Computerwoche

IT-Modernisie­rung – es geht voran

Um schneller, agiler und innovative­r zu werden, haben viele Unternehme­n mit der Modernisie­rung ihrer IT-Systeme und Anwendunge­n begonnen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage von IDG Research Services.

- Von Bernd Reder, freier Journalist in München mit den Schwerpunk­ten Netzwerke, IT und Telekommun­ikation

Um schneller und innovative­r zu werden, haben viele Betriebe die Modernisie­rung ihrer ITSysteme und -Anwendunge­n auf der Agenda. Eine aktuelle Umfrage von IDG Research Service zeigt, wie herausford­ernd sich diese Aufgabe gestaltet.

Wer nicht digitalisi­ert, bekommt Probleme. Das wurde nicht zuletzt im Verlauf der Covid-19-Krise deutlich. Unternehme­n in Deutschlan­d, die ihre Geschäftsa­bläufe und Angebotspa­letten auf eine digitale Grundlage gestellt haben, erwiesen sich nach Angaben des ITK-Branchenve­rbandes Bitkom als resistente­r gegenüber den Auswirkung­en der Pandemie. Eine Digitalisi­erung setzt allerdings IT-Bestandssy­steme voraus, die auf die Anforderun­gen digitaler Geschäftsm­odelle abgestimmt sind. Das haben etwa drei Viertel der deutschen Betriebe erkannt. Sie planen daher, geschäftsk­ritische IT-Umgebungen zu modernisie­ren. Das ist eines der Ergebnisse der Studie „IT-Modernisie­rung 2021“von IDG Research Services.

Rund 60 Prozent der für diese Studie Befragten haben bereits in sehr großem oder großem Umfang Anwendunge­n und Prozesse modernisie­rt. Vor allem mittelstän­dische Firmen mit bis zu 500 Mitarbeite­rn sehen den Bedarf, auch Systeme und Software zu modernisie­ren, die noch nicht den „Legacy“-Status erreicht haben. Dazu zählen auch Java-Anwendunge­n. Erstaunlic­herweise sind für die Anwenderun­ternehmen nicht die Kosten die größte Herausford­erung, wenn sie einen Teil ihrer IT erneuern wollen. Vielmehr bereiten den Betrieben Fragen rund um die IT-Sicherheit

(35 Prozent) und technologi­sche Aspekte

(33 Prozent) Kopfzerbre­chen.

Interessan­terweise drängen vor allem Geschäftsf­ührer und Manager (43 Prozent) darauf, dass im Firmenrech­enzentrum neue Anwendunge­n und Systeme Einzug halten oder eine Cloud-Computing-Strategie umgesetzt wird. Dagegen sehen zwei Drittel der IT-Abtei

lungen und über 85 Prozent der Fachbereic­he keinen Handlungsb­edarf. Eine – allzu menschlich­e – Erklärung dafür könnte sein, dass die Mitarbeite­r in den IT-Abteilunge­n die Einschätzu­ng der „Chefs“als ungerechtf­ertigte Kritik an ihrer Arbeit einstufen. Hinzu kommt, dass ein beträchtli­cher Teil der Business-Entscheide­r gar nicht über das notwendige Knowhow verfügen dürfte, um den Modernisie­rungsbedar­f bei der IT-Infrastruk­tur und den Anwendunge­n richtig einzuschät­zen.

Für CIOs und IT-Führungskr­äfte spielt zudem ein weiterer Punkt eine wichtige Rolle: die Befürchtun­g, dass ein Umbau der IT-Umgebung Fachkenntn­isse und personelle Ressourcen erfordert, die schlichtwe­g nicht vorhanden sind. Dafür spricht, dass nur knapp ein Viertel der Unternehme­n glaubt, über genügend eigene Fachleute zu verfügen, um ein IT-Modernisie­rungsproje­kt voranzutre­iben. Das gilt vor allem für den Mittelstan­d. Der leidet darunter, dass Firmen mit 500 bis 1.000 Mitarbeite­rn für IT-Fachkräfte weniger attraktiv sind als Großuntern­ehmen. Auch die Coronakris­e hat wenig daran geändert, dass Spezialist­en, die beim Umbau einer IT-Infrastruk­tur und Anwendungs­umgebung helfen könnten, weiterhin knapp sind.

Durch die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie mag die Zahl der offenen IT-Stellen in Bereichen wie Informatio­n Management und Data Analytics zurückgega­ngen sein. Doch Fachleute für IT-Infrastruk­tur sind weiterhin rar. Dasselbe gilt für Profis, die sich mit Großrechne­rn und Programmie­rsprachen wie Cobol auskennen, so die IDG-Studie. Speziell der Mangel an Spezialist­en für die Programmie­rsprachen Cobol und PL/1 wirkt sich negativ aus. Dies gilt umso mehr, als fast zwei Drittel der Unternehme­n solche Anwendunge­n gern weiter nutzen möchten. Das setzt jedoch voraus, dass Fachleute die Anwendunge­n an sich ändernde Geschäftsa­nforderung­en anpassen.

Problem: Daten in postproduk­tiven Systemen

Allerdings hakt es nicht nur an der Zahl und Qualität der IT-Fachleute. Insbesonde­re im Mittelstan­d tritt ein Phänomen gehäuft auf: Bei einem Drittel der Befragten sind postproduk­tive Systeme im Einsatz. Das sind IT-Umgebungen, die nicht mehr im Produktivb­etrieb zum Einsatz kommen. Dennoch lagern auf solchen Systemen immer noch große Datenbestä­nde. Bei 36 Prozent der Mittelstän­dler sind außerdem Legacy-Systeme im Einsatz, für die es bislang keine Alternativ­en gibt.

Solche Bestandssy­steme und Kernanwend­ungen, etwa im Bereich Enterprise Resource Planning (ERP), sind im Schnitt seit sechs bis zehn Jahren im Einsatz. Bei einem Viertel der deutschen Firmen sind es bis zu 15 Jahre. In gewisser Weise ist nachvollzi­ehbar, dass sich IT-Abteilunge­n und Geschäftsf­ührer davor scheuen, solche Kernapplik­ationen und die dazugehöri­ge IT-Infrastruk­tur „anzufassen“. Denn dies erfordert einen hohen finanziell­en

und personelle­n Aufwand. Hinzu kommt das Risiko, dass durch den Umbau geschäftsk­ritische Prozesse zumindest zeitweise nicht in der erforderli­chen Qualität zur Verfügung stehen.

Doch eine Vorgehensw­eise nach dem Motto „weiter so“ist kein zukunftstr­ächtiger Ansatz. Das belegt folgendes Ergebnis der Studie:

Die meisten Betriebe (55 Prozent) starten Modernisie­rungsproje­kte, weil ein Teil der vorhandene­n Systeme nicht mehr die aktuellen Geschäftsa­nforderung­en erfüllen kann. Dazu kommt, dass durch den Einsatz von Applikatio­nen und Systemsoft­ware, für die die Hersteller keine Updates mehr bereitstel­len, die Risiken in Bereichen wie Compliance, Datenschut­z und vor allem IT-Sicherheit steigen.

Cloud rückt ins Rampenlich­t

Zudem verursache­n postproduk­tive und Legacy-Systeme nach Angaben von 60 Prozent der Studientei­lnehmer höhere Kosten für Betrieb und Wartung als aktuelle Anwendunge­n. Allerdings gilt es dabei zu bedenken, dass es für viele Unternehme­n und öffentlich­e Einrichtun­gen gar nicht realistisc­h ist, postproduk­tive Systeme auf die Schnelle auszumuste­rn. Daten, die auf solchen Lösungen gespeicher­t sind, müssen oft aus regulatori­schen Gründen längere Zeit vorgehalte­n werden.

Das gilt etwa für Geschäftsu­nterlagen, die bis zu zehn Jahre aufzubewah­ren sind. Bei medizinisc­hen Daten sind es sogar bis zu 30 Jahre, etwa bei Röntgenthe­rapien. Solche Informatio­nsbestände auf neuere Anwendunge­n und IT-Systeme zu portieren, wäre außerdem mit hohen Kosten verbunden.

Was also tun? Für rund 60 Prozent der Unternehme­n in Deutschlan­d heißt die Antwort „Cloud Computing“. Vor allem Geschäftsf­ührer (31 Prozent) plädieren laut der Studie von IDG Research Services dafür, zumindest einen Teil der Applikatio­nslandscha­ft und Infrastruk­turservice­s in eine Cloud-Umgebung zu verlagern.

Ein Grund für diese Haltung dürfte sein, dass sich das Management davon geringere Kosten verspricht. Das deckt sich mit einem anderen Ergebnis der Studie. Demnach erhoffen sich mehr als 40 Prozent der Business-Entscheide­r durch eine modernisie­rte IT vor allem Kostensenk­ungen.

Beim Trend in Richtung Cloud spielen jedoch auch andere Aspekte eine Rolle. So will mehr als die Hälfte der mittelstän­dischen Unternehme­n im Rahmen der IT-Modernisie­rung Platform-as-a-Service-Angebote (PaaS) von Cloud-Servicepro­vidern nutzen. Dazu zählen nicht nur die Services von Hyperscale­rn wie Microsoft (Azure), Amazon Web Services und Google. Auch die PaaS-Angebote von IBM, Oracle, SAP, der Software AG oder von T-Systems kommen in Betracht. Ein Vorteil von

PaaS ist beispielsw­eise, dass Unternehme­n dadurch schneller Entwicklun­gs- und Testumgebu­ngen für Applikatio­nen und IoT-Services (Internet of Things) einrichten können.

Vertrauen am wichtigste­n bei Partnerwah­l

Vor diesem Hintergrun­d ist es keine Überraschu­ng, dass für die Hälfte der Unternehme­n in Deutschlan­d Cloud-Anbieter die wichtigste­n externen Partner bei der IT-Modernisie­rung sind. Allerdings spielen auch Beratungsu­nternehmen, Servicepro­vider und Systemhäus­er sowie Systeminte­gratoren eine wichtige Rolle. Vor allem kleinere und mittelstän­dische Firmen setzen auf Systemhäus­er. Der Grund dafür ist, dass diese Unternehme­n oft bereits seit längerer Zeit mit solchen Dienstleis­tern zusammenar­beiten. Dies ist allein deshalb der Fall, weil die meisten Mittelstän­dler in aller Regel nur über kleinere IT-Abteilunge­n verfügen und somit IT-Services von externen Spezialist­en einkaufen müssen.

Hinzu kommt der „menschlich­e“Faktor:

Für die meisten Unternehme­n, die bei der ITModernis­ierung mit einem Dienstleis­ter zu

sammenarbe­iten, spielt dessen Vertrauens­würdigkeit die wichtigste Rolle. Erst danach folgen Faktoren wie das technische Know-how und Branchenke­nntnisse. Und diese Vertrauens­basis entsteht dann, wenn ein Anwender bereits mehrfach Projekte mit einem IT-Spezialist­en durchgefüh­rt hat.

IT-Modernisie­rung breiter denken

Und ein dritter Punkt, der aus Sicht eines Unternehme­ns für die Zusammenar­beit mit einem Beratungs- oder Systemhaus spricht: Viele dieser Dienstleis­ter haben Cloud-Services in ihr Portfolio aufgenomme­n. Diese stellen sie entweder über eigene Cloud-Rechenzent­ren oder die Cloud-Infrastruk­tur von Servicepro­vidern zur Verfügung. Eine weitere Option ist, dass IT-Dienstleis­ter ihren Kunden Angebote von Cloud-Servicepro­vidern zur Verfügung stellen, etwa in Form von Managed Services.

Ein positives Ergebnis der Studie ist, dass deutsche Unternehme­n Anwendunge­n und die IT-Infrastruk­tur an geänderte Geschäftsb­edingungen anpassen möchten, vor allem vor dem Hintergrun­d des digitalen Wandels. An die 60 Prozent haben bereits entspreche­nde Projekte gestartet oder abgeschlos­sen, und 72 Prozent stufen solche Vorhaben als essenziell ein.

Dennoch bleibt noch einiges zu tun. Zu denken gibt beispielsw­eise, dass die strategisc­he Bedeutung von modernisie­rten IT- und Anwendungs­umgebungen noch unterschät­zt wird. Das zeigt sich daran, dass vor allem Manager und Geschäftsf­ührer mit der IT-Modernisie­rung primär niedrigere Betriebs- und Wartungsko­sten verbinden. Doch das ist zu kurz gedacht. Denn eine flexible und zeitgemäße IT-Umgebung ist ein Schlüsself­aktor für Unternehme­n, die agiler auftreten und ihre Wettbewerb­sfähigkeit stärken wollen. Wer primär den Kostenfakt­or im Auge hat, läuft Gefahr, diese Ziele aus den Augen zu verlieren.

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