Corporate Networks veraltet
Die Chancen der Digitalisierung sind verlockend, aber die Firmennetze kommen nicht mit
Durch die deutsche Unternehmenslandschaft geht ein Riss, was die Einschätzung ihrer Corporate Networks anbelangt: Während knapp die Hälfte das eigene Netzwerk als reinen Kostenfaktor sieht und seine Funktionalität lediglich auf die Konnektivität reduziert, schreiben ihm die anderen 50 Prozent der Unternehmen einen transformierenden Charakter zu. Die zweite Hälfte betrachtet ihre Netze als elementare Plattform für das Alltagsgeschäft, als Innovations- und Business-Enabler.
Zu diesem Ergebnis kommt die IDC-Studie „Network Transformation in Deutschland 2021“. Hierfür befragten die Marktforscher im Februar dieses Jahres 158 deutsche Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und mindestens fünf WAN-Verbindungen sowie kritischen Verbindungen in Public Clouds. Angesichts der andauernden Coronapandemie verwundert es nicht weiter, dass die aktuellen Aktivitäten der Unternehmen in Sachen Corporate Network eher gedämpft ausfallen.
Auf der anderen Seite erhöhen Digitalisierungstrends wie Internet of Things (IoT), Edge Computing und Multi-Cloud sowie der Wunsch nach neuen digitalen Geschäftsmodellen den Modernisierungsdruck. Derzeit sind viele Netze hinsichtlich ihrer Architekturen und des Managements solchen Anforderungen nur eingeschränkt gewachsen.
„Netzwerke in bedenklichem Zustand“
Andererseits hat die Pandemie vielen Unternehmen auch gezeigt, wie wichtige hochperformante Netze für das Business sind. Hier sei nur das Stichwort Home-Office erwähnt: Vielen Unternehmen hat der Umzug der Mitarbeiter ins heimische Büro die Schwächen ihrer ITInfrastruktur schmerzhaft aufgezeigt. Das passierte auch deshalb, weil 41 Prozent der Betriebe in der Krise ihre On-Premises-Anwendungen durch Cloud-Applikationen ersetzten und 30 Prozent ihre Applikationen und Workloads in Infrastructure-as-a-Service-(IaaS-)Um
gebungen verlagerten. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung aktualisierte im letzten Jahr ein Drittel der Studienteilnehmer die firmeneigene Netzinfrastruktur. Bei einem Viertel steht das in diesem Jahr auf der Agenda.
Trotzdem kommentiert Marco Becker, Senior Consultant und Projektleiter bei IDC, die Studienergebnisse wie folgt: „Netzwerke, Netzwerkarchitekturen und das Netzwerkmanagement in deutschen Unternehmen sind in einem bedenklichen Zustand. Vielerorts sind sie weder den aktuellen noch den zukünftigen Anforderungen an Netzwerk-Performance und -funktionalität gewachsen, etwa wenn wir an IoT, Edge Computing oder Big Data denken.“Veraltete Hardware, überkommene Architekturen, intransparente Netzwerke und mangelnde Managementfunktionen seien in vielen Organisationen zu Flaschenhälsen geworden. Das habe auch negative Auswirkungen auf die Security.
Herausforderung IT-Sicherheit
Das Thema Sicherheit zählt denn auch für 36 Prozent der Befragten zu den Top-5-Herausforderungen beim Netzbetrieb, gefolgt von Compliance-Aspekten (29 Prozent). Dementsprechend ist die Security das wichtigste Motiv, um Netze zu modernisieren. Weitere Treiber sind allgemeine Modernisierungs- und Automatisierungswünsche. Hier scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass die große Menge an Daten und Endgeräten in Zukunft nur noch mit intelligenten Management-Funktionen in den Griff zu bekommen sein wird – zumal das manuelle Netzmanagement in Zeiten komplexer Angriffsszenarien ein hohes Sicherheitsrisiko darstellt.
Dementsprechend zählen Software Defined Networks (SDN), Network Function Virtualization (NFV), 5G und WiFi 6 zum Kreis der zehn wichtigsten Themen, die für die nächsten zwei Jahre auf der Modernisierungsagenda der Unternehmen stehen. Je nach Netzwerkbereich gibt erst ungefähr ein Fünftel der Befragten an, im eigenen Unternehmen umfassend SDN umgesetzt zu haben. Die Betriebe versprechen sich davon Kostensenkung (28 Prozent), einen optimierten Anwendungsbetrieb (27 Prozent) sowie Verbesserungen für Sicherheit und Compliance (25 Prozent). Ein einfacheres und automatisiertes Netzwerkmanagement ist außerdem für knapp ein Viertel der Betriebe (24 Prozent) ein weiterer Grund für einen SDN-Ansatz. Sie versprechen sich neue Administrationsfunktionen und einen besseren Überblick über das Netzwerk und seine Leistungsfähigkeit.
Allerdings ist ein SDN-Netz für zahlreiche Unternehmen nur ein erster Schritt auf dem Weg zu smarteren Netzwerk-Architekturen. 36 Prozent gaben zu Protokoll, dass sie in den nächsten zwei Jahren Service-driven- und Intend-based-Netze einrichten wollen.