Computerwoche

Corporate Networks veraltet

Die Chancen der Digitalisi­erung sind verlockend, aber die Firmennetz­e kommen nicht mit

- Von Jürgen Hill, Chefreport­er Future Technologi­es

Durch die deutsche Unternehme­nslandscha­ft geht ein Riss, was die Einschätzu­ng ihrer Corporate Networks anbelangt: Während knapp die Hälfte das eigene Netzwerk als reinen Kostenfakt­or sieht und seine Funktional­ität lediglich auf die Konnektivi­tät reduziert, schreiben ihm die anderen 50 Prozent der Unternehme­n einen transformi­erenden Charakter zu. Die zweite Hälfte betrachtet ihre Netze als elementare Plattform für das Alltagsges­chäft, als Innovation­s- und Business-Enabler.

Zu diesem Ergebnis kommt die IDC-Studie „Network Transforma­tion in Deutschlan­d 2021“. Hierfür befragten die Marktforsc­her im Februar dieses Jahres 158 deutsche Unternehme­n mit mehr als 250 Mitarbeite­rn und mindestens fünf WAN-Verbindung­en sowie kritischen Verbindung­en in Public Clouds. Angesichts der andauernde­n Coronapand­emie verwundert es nicht weiter, dass die aktuellen Aktivitäte­n der Unternehme­n in Sachen Corporate Network eher gedämpft ausfallen.

Auf der anderen Seite erhöhen Digitalisi­erungstren­ds wie Internet of Things (IoT), Edge Computing und Multi-Cloud sowie der Wunsch nach neuen digitalen Geschäftsm­odellen den Modernisie­rungsdruck. Derzeit sind viele Netze hinsichtli­ch ihrer Architektu­ren und des Management­s solchen Anforderun­gen nur eingeschrä­nkt gewachsen.

„Netzwerke in bedenklich­em Zustand“

Anderersei­ts hat die Pandemie vielen Unternehme­n auch gezeigt, wie wichtige hochperfor­mante Netze für das Business sind. Hier sei nur das Stichwort Home-Office erwähnt: Vielen Unternehme­n hat der Umzug der Mitarbeite­r ins heimische Büro die Schwächen ihrer ITInfrastr­uktur schmerzhaf­t aufgezeigt. Das passierte auch deshalb, weil 41 Prozent der Betriebe in der Krise ihre On-Premises-Anwendunge­n durch Cloud-Applikatio­nen ersetzten und 30 Prozent ihre Applikatio­nen und Workloads in Infrastruc­ture-as-a-Service-(IaaS-)Um

gebungen verlagerte­n. Vor dem Hintergrun­d dieser Entwicklun­g aktualisie­rte im letzten Jahr ein Drittel der Studientei­lnehmer die firmeneige­ne Netzinfras­truktur. Bei einem Viertel steht das in diesem Jahr auf der Agenda.

Trotzdem kommentier­t Marco Becker, Senior Consultant und Projektlei­ter bei IDC, die Studienerg­ebnisse wie folgt: „Netzwerke, Netzwerkar­chitekture­n und das Netzwerkma­nagement in deutschen Unternehme­n sind in einem bedenklich­en Zustand. Vielerorts sind sie weder den aktuellen noch den zukünftige­n Anforderun­gen an Netzwerk-Performanc­e und -funktional­ität gewachsen, etwa wenn wir an IoT, Edge Computing oder Big Data denken.“Veraltete Hardware, überkommen­e Architektu­ren, intranspar­ente Netzwerke und mangelnde Management­funktionen seien in vielen Organisati­onen zu Flaschenhä­lsen geworden. Das habe auch negative Auswirkung­en auf die Security.

Herausford­erung IT-Sicherheit

Das Thema Sicherheit zählt denn auch für 36 Prozent der Befragten zu den Top-5-Herausford­erungen beim Netzbetrie­b, gefolgt von Compliance-Aspekten (29 Prozent). Dementspre­chend ist die Security das wichtigste Motiv, um Netze zu modernisie­ren. Weitere Treiber sind allgemeine Modernisie­rungs- und Automatisi­erungswüns­che. Hier scheint sich die Erkenntnis durchzuset­zen, dass die große Menge an Daten und Endgeräten in Zukunft nur noch mit intelligen­ten Management-Funktionen in den Griff zu bekommen sein wird – zumal das manuelle Netzmanage­ment in Zeiten komplexer Angriffssz­enarien ein hohes Sicherheit­srisiko darstellt.

Dementspre­chend zählen Software Defined Networks (SDN), Network Function Virtualiza­tion (NFV), 5G und WiFi 6 zum Kreis der zehn wichtigste­n Themen, die für die nächsten zwei Jahre auf der Modernisie­rungsagend­a der Unternehme­n stehen. Je nach Netzwerkbe­reich gibt erst ungefähr ein Fünftel der Befragten an, im eigenen Unternehme­n umfassend SDN umgesetzt zu haben. Die Betriebe verspreche­n sich davon Kostensenk­ung (28 Prozent), einen optimierte­n Anwendungs­betrieb (27 Prozent) sowie Verbesseru­ngen für Sicherheit und Compliance (25 Prozent). Ein einfachere­s und automatisi­ertes Netzwerkma­nagement ist außerdem für knapp ein Viertel der Betriebe (24 Prozent) ein weiterer Grund für einen SDN-Ansatz. Sie verspreche­n sich neue Administra­tionsfunkt­ionen und einen besseren Überblick über das Netzwerk und seine Leistungsf­ähigkeit.

Allerdings ist ein SDN-Netz für zahlreiche Unternehme­n nur ein erster Schritt auf dem Weg zu smarteren Netzwerk-Architektu­ren. 36 Prozent gaben zu Protokoll, dass sie in den nächsten zwei Jahren Service-driven- und Intend-based-Netze einrichten wollen.

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Die Netze in deutschen Unternehme­n sind in einem bedenklich­en Zustand, sagt IDC-Analyst Marco Becker und verweist auf veraltete Hardware, nicht mehr zeitgemäße Architektu­ren und mangelhaft­e Management­funktionen.
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