Viel Leerlauf in den Kernprozessen
Etliche Unternehmen kämpfen seit Jahren mit schlechten RechnungsWorkflows, Mittelmaß in den Einkaufsprozessen und zu viel Handarbeit in der Auftragsabwicklung. Eine Untersuchung zeigt: Es geht auch anders.
Schlechte Rechnungs-Workflows, Mittelmaß in den Einkaufsprozessen und viel Handarbeit in der Auftragsabwicklung sind immer noch weit verbreitet. Es geht auch anders.
Die Studie „State of Business Execution Benchmarks Report 2021“, die vom Münchner Process-Mining-Spezialisten Celonis initiiert wurde, zeigt erstaunlich große Performance-Unterschiede in wichtigen Kernprozessen. Befragt wurden 2.000 Führungskräfte aus sechs Ländern und acht Branchen. Dabei standen Kreditorenbuchhaltung, Debitorenbuchhaltung, Einkauf und Auftragsmanagement im Mittelpunkt. In allen vier Bereichen klaffen große Lücken zwischen durchschnittlicher und Best-in-Class-Performance.
Starre Systeme behindern Kreditorenteams
Beginnen wir mit den Kreditorenteams, denjenigen also, die für die Auszahlung von Lieferanten verantwortlich sind. Sie standen im vergangenen Jahr besonders unter Druck. Aufgrund der Pandemie haben viele Zulieferer versucht, ihre Liquidität zu verbessern, und ihr Forderungs-Management intensiviert. Für die Verantwortlichen kam es also darauf an, Zahlungstermine bei gestiegenem Druck und höheren Anforderungen einzuhalten. Gleichzeitig mussten, wie in allen Backoffice-Funktionen, die Kosten gesenkt werden.
Die Analyse zeigt, dass ein durchschnittliches Unternehmen seine Lieferanten in 50 Prozent aller Fälle fristgerecht bezahlt, die besten Betriebe (das obere Quartil) bringen es aber auf stolze 77 Prozent. Doppelt bezahlt werden von 100 Rechnungen im Mittel 1,47, bei den Besten aber nur 0,8. Die mittlere Kreditorenlaufzeit – die Zeit, die sich Unternehmen mit dem Begleichen von Rechnungen lassen – liegt bei durchschnittlich 48,4 Tagen, die der Top-Performer aber bei 74,5 Tagen. Und die Kosten pro Rechnung summieren sich bei den Klassenbesten auf 5,63 Euro, was weit unter dem Mittelwert von 14,33 Euro liegt.
Warum ist das so? Die meisten der Befragten (41,1 Prozent) glauben, dass starre Systeme und Technologien der Kreditorenbuchhaltung zusetzen. Fehlerhafte und ineffiziente Prozesse nennen 38,9 Prozent, und organisatorische Silos sind aus Sicht von 37,2 Prozent der Umfrageteilnehmer das zentrale Hindernis.
„Interessanterweise priorisieren 65 Prozent aller Teams ihre Rechnungen immer noch chronologisch nach Eingangs- oder Fälligkeitsdatum und nicht nach den potenziellen Auswirkungen, die jede Rechnung auf die Ziel-KPIs haben könnte“, heißt es in der Studie. Die zuständigen Teams könnten signifikante Verbesserungen in den Kennzahlen erreichen, wenn sie die Störungen in ihren Abläufen beseitigen und Rechnungen entlang der angepeilten Ergebnisse priorisieren würden.
Debitorenbuchhalter setzen auf falsche KPIs
Im zweiten Teil der Untersuchung geht es um den Prozess der Debitorenbuchhaltung, also um die Kontrolle und Optimierung der Zahlungseingänge und das Forderungsmanagement. Auch auf diese Funktion hatte Covid-19 Einfluss. Für die Verantwortlichen hatten optimale Liquidität und möglichst wenig offene Forderungen oberste Priorität. Eine Schlüsselaufgabe dabei ist proaktives Handeln: Anhand von Daten lassen sich kritische Accounts identifizieren und intelligent so priorisiert behandeln, dass es gar nicht erst zum Zahlungsverzug kommt.
Eine wichtige Kennzahl im Forderungsmanagement ist die Effektivität. Der durchschnittliche Forderungseffektivitäts-Index liegt bei 56,6 Prozent, die führenden Organisationen erreichen jedoch 83,6 Prozent. Auch die Dauer des Zahlungsverzugs weicht deutlich ab: Bei den Besten liegt sie bei nur acht Tagen, das Mittel indes liegt bei knapp 30 Tagen. Ebenfalls starke Differenzen zwischen Durchschnitt und Best in Class gibt es bei der Forderungsumschlagsquote (eingezogene Forderungen in einem bestimmten Zeitraum): das Verhältnis liegt bei 15 zu 57. Ein weiterer KPI ist die Debitorendurchlaufzeit. Unternehmen brauchen im Mittel 53 Tage, die Besten aber nur 24 Tage.
Debitorenteams sehen ebenfalls starre Systeme und Technologien als Kernproblem
(42 Prozent), gefolgt von fragmentierten Datenlandschaften (40,4) und fehlerhaften sowie ineffizienten Prozessen (40 Prozent). Der Studie zufolge haben unter den Betrieben mit weniger als 10.000 Mitarbeitern sogar zwei Drittel Probleme mit unflexiblen Systemen.
Ähnlich wie in der Kreditorenbuchhaltung setzen auch die Debitorenteams oft auf die falschen KPIs. Im Bereich Forderungen werden Rechnungen nach Verweildauer und Betrag priorisiert, statt nach Zahlungswahrscheinlichkeit (71,3 Prozent gehen noch immer so vor). Laut Studie müssten Debitorenteams Forderungen priorisieren, die mit höchster Wahrscheinlichkeit bezahlt werden. Nicht einziehbaren Forderungen hinterherzujagen ist schlecht genutzte Zeit.
Geschäftsführungen vernachlässigen Einkauf
Auch mit dem Beschaffungswesen oder Einkauf beschäftigt sich die Untersuchung. Dieser Unternehmensbereich hat die Aufgabe, eine kontinuierliche Versorgung mit wichtigen Materialien und Zulieferteilen sicherzustellen, das Lieferantenportfolio zu optimieren und auf diesem Wege auch Innovationen ins Unternehmen zu holen. Einkäufer müssen Waren und Dienstleistungen zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und zum richtigen Preis bereitstellen, was in Zeiten globaler Unsicherheit herausfordernd ist. Außerdem müssen sie einen belast
baren und zuverlässigen Lieferanten-Pool aufbauen – besonders wichtig in Krisenzeiten.
Eine wichtige Kennzahl für den Einkauf ist die Lieferzuverlässigkeit der Lieferanten: Ein durchschnittliches Unternehmen erhält seine Ware nur in 54 Prozent aller Fälle fristgerecht, ein sehr gutes aber in 83 Prozent. Ein weiterer KPI ist die Kenngröße „Spend Under Management“(SUM), die den Anteil des Einkaufs an den gesamten Unternehmensausgaben misst.
Diese Kennzahl muss groß sein, ansonsten kann das heißen, dass die Firma Kostensenkungschancen verpasst, unkoordinierte Einzelbeschaffungen tätigt oder schlicht keinen definierten Procurement-Prozess verfolgt. In einem durchschnittlichen Unternehmen gehen 47 Prozent der Ausgaben auf den Einkauf zurück, in einem Best-in-Class-Betrieb sind es 75 Prozent. Der dritte KPI im Einkauf sind die Bearbeitungskosten je Bestellvorgang. Im Durchschnitt liegen sie bei 12,34 Euro je Order. Die besten Unternehmen aber haben es geschafft, diesen Wert auf 1,11 Euro zu senken.
Warum fällt es Einkäufern schwer, ihre Ziele zu erreichen? Die meisten beklagen sich über eine mangelnde Unterstützung seitens der Geschäftsführungen (41,1 Prozent), eine fragmentierte Datenlandschaft (40,7 Prozent) sowie über fehlerhafte und ineffiziente Prozesse (39,3 Prozent).
Friktionen im Auftragsmanagement
Last, but not least haben sich die Marktforscher mit dem Auftragsmanagement beschäftigt. In der Abwicklung gibt es viele Hürden, sie reichen von Preis- und Mengenänderungen über
Bonitätsprüfungen bis hin zu Liefersperren und sorgen dafür, dass oft nicht pünktlich geliefert werden kann. Viele Unternehmen möchten diese Schritte automatisieren oder beschleunigen und dabei vermeiden, andere Ziele, zum Beispiel den pünktlichen Rechnungseingang, zu gefährden.
Ein weiteres Ziel ist, die Kosten pro Auftrag zu senken, was in der Regel durch die Automatisierung bestimmter Prozesselemente erreicht werden soll. Manche Unternehmen gehen sogar in Richtung „perfekte Bestellabwicklung“, was einen hohen Grad an Automatisierung voraussetzt. Erschwerend hinzu kommen die hohen Kundenerwartungen, da Amazon, Zalando und Co. im B2C-Segment zeigen, wie es geht. Deren Lieferungen kommen in der Regel zuverlässig und mit genauer Vorhersage. Das wird nun auch in der B2B-Auftragsabwicklung erwartet.
Eine wichtige Kennzahl beim Auftragsmanagement ist die Liefertreue. Laut Umfrage liefert ein durchschnittliches Unternehmen in 42,8 Prozent der Fälle pünktlich, während die TopPerformer eine Quote von 91 Prozent erreichen. Abweichungen gibt es auch in der Kundenzufriedenheit (69 gegenüber 90 Prozent) und in den Kosten pro Bestellvorgang (24,12 versus 8,18 Euro).
Mit welchen Problemen kämpfen die Nachzügler? 45,5 Prozent beklagen einen Mangel an flexiblen Logistiknetzwerken, 41,5 Prozent die fehlende Transparenz in den Geschäftsabläufen, und 40,9 Prozent fühlen sich zu schlecht über die Lieferantenleistung informiert. Die Unternehmen setzen durchaus Automatisierungstechnologien ein, können damit aber laut Studie kaum die Komplexität und Starrheit ihrer vorhandenen Systemlandschaften überwinden. Die durchschnittliche Anzahl manueller Schritte pro Bestellung liegt bei 25! Da jeder dieser Schritte durchschnittlich 60 Minuten erfordert, gibt es hier jede Menge Spielraum für Verbesserungen.