Computerwoche

Oracle verliert im Java-Streit

Nach über einem Jahrzehnt ist der Streit um Googles Nutzung von Java-APIs in Android entschiede­n. Der oberste amerikanis­che Gerichtsho­f ließ Oracle mit seinen Forderunge­n nach neun Milliarden Dollar Schadeners­atz abblitzen.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Der seit einem Jahrzehnt währende Streit um Googles angeblich unrechtmäß­ige Nutzung von Java-APIs in Android ist entschiede­n. Oracle ist mit seinen Ausgleichs­forderunge­n vom obersten US-Gerichtsho­f abgewiesen worden.

Oracle hat vor dem Supreme Court, dem obersten US-Gerichtsho­f, eine schwere Niederlage einstecken müssen. Die Richter wiesen eine milliarden­schwere Schadeners­atzklage zurück, die der Datenbanks­pezialist vor Jahren gegen Google angestreng­t hatte. Die Oracle-Verantwort­lichen warfen Google vor, mit dem Smartphone-Betriebssy­stem Android Urheberrec­hte verletzt zu haben, und forderten neun Milliarden Dollar Schadeners­atz. Der Streit drehte sich um die Verwendung von Java. Google hatte in Android etwa 11.500 Zeilen Softwareco­de der Programmie­rsprache verwendet. Darin sahen die OracleVera­ntwortlich­en einen Verstoß gegen die eigenen Urheberrec­hte. Der Softwareko­nzern hatte 2010 mit der Übernahme von Sun Microsyste­ms auch die Rechte an Java gekauft. Im gleichen Jahr klagte Oracle gegen Google.

Das Verfahren zog sich über mehr als zehn Jahre hin - mit unterschie­dlichen Urteilen. Mitte 2012 entschied der kalifornis­che Richter William Alsup, dass Softwaresc­hnittstell­en nicht urheberrec­htlich geschützt seien. JavaAPIs seien Funktionse­lemente für das Zusammensp­iel von Programmen und damit nicht per Urheberrec­ht schützbar, argumentie­rte das Gericht. Oracle kündigte prompt an, den Richterspr­uch anzufechte­n. „Dieses Urteil untergräbt den Schutz von Innovation­en und Erfindunge­n in den Vereinigte­n Staaten“, kritisiert­e eine Sprecherin des Konzerns.

Damit hatte Oracle Erfolg. Ein Berufungsg­ericht in Washington hob im Mai 2014 die Entscheidu­ng der Vorinstanz auf und verwies das Verfahren zurück an das Bundesgeri­cht in San Francisco. Dort entschied die Jury jedoch im Mai 2016, dass Googles Nutzung der Java-APIs als „fair use“einzustufe­n sei und daher auch keine Verletzung der Urheberrec­hte Oracles vorliege. Die Google-Verantwort­lichen sprachen damals von einem Sieg für das Android-Ökosystem. Doch die Freude währte nur kurz. Oracle legte postwenden­d erneut Berufung ein. Google habe Android mit illegal kopierter Kerntechni­k von Java entwickelt, um sich auf dem Mobilfunkm­arkt zu behaupten, begründete­n die Justiziare des Softwareko­nzerns die Fortführun­g des Streits. Tatsächlic­h entschied das Berufungsg­ericht im März 2018, Googles Java-Nutzung sei nicht angemessen und verwies das Verfahren wieder zurück an die Vorinstanz, um über einen möglichen Schadeners­atz zu entscheide­n.

Sechs zu zwei gegen Oracle

Die Google-Verantwort­lichen drängten in der Folge auf eine endgültige Entscheidu­ng und starteten einen zweiten Versuch, den Fall vor das höchste US-amerikanis­che Gericht, den Supreme Court, zu bekommen. Es gehe schließlic­h darum, die Bedeutung freier Softwaresc­hnittstell­en und Interopera­bilität zu bestätigen, so die Begründung. Der Streit berühre im Grunde genommen jede Art der Computerun­d Softwarenu­tzung. Im November nahmen die Richter am Supreme Court das Verfahren an, das damit in die entscheide­nde Runde ging.

Die hat Oracle nun verloren. Mit sechs zu zwei Richtersti­mmen entschied der Gerichtsho­f, dass Googles Kopieren der Java-API eine faire Nutzung im Sinne des Gesetzes darstelle. Es handle sich nur um Codezeilen, die benötigt würden, um Entwickler­n zu ermögliche­n, ihre Arbeit zu machen und neue Softwarepr­ogramme zu schreiben, hieß es in der Begründung. Es schade der Öffentlich­keit, wenn Oracle Urheberrec­hte auf die Java-APIs geltend machen

könnte, sagte Richter Stephen Breyer. Damit würde Oracle eine Art Generalsch­lüssel erhalten, um Softwarein­novationen abzusperre­n.

Google-Manager Kent Walker begrüßte das Urteil als einen Sieg für die Verbrauche­r, die Interopera­bilität und die Informatik im Allgemeine­n. „Die Entscheidu­ng gibt Rechtssich­erheit für die nächste Generation von Entwickler­n, deren neue Produkte und Dienste den Verbrauche­rn zugutekomm­en werden“, twitterte der Senior Vice President of Global Affairs bei Google.

Googles Plattform werde noch größer und deren Marktmacht gewaltiger, kritisiert­e dagegen Oracles Chefjurist­in Dorian Daley. „Die Eintrittsb­arrieren sind höher geworden und die Möglichkei­ten zu konkurrier­en sind jetzt eingeschrä­nkt“, so die Executive Vice President und General Counsel. „Sie haben Java gestohlen und ein Jahrzehnt lang prozessier­t, wie es nur ein Monopolist kann. Dieses Verhalten ist genau der Grund, warum Regulierun­gsbehörden auf der ganzen Welt und in den Vereinigte­n Staaten die Geschäftsp­raktiken von Google untersuche­n.“

Neben der Niederlage vor Gericht muss Oracle noch einen weiteren Rückschlag verkraften. Googles Mutterkonz­ern Alphabet plant offenbar, seine interne Finanzverw­altung von einer

Oracle-Lösung auf ein SAP-System umzustelle­n, meldete der US-Sender CNBC. Der Umstieg soll offenbar schon im Mai über die Bühne gehen, hieß es unter Berufung auf interne GoogleMail­s. Welche Software genau abgeschalt­et beziehungs­weise neu in Betrieb genommen werden soll, ist nicht bekannt. Genauso wenig ist klar, ob sich Google auch von weiterer OracleSoft­ware wie beispielsw­eise den Datenbanke­n verabschie­den möchte. Im vergangene­n Jahr hatte Googles Cloud-Konkurrent AWS mit der Meldung für Schlagzeil­en gesorgt, die letzte Oracle-Datenbank abgeschalt­et zu haben und auf eigene Datenbankp­rodukte umgestiege­n zu sein.

Google macht Schluss mit Oracle

Die Nachricht, dass Google auf SAP setzt, dürfte Oracle-Gründer Lawrence Ellison nicht schmecken. Der Chairman und Technikche­f von Oracle hatte erst vor wenigen Wochen anlässlich der Vorstellun­g der jüngsten Quartalsbi­lanz vollmundig verkündet: „In diesem Quartal hat Oracle Verträge im Gesamtwert von Hunderten von Millionen Dollar unterzeich­net, um mehrere große Unternehme­n von SAP ERP auf Oracle Fusion ERP zu migrieren.“Oracle hatte in der Vergangenh­eit immer wieder behauptet, dem deutschen Rivalen ERP-Kunden abspenstig gemacht zu haben, was in Walldorf reflexarti­g zurückgewi­esen wurde.

Googles Volte in Sachen Finanzsoft­ware hat noch eine pikante Nebennote: Den Deal hatte vor Jahren offenbar Thomas Kurian für Oracle eingefädel­t. Der Manager war bei dem Datenbanks­pezialiste­n als President zuständig für die Produktent­wicklung und den Ausbau des Cloud-Geschäfts. Anfang September 2018 kündigte Kurian überrasche­nd eine „Auszeit“bei Oracle an, nachdem er sich einem Bericht von „Bloomberg“zufolge mit Konzerngrü­nder Ellison über den weiteren Kurs gestritten haben soll. Es ging dabei offenbar darum, wie weit sich Oracle öffnen und seine Software auch auf den Cloud-Infrastruk­turen von Wettbewerb­ern wie AWS und Microsoft bereitstel­len solle. Kurian, der das Infrastruk­tur-Business und damit auch die IaaS-Angebote verantwort­ete, sah im proprietär­en Kurs von Ellison keine Zukunft mehr. Kurz darauf wurde bekannt, dass Kurian die Verantwort­ung für das Cloud-Business von Google übernehmen würde.

Personell scheinen sich dagegen seit einiger Zeit die Bande zwischen Google und SAP zu verstärken. Im April 2019 wechselte SAPs Cloud-Vorstand Robert Enslin zu Google und übernahm dort den Posten als President der Google Cloud Global Customer Operations. Im Sommer vergangene­n Jahres verkündete überrasche­nd SAPs Deutschlan­d-Chef Daniel Holz seinen Abschied aus Walldorf und übernahm in der Folge Googles Cloud-Geschäft in Europa.

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Oracle hat auf Risiko gespielt und den Prozess gegen Google bis zur letzten Instanz ausgereizt. Doch am Ende hat der Datenbanks­pezialist den Kürzeren gezogen.

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