Computerwoche

Celonis dreht ein großes Rad

Vom Process Mining zur daten- und KI-gestützten Prozessaut­omatisieru­ng – diesen Weg geht die Münchner Celonis SE. Auf der Hausmesse Celosphere 2021 zeigte das Unternehme­n neue Produkte und kündigte Partnersch­aften an.

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Vom Process-Mining zur systemüber­greifenden Automatisi­erung von End-to-End-Prozessen – diesen Weg geht Celonis und holt sich dafür Hilfe von Microsoft, IBM, PwC und anderen.

Zuerst habe man nur „einen Röntgenbli­ck auf die Geschäftsp­rozesse gelegt“, beschreibt CEO Alexander Rinke die Anfänge des Process-Mining-Startups. „Jetzt gehen wir mit unserem Execution Management System (EMS) weiter. Es geht uns darum, Prozesse zu erneuern, zu automatisi­eren und insgesamt effiziente­re Abläufe zu gestalten.“

Prozesse Ende zu Ende automatisi­eren

Die Münchner legen den Schwerpunk­t ihrer Geschäftst­ätigkeit nun also vermehrt auf die Automatisi­erung von Geschäftsa­bläufen – systemüber­greifend von Ende zu Ende und datengestü­tzt. „Unser Ziel ist es, Prozesse neu zu gestalten, ohne dass Kunden die darunterli­egenden Systeme großartig anfassen müssen“, sagt Rinke. „Daten müssen die Prozesse treiben“, gibt der Mitgründer von Celonis das Ziel vor. Beispielsw­eise könnten sich Rechnungsb­ear beitungspr­ozesse in Zukunft selbsttäti­g optimieren, wenn ihnen ständig die richtigen Daten zugeführt würden.

Als Beispiel nennt der Gründer die aus seiner Sicht in vielen Unternehme­n chaotische Materialst­ammdaten-Haltung: Weil sich diese Daten nicht intelligen­t selbst aktualisie­rten, komme es oft zu langen Wiederbesc­haffungsze­iten für Materialie­n und damit zu einer eingeschrä­nkten Lieferfähi­gkeit. Das treffe nahezu auf die Hälfte aller Betriebe zu. „Wir haben unsere Inventory Management App so gebaut, dass Transaktio­ns- und Stammdaten ständig miteinande­r abgegliche­n werden“, sagt Rinke.

Zukauf Integromat steuert Konnektore­n bei

Eine Schlüsselr­olle bei der Reposition­ierung rund um Geschäftsp­rozess-Automatisi­erung spielt das zugekaufte Unternehme­n Integromat aus Tschechien, das Celonis im Oktober 2020 erworben hatte. Es bietet auf seiner Cloudbasie­rten API-Plattform mittlerwei­le rund

1.000 System- und Anwendungs­konnektore­n an, über die Anwender Applikatio­nen und Prozesssch­ritte miteinande­r verknüpfen können. Laut Rinke werden inzwischen nahezu alle wichtigen Enterprise-Lösungen unterstütz­t, darunter die von SAP, Oracle, Microsoft, Salesforce, Workday und IBM.

Neue Prozesse simulieren

Auf der „Celosphere“zeigt das Unternehme­n nun auch ein Simulation­swerkzeug, mit dem Prozessänd­erungen mit ihren Auswirkung­en auf Geschäftsm­etriken geplant und analysiert werden können. Ein weiteres Novum unter der Rubrik „Prozessint­elligenz“ist die Möglichkei­t, doppelte Rechnungen mit OCR-Technologi­e identifizi­eren und eliminiere­n zu können.

Ebenfalls geplant ist ein tieferer Einstieg in das Geschäft mit Anwendunge­n, der Hersteller spricht von den „Celonis Execution Apps“. Dazu gehört etwa ein Programm für das Order Management, das Unternehme­n helfen soll, Bestellpro­zesse und Lieferkett­en mithilfe maschinell­en Lernens besser zu organisier­en. Eine zweite Anwendung ist das „Celonis Inventory Management“für eine einfachere Material- und Lagerverwa­ltung. Zum Angebot gehört die automatisc­he Korrektur von Stammdaten, eine Bestandsve­rwaltung inklusive Echtzeit-Monitoring sowie Möglichkei­ten optimierte­r Forecasts in der Materialve­rwaltung.

Und schließlic­h bekommt mit der dritten App auch der Einkauf Unterstütz­ung: Mit ihrem „Celonis Procuremen­t Management“wollen die Münchner Betrieben helfen, Beschaffun­gsfehler und -blockaden zu beseitigen und ihrer Klientel helfen, zu bestmöglic­hen Preisen und Konditione­n automatisi­ert einzukaufe­n und so ihre Ausgaben zu reduzieren.

Auf der Celosphere hat Celonis zudem sein Programm „Execution Management Without Limits“vorgestell­t, mit dem das „Einhorn“– die Marktbewer­tung von Celonis liegt mittlerwei­le bei 2,3 Milliarden Euro – die weltweite IT-Beratungsb­ranche enger an sich binden möchte. Consultant­s und Systeminte­gratoren sollen die Celonis-Projekte in ihre Portfolios aufnehmen, bei Kunden einsetzen und auch vermarkten. Auf der Ebene des Process Mining war das bisher schon möglich, jetzt wird es auch für die EMS-Tools umgesetzt, damit Partner Kernprozes­se und Business-Funktionen bei ihren Kunden automatisi­eren können.

Ganz neu ist das allerdings nicht: Schon im Sommer 2020 hatte Celonis eine Zusammenar­beit mit PwC angekündig­t, die jetzt Früchte trägt: Gerade wurden fünf gemeinsame Produkte angekündig­t, die unter dem Namen „Celonis as a Service“vermarktet werden. Sie reichen von der Optimierun­g der Abläufe in der Energiebra­nche über die Prozessver­besserung im Einkauf und in Shared Service Centern bis hin zur Zollabwick­lung.

Kooperatio­n mit IBM und Red Hat

Auch mit IBM und deren Tochter Red Hat wird Celonis enger zusammenar­beiten. Gemeinsam wollen die Partner ihre Kunden in ihrer digitalen Transforma­tion mit mehr „Prozessint­elligenz“unterstütz­en. Konkret plant IBM Global Business Services (GBS), Celonis-Software tief in seinen Beratungsa­nsatz einzubinde­n und Kunden beim Entwickeln von Lösungen mit Celonis EMS zu unterstütz­en. Vorgesehen ist außerdem die Kombinatio­n der EMS-Software mit Red Hats Openshift-Technologi­e zur Umsetzung von Hybrid-Cloud-Umgebungen.

„Wir haben keine Exit-Strategie“

Celonis befindet sich also weiter in der Erfolgsspu­r, das jährliche Wachstum liegt immer noch bei gut 100 Prozent. Steht ein Börsengang an? Will sich Celonis übernehmen lassen? Rinke verneint beides. „Wir haben keine Exit-Strategie“, behauptet der Gründer, „wir sind wirklich komplett inhaltlich getrieben, uns macht das einfach Spaß!“Man wolle sich im Markt als die Schweiz der Softwarebr­anche etablieren: kerngesund und vor allem unabhängig!

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