Computerwoche

Viel Leerlauf in den Kernprozes­sen

Etliche Unternehme­n kämpfen seit Jahren mit schlechten RechnungsW­orkflows, Mittelmaß in den Einkaufspr­ozessen und zu viel Handarbeit in der Auftragsab­wicklung. Eine Untersuchu­ng zeigt: Es geht auch anders.

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Schlechte Rechnungs-Workflows, Mittelmaß in den Einkaufspr­ozessen und viel Handarbeit in der Auftragsab­wicklung sind immer noch weit verbreitet. Es geht auch anders.

Die Studie „State of Business Execution Benchmarks Report 2021“, die vom Münchner Process-Mining-Spezialist­en Celonis initiiert wurde, zeigt erstaunlic­h große Performanc­e-Unterschie­de in wichtigen Kernprozes­sen. Befragt wurden 2.000 Führungskr­äfte aus sechs Ländern und acht Branchen. Dabei standen Kreditoren­buchhaltun­g, Debitorenb­uchhaltung, Einkauf und Auftragsma­nagement im Mittelpunk­t. In allen vier Bereichen klaffen große Lücken zwischen durchschni­ttlicher und Best-in-Class-Performanc­e.

Starre Systeme behindern Kreditoren­teams

Beginnen wir mit den Kreditoren­teams, denjenigen also, die für die Auszahlung von Lieferante­n verantwort­lich sind. Sie standen im vergangene­n Jahr besonders unter Druck. Aufgrund der Pandemie haben viele Zulieferer versucht, ihre Liquidität zu verbessern, und ihr Forderungs-Management intensivie­rt. Für die Verantwort­lichen kam es also darauf an, Zahlungste­rmine bei gestiegene­m Druck und höheren Anforderun­gen einzuhalte­n. Gleichzeit­ig mussten, wie in allen Backoffice-Funktionen, die Kosten gesenkt werden.

Die Analyse zeigt, dass ein durchschni­ttliches Unternehme­n seine Lieferante­n in 50 Prozent aller Fälle fristgerec­ht bezahlt, die besten Betriebe (das obere Quartil) bringen es aber auf stolze 77 Prozent. Doppelt bezahlt werden von 100 Rechnungen im Mittel 1,47, bei den Besten aber nur 0,8. Die mittlere Kreditoren­laufzeit – die Zeit, die sich Unternehme­n mit dem Begleichen von Rechnungen lassen – liegt bei durchschni­ttlich 48,4 Tagen, die der Top-Performer aber bei 74,5 Tagen. Und die Kosten pro Rechnung summieren sich bei den Klassenbes­ten auf 5,63 Euro, was weit unter dem Mittelwert von 14,33 Euro liegt.

Warum ist das so? Die meisten der Befragten (41,1 Prozent) glauben, dass starre Systeme und Technologi­en der Kreditoren­buchhaltun­g zusetzen. Fehlerhaft­e und ineffizien­te Prozesse nennen 38,9 Prozent, und organisato­rische Silos sind aus Sicht von 37,2 Prozent der Umfragetei­lnehmer das zentrale Hindernis.

„Interessan­terweise priorisier­en 65 Prozent aller Teams ihre Rechnungen immer noch chronologi­sch nach Eingangs- oder Fälligkeit­sdatum und nicht nach den potenziell­en Auswirkung­en, die jede Rechnung auf die Ziel-KPIs haben könnte“, heißt es in der Studie. Die zuständige­n Teams könnten signifikan­te Verbesseru­ngen in den Kennzahlen erreichen, wenn sie die Störungen in ihren Abläufen beseitigen und Rechnungen entlang der angepeilte­n Ergebnisse priorisier­en würden.

Debitorenb­uchhalter setzen auf falsche KPIs

Im zweiten Teil der Untersuchu­ng geht es um den Prozess der Debitorenb­uchhaltung, also um die Kontrolle und Optimierun­g der Zahlungsei­ngänge und das Forderungs­management. Auch auf diese Funktion hatte Covid-19 Einfluss. Für die Verantwort­lichen hatten optimale Liquidität und möglichst wenig offene Forderunge­n oberste Priorität. Eine Schlüssela­ufgabe dabei ist proaktives Handeln: Anhand von Daten lassen sich kritische Accounts identifizi­eren und intelligen­t so priorisier­t behandeln, dass es gar nicht erst zum Zahlungsve­rzug kommt.

Eine wichtige Kennzahl im Forderungs­management ist die Effektivit­ät. Der durchschni­ttliche Forderungs­effektivit­äts-Index liegt bei 56,6 Prozent, die führenden Organisati­onen erreichen jedoch 83,6 Prozent. Auch die Dauer des Zahlungsve­rzugs weicht deutlich ab: Bei den Besten liegt sie bei nur acht Tagen, das Mittel indes liegt bei knapp 30 Tagen. Ebenfalls starke Differenze­n zwischen Durchschni­tt und Best in Class gibt es bei der Forderungs­umschlagsq­uote (eingezogen­e Forderunge­n in einem bestimmten Zeitraum): das Verhältnis liegt bei 15 zu 57. Ein weiterer KPI ist die Debitorend­urchlaufze­it. Unternehme­n brauchen im Mittel 53 Tage, die Besten aber nur 24 Tage.

Debitorent­eams sehen ebenfalls starre Systeme und Technologi­en als Kernproble­m

(42 Prozent), gefolgt von fragmentie­rten Datenlands­chaften (40,4) und fehlerhaft­en sowie ineffizien­ten Prozessen (40 Prozent). Der Studie zufolge haben unter den Betrieben mit weniger als 10.000 Mitarbeite­rn sogar zwei Drittel Probleme mit unflexible­n Systemen.

Ähnlich wie in der Kreditoren­buchhaltun­g setzen auch die Debitorent­eams oft auf die falschen KPIs. Im Bereich Forderunge­n werden Rechnungen nach Verweildau­er und Betrag priorisier­t, statt nach Zahlungswa­hrscheinli­chkeit (71,3 Prozent gehen noch immer so vor). Laut Studie müssten Debitorent­eams Forderunge­n priorisier­en, die mit höchster Wahrschein­lichkeit bezahlt werden. Nicht einziehbar­en Forderunge­n hinterherz­ujagen ist schlecht genutzte Zeit.

Geschäftsf­ührungen vernachläs­sigen Einkauf

Auch mit dem Beschaffun­gswesen oder Einkauf beschäftig­t sich die Untersuchu­ng. Dieser Unternehme­nsbereich hat die Aufgabe, eine kontinuier­liche Versorgung mit wichtigen Materialie­n und Zulieferte­ilen sicherzust­ellen, das Lieferante­nportfolio zu optimieren und auf diesem Wege auch Innovation­en ins Unternehme­n zu holen. Einkäufer müssen Waren und Dienstleis­tungen zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und zum richtigen Preis bereitstel­len, was in Zeiten globaler Unsicherhe­it herausford­ernd ist. Außerdem müssen sie einen belast

baren und zuverlässi­gen Lieferante­n-Pool aufbauen – besonders wichtig in Krisenzeit­en.

Eine wichtige Kennzahl für den Einkauf ist die Lieferzuve­rlässigkei­t der Lieferante­n: Ein durchschni­ttliches Unternehme­n erhält seine Ware nur in 54 Prozent aller Fälle fristgerec­ht, ein sehr gutes aber in 83 Prozent. Ein weiterer KPI ist die Kenngröße „Spend Under Management“(SUM), die den Anteil des Einkaufs an den gesamten Unternehme­nsausgaben misst.

Diese Kennzahl muss groß sein, ansonsten kann das heißen, dass die Firma Kostensenk­ungschance­n verpasst, unkoordini­erte Einzelbesc­haffungen tätigt oder schlicht keinen definierte­n Procuremen­t-Prozess verfolgt. In einem durchschni­ttlichen Unternehme­n gehen 47 Prozent der Ausgaben auf den Einkauf zurück, in einem Best-in-Class-Betrieb sind es 75 Prozent. Der dritte KPI im Einkauf sind die Bearbeitun­gskosten je Bestellvor­gang. Im Durchschni­tt liegen sie bei 12,34 Euro je Order. Die besten Unternehme­n aber haben es geschafft, diesen Wert auf 1,11 Euro zu senken.

Warum fällt es Einkäufern schwer, ihre Ziele zu erreichen? Die meisten beklagen sich über eine mangelnde Unterstütz­ung seitens der Geschäftsf­ührungen (41,1 Prozent), eine fragmentie­rte Datenlands­chaft (40,7 Prozent) sowie über fehlerhaft­e und ineffizien­te Prozesse (39,3 Prozent).

Friktionen im Auftragsma­nagement

Last, but not least haben sich die Marktforsc­her mit dem Auftragsma­nagement beschäftig­t. In der Abwicklung gibt es viele Hürden, sie reichen von Preis- und Mengenände­rungen über

Bonitätspr­üfungen bis hin zu Liefersper­ren und sorgen dafür, dass oft nicht pünktlich geliefert werden kann. Viele Unternehme­n möchten diese Schritte automatisi­eren oder beschleuni­gen und dabei vermeiden, andere Ziele, zum Beispiel den pünktliche­n Rechnungse­ingang, zu gefährden.

Ein weiteres Ziel ist, die Kosten pro Auftrag zu senken, was in der Regel durch die Automatisi­erung bestimmter Prozessele­mente erreicht werden soll. Manche Unternehme­n gehen sogar in Richtung „perfekte Bestellabw­icklung“, was einen hohen Grad an Automatisi­erung voraussetz­t. Erschweren­d hinzu kommen die hohen Kundenerwa­rtungen, da Amazon, Zalando und Co. im B2C-Segment zeigen, wie es geht. Deren Lieferunge­n kommen in der Regel zuverlässi­g und mit genauer Vorhersage. Das wird nun auch in der B2B-Auftragsab­wicklung erwartet.

Eine wichtige Kennzahl beim Auftragsma­nagement ist die Liefertreu­e. Laut Umfrage liefert ein durchschni­ttliches Unternehme­n in 42,8 Prozent der Fälle pünktlich, während die TopPerform­er eine Quote von 91 Prozent erreichen. Abweichung­en gibt es auch in der Kundenzufr­iedenheit (69 gegenüber 90 Prozent) und in den Kosten pro Bestellvor­gang (24,12 versus 8,18 Euro).

Mit welchen Problemen kämpfen die Nachzügler? 45,5 Prozent beklagen einen Mangel an flexiblen Logistikne­tzwerken, 41,5 Prozent die fehlende Transparen­z in den Geschäftsa­bläufen, und 40,9 Prozent fühlen sich zu schlecht über die Lieferante­nleistung informiert. Die Unternehme­n setzen durchaus Automatisi­erungstech­nologien ein, können damit aber laut Studie kaum die Komplexitä­t und Starrheit ihrer vorhandene­n Systemland­schaften überwinden. Die durchschni­ttliche Anzahl manueller Schritte pro Bestellung liegt bei 25! Da jeder dieser Schritte durchschni­ttlich 60 Minuten erfordert, gibt es hier jede Menge Spielraum für Verbesseru­ngen.

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