IT-Modernisierung – es geht voran
Um schneller, agiler und innovativer zu werden, haben viele Unternehmen mit der Modernisierung ihrer IT-Systeme und Anwendungen begonnen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage von IDG Research Services.
Um schneller und innovativer zu werden, haben viele Betriebe die Modernisierung ihrer ITSysteme und -Anwendungen auf der Agenda. Eine aktuelle Umfrage von IDG Research Service zeigt, wie herausfordernd sich diese Aufgabe gestaltet.
Wer nicht digitalisiert, bekommt Probleme. Das wurde nicht zuletzt im Verlauf der Covid-19-Krise deutlich. Unternehmen in Deutschland, die ihre Geschäftsabläufe und Angebotspaletten auf eine digitale Grundlage gestellt haben, erwiesen sich nach Angaben des ITK-Branchenverbandes Bitkom als resistenter gegenüber den Auswirkungen der Pandemie. Eine Digitalisierung setzt allerdings IT-Bestandssysteme voraus, die auf die Anforderungen digitaler Geschäftsmodelle abgestimmt sind. Das haben etwa drei Viertel der deutschen Betriebe erkannt. Sie planen daher, geschäftskritische IT-Umgebungen zu modernisieren. Das ist eines der Ergebnisse der Studie „IT-Modernisierung 2021“von IDG Research Services.
Rund 60 Prozent der für diese Studie Befragten haben bereits in sehr großem oder großem Umfang Anwendungen und Prozesse modernisiert. Vor allem mittelständische Firmen mit bis zu 500 Mitarbeitern sehen den Bedarf, auch Systeme und Software zu modernisieren, die noch nicht den „Legacy“-Status erreicht haben. Dazu zählen auch Java-Anwendungen. Erstaunlicherweise sind für die Anwenderunternehmen nicht die Kosten die größte Herausforderung, wenn sie einen Teil ihrer IT erneuern wollen. Vielmehr bereiten den Betrieben Fragen rund um die IT-Sicherheit
(35 Prozent) und technologische Aspekte
(33 Prozent) Kopfzerbrechen.
Interessanterweise drängen vor allem Geschäftsführer und Manager (43 Prozent) darauf, dass im Firmenrechenzentrum neue Anwendungen und Systeme Einzug halten oder eine Cloud-Computing-Strategie umgesetzt wird. Dagegen sehen zwei Drittel der IT-Abtei
lungen und über 85 Prozent der Fachbereiche keinen Handlungsbedarf. Eine – allzu menschliche – Erklärung dafür könnte sein, dass die Mitarbeiter in den IT-Abteilungen die Einschätzung der „Chefs“als ungerechtfertigte Kritik an ihrer Arbeit einstufen. Hinzu kommt, dass ein beträchtlicher Teil der Business-Entscheider gar nicht über das notwendige Knowhow verfügen dürfte, um den Modernisierungsbedarf bei der IT-Infrastruktur und den Anwendungen richtig einzuschätzen.
Für CIOs und IT-Führungskräfte spielt zudem ein weiterer Punkt eine wichtige Rolle: die Befürchtung, dass ein Umbau der IT-Umgebung Fachkenntnisse und personelle Ressourcen erfordert, die schlichtweg nicht vorhanden sind. Dafür spricht, dass nur knapp ein Viertel der Unternehmen glaubt, über genügend eigene Fachleute zu verfügen, um ein IT-Modernisierungsprojekt voranzutreiben. Das gilt vor allem für den Mittelstand. Der leidet darunter, dass Firmen mit 500 bis 1.000 Mitarbeitern für IT-Fachkräfte weniger attraktiv sind als Großunternehmen. Auch die Coronakrise hat wenig daran geändert, dass Spezialisten, die beim Umbau einer IT-Infrastruktur und Anwendungsumgebung helfen könnten, weiterhin knapp sind.
Durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mag die Zahl der offenen IT-Stellen in Bereichen wie Information Management und Data Analytics zurückgegangen sein. Doch Fachleute für IT-Infrastruktur sind weiterhin rar. Dasselbe gilt für Profis, die sich mit Großrechnern und Programmiersprachen wie Cobol auskennen, so die IDG-Studie. Speziell der Mangel an Spezialisten für die Programmiersprachen Cobol und PL/1 wirkt sich negativ aus. Dies gilt umso mehr, als fast zwei Drittel der Unternehmen solche Anwendungen gern weiter nutzen möchten. Das setzt jedoch voraus, dass Fachleute die Anwendungen an sich ändernde Geschäftsanforderungen anpassen.
Problem: Daten in postproduktiven Systemen
Allerdings hakt es nicht nur an der Zahl und Qualität der IT-Fachleute. Insbesondere im Mittelstand tritt ein Phänomen gehäuft auf: Bei einem Drittel der Befragten sind postproduktive Systeme im Einsatz. Das sind IT-Umgebungen, die nicht mehr im Produktivbetrieb zum Einsatz kommen. Dennoch lagern auf solchen Systemen immer noch große Datenbestände. Bei 36 Prozent der Mittelständler sind außerdem Legacy-Systeme im Einsatz, für die es bislang keine Alternativen gibt.
Solche Bestandssysteme und Kernanwendungen, etwa im Bereich Enterprise Resource Planning (ERP), sind im Schnitt seit sechs bis zehn Jahren im Einsatz. Bei einem Viertel der deutschen Firmen sind es bis zu 15 Jahre. In gewisser Weise ist nachvollziehbar, dass sich IT-Abteilungen und Geschäftsführer davor scheuen, solche Kernapplikationen und die dazugehörige IT-Infrastruktur „anzufassen“. Denn dies erfordert einen hohen finanziellen
und personellen Aufwand. Hinzu kommt das Risiko, dass durch den Umbau geschäftskritische Prozesse zumindest zeitweise nicht in der erforderlichen Qualität zur Verfügung stehen.
Doch eine Vorgehensweise nach dem Motto „weiter so“ist kein zukunftsträchtiger Ansatz. Das belegt folgendes Ergebnis der Studie:
Die meisten Betriebe (55 Prozent) starten Modernisierungsprojekte, weil ein Teil der vorhandenen Systeme nicht mehr die aktuellen Geschäftsanforderungen erfüllen kann. Dazu kommt, dass durch den Einsatz von Applikationen und Systemsoftware, für die die Hersteller keine Updates mehr bereitstellen, die Risiken in Bereichen wie Compliance, Datenschutz und vor allem IT-Sicherheit steigen.
Cloud rückt ins Rampenlicht
Zudem verursachen postproduktive und Legacy-Systeme nach Angaben von 60 Prozent der Studienteilnehmer höhere Kosten für Betrieb und Wartung als aktuelle Anwendungen. Allerdings gilt es dabei zu bedenken, dass es für viele Unternehmen und öffentliche Einrichtungen gar nicht realistisch ist, postproduktive Systeme auf die Schnelle auszumustern. Daten, die auf solchen Lösungen gespeichert sind, müssen oft aus regulatorischen Gründen längere Zeit vorgehalten werden.
Das gilt etwa für Geschäftsunterlagen, die bis zu zehn Jahre aufzubewahren sind. Bei medizinischen Daten sind es sogar bis zu 30 Jahre, etwa bei Röntgentherapien. Solche Informationsbestände auf neuere Anwendungen und IT-Systeme zu portieren, wäre außerdem mit hohen Kosten verbunden.
Was also tun? Für rund 60 Prozent der Unternehmen in Deutschland heißt die Antwort „Cloud Computing“. Vor allem Geschäftsführer (31 Prozent) plädieren laut der Studie von IDG Research Services dafür, zumindest einen Teil der Applikationslandschaft und Infrastrukturservices in eine Cloud-Umgebung zu verlagern.
Ein Grund für diese Haltung dürfte sein, dass sich das Management davon geringere Kosten verspricht. Das deckt sich mit einem anderen Ergebnis der Studie. Demnach erhoffen sich mehr als 40 Prozent der Business-Entscheider durch eine modernisierte IT vor allem Kostensenkungen.
Beim Trend in Richtung Cloud spielen jedoch auch andere Aspekte eine Rolle. So will mehr als die Hälfte der mittelständischen Unternehmen im Rahmen der IT-Modernisierung Platform-as-a-Service-Angebote (PaaS) von Cloud-Serviceprovidern nutzen. Dazu zählen nicht nur die Services von Hyperscalern wie Microsoft (Azure), Amazon Web Services und Google. Auch die PaaS-Angebote von IBM, Oracle, SAP, der Software AG oder von T-Systems kommen in Betracht. Ein Vorteil von
PaaS ist beispielsweise, dass Unternehmen dadurch schneller Entwicklungs- und Testumgebungen für Applikationen und IoT-Services (Internet of Things) einrichten können.
Vertrauen am wichtigsten bei Partnerwahl
Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass für die Hälfte der Unternehmen in Deutschland Cloud-Anbieter die wichtigsten externen Partner bei der IT-Modernisierung sind. Allerdings spielen auch Beratungsunternehmen, Serviceprovider und Systemhäuser sowie Systemintegratoren eine wichtige Rolle. Vor allem kleinere und mittelständische Firmen setzen auf Systemhäuser. Der Grund dafür ist, dass diese Unternehmen oft bereits seit längerer Zeit mit solchen Dienstleistern zusammenarbeiten. Dies ist allein deshalb der Fall, weil die meisten Mittelständler in aller Regel nur über kleinere IT-Abteilungen verfügen und somit IT-Services von externen Spezialisten einkaufen müssen.
Hinzu kommt der „menschliche“Faktor:
Für die meisten Unternehmen, die bei der ITModernisierung mit einem Dienstleister zu
sammenarbeiten, spielt dessen Vertrauenswürdigkeit die wichtigste Rolle. Erst danach folgen Faktoren wie das technische Know-how und Branchenkenntnisse. Und diese Vertrauensbasis entsteht dann, wenn ein Anwender bereits mehrfach Projekte mit einem IT-Spezialisten durchgeführt hat.
IT-Modernisierung breiter denken
Und ein dritter Punkt, der aus Sicht eines Unternehmens für die Zusammenarbeit mit einem Beratungs- oder Systemhaus spricht: Viele dieser Dienstleister haben Cloud-Services in ihr Portfolio aufgenommen. Diese stellen sie entweder über eigene Cloud-Rechenzentren oder die Cloud-Infrastruktur von Serviceprovidern zur Verfügung. Eine weitere Option ist, dass IT-Dienstleister ihren Kunden Angebote von Cloud-Serviceprovidern zur Verfügung stellen, etwa in Form von Managed Services.
Ein positives Ergebnis der Studie ist, dass deutsche Unternehmen Anwendungen und die IT-Infrastruktur an geänderte Geschäftsbedingungen anpassen möchten, vor allem vor dem Hintergrund des digitalen Wandels. An die 60 Prozent haben bereits entsprechende Projekte gestartet oder abgeschlossen, und 72 Prozent stufen solche Vorhaben als essenziell ein.
Dennoch bleibt noch einiges zu tun. Zu denken gibt beispielsweise, dass die strategische Bedeutung von modernisierten IT- und Anwendungsumgebungen noch unterschätzt wird. Das zeigt sich daran, dass vor allem Manager und Geschäftsführer mit der IT-Modernisierung primär niedrigere Betriebs- und Wartungskosten verbinden. Doch das ist zu kurz gedacht. Denn eine flexible und zeitgemäße IT-Umgebung ist ein Schlüsselfaktor für Unternehmen, die agiler auftreten und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken wollen. Wer primär den Kostenfaktor im Auge hat, läuft Gefahr, diese Ziele aus den Augen zu verlieren.