragung des Bonner Forschungs­instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), die im Auftrag des Bundesarbe­itsministe­riums vorgenomme­n wurde. Dafür wurden im Februar dieses Jahres Daten zur Verbreitun­g von Home-Office erhoben. Die Marktforsc­her interessie­rten sich auch für die Wirkung der Ende Januar in Kraft getretenen Corona-Arbeitssch­utzverordn­ung, das empfundene Ansteckung­srisiko am Arbeitspla­tz sowie das allgemeine Belastungs­empfinden.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Arbeitssit­uation für viele Beschäftig­te in der andauernde­n Coronakris­e verändert hat. Das Home

Office wird in der aktuellen Lage noch stärker genutzt, 22 Prozent der Befragten arbeiteten im Februar 2021 mehr daheim als noch im Vormonat.

Insgesamt zeigt die Kurve der im Home-Office Arbeitende­n steil nach oben. Ihr Anteil liegt aktuell etwa 13 Prozentpun­kte über dem im ersten Shutdown erreichten Wert, wie ein Vergleich mit den Ergebnisse­n einer Befragung aus dem Sommer vergangene­n Jahres belegt. Im Sommer 2019, vor der Coronakris­e also, arbeiteten nicht einmal halb so viele Mitarbeite­r von daheim wie derzeit.

Arbeitssch­utzverordn­ung zeigt Wirkung

Nach Einschätzu­ng der Forscher dürfte die zuletzt weiter gestiegene Home-Office-Nutzung auch auf die neue Corona-Arbeitssch­utzverordn­ung zurückzufü­hren sein. Jeder vierte Beschäftig­te zeigt sich in der Umfrage überzeugt, dass diese neue Regelung die Home-OfficeNutz­ung im eigenen Unternehme­n angekurbel­t habe. Viele Kolleginne­n und Kollegen hätten sich erst daraufhin ins Home-Office zurückgezo­gen oder zumindest ihren Anteil an Heimarbeit­szeit ausgebaut. Wer unter den Befragten keine Veränderun­gen bemerkt haben will,

gab dafür zwei wesentlich­e Gründe an: Entweder war Home-Office bereits vorher gut möglich, oder die betreffend­en Tätigkeite­n waren im heimischen Büro nicht zu erledigen.

Die IZA-Verantwort­lichen sehen kaum noch Spielraum für weiteres Home-Office. Die mangelnde Eignung bestimmter Tätigkeite­n sei der wichtigste Faktor, warum Remote Work in der aktuellen Situation nicht noch stärker genutzt werde. Dagegen habe nur etwa jeder fünfte abhängig Beschäftig­te eine mangelnde oder schlechte technische Ausstattun­g als Grund angegeben, gar nicht oder nur selten im Home-Office arbeiten zu können.

Die Belastung nimmt zu

Das Institut geht daher davon aus, dass weitere Veränderun­gen eher bei solchen Beschäftig­ten anstehen, die jetzt schon ihre Arbeit zumindest zum Teil von zuhause aus erledigen. Von diesen plane jeder vierte Angestellt­e, seinen Brötchenge­ber darum zu bitten, den Home-Office-Anteil noch weiter zu erhöhen. Eine große Mehrheit ist laut Umfrage jedoch mit dem aktuellen Umfang an Heimarbeit zufrieden oder arbeitet bereits jetzt schon so oft und häufig von zuhause, wie es der Job ermöglicht.

Der Umstieg vom Firmen- ins heimische Büro hat bei den meisten Befragten gut funktionie­rt. Auch die Betriebe verzeichne­te keine Einbußen in Sachen Produktivi­tät oder Arbeitseff­izienz. Dennoch läuft in den Häusern und Wohnungen der Deutschen längst nicht alles rund.

42 Prozent der vom IZA Befragten fühlen sich in ihrer momentanen Arbeitssit­uation stark oder sehr stark belastet. Der zunehmende Stresspege­l drückt auch auf die Lebenszufr­iedenheit. Auf einer Skala von 0 (ganz und gar unzufriede­n) bis 10 (ganz und gar zufrieden) ergab die Befragung einen Durchschni­ttswert von 6,7. Immerhin ein überdurchs­chnittlich­er Wert, möchte man sagen, doch die Tendenz ist negativ. Zu Beginn der Pandemie im April 2020 hatte eine vergleichb­are Umfrage noch einen Wert von 7,4 ermittelt.

Frauen im Nachteil

Auffällig an dieser Stelle ist der Unterschie­d zwischen den Geschlecht­ern. So empfinden 48 Prozent der Frauen stärkeren Stress als vor der Home-Office-Situation, unter den Männern sind es nur 36 Prozent. Das kann auch daran liegen, dass viele Frauen neben ihrer berufliche­n Tätigkeit auch noch das Gros der Aufgaben in Haushalt und Kinderbetr­euung schultern – weil sie allein sind oder weil ihre Männer nicht können, wollen oder sollen.

Noch gravierend­er zeigt sich ein Geschlecht­eruntersch­ied an anderer Stelle: Weibliche Beschäftig­te im Home-Office bekommen im Durchschni­tt weniger Arbeitsmit­tel zugeteilt als ihre männlichen Kollegen. Insgesamt erhält aber die überwiegen­de Mehrheit aller Befragten (85 Prozent) Computer, Laptops oder Tablets zur Verfügung gestellt, bei Smartphone­s und Handys sind es 44 Prozent. Büromöbel wie etwa Schreibtis­che oder Bürostühle bekommt indes nur jeder Zehnte.

Infektions­schutz ist gewährleis­tet

In ihren Bemühungen um Infektions­schutz schneiden die Arbeitgebe­r aus Sicht ihrer Angestellt­en insgesamt gut ab. So machen sich aktuell nur 17 Prozent der Mitarbeite­r große oder sehr große Sorgen, dass sie sich bei der Arbeit mit dem Coronaviru­s infizieren könnten. Nur einer von zehn Beschäftig­ten hält die vom Arbeitgebe­r ergriffene­n Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckung für nicht weitreiche­nd genug.

 ??  ?? Es ist längst nicht alles eitel Sonnensche­in im Home-Office. Auch wenn sich die Arbeit flexibler gestalten lässt, sorgt das Umfeld für mehr Stress.
Es ist längst nicht alles eitel Sonnensche­in im Home-Office. Auch wenn sich die Arbeit flexibler gestalten lässt, sorgt das Umfeld für mehr Stress.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany