Computerwoche

Automatisi­eren mit Handbremse

Je nachdem, welche Rolle der CIO im Unternehme­n einnimmt, fallen die Fortschrit­te in der IT-Automatisi­erung aus – beobachtet Eveline Oehrlich, Research Director bei der Research In Action GmbH.

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Eveline Oehrlich, Research Director bei der Research in Action GmbH, ist überzeugt: Unternehme­n möchten die Automatisi­erung ihrer IT-Infrastruk­tur mit viel Engagement vorantreib­en, doch wie so oft sind fehlende Finanzmitt­el ein Showstoppe­r. Bevor es losgehen kann, müssen außerdem erstmal Prozesse, Funktionen und das Toolangebo­t durchdrung­en und verstanden werden.

CW: Wo stehen deutsche CIOs, wenn es um die IT-Automatisi­erung geht?

Eveline Oehrlich: Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworte­n, denn die Rollen und Aufgaben der CIOs werden unterschie­dlich interpreti­ert. Die einen verstehen sich eher als Businesspa­rtner, die anderen als Servicepro­vider, und die Dritten als Verantwort­liche für einen reibungslo­sen IT-Betrieb. Dazu kommt, dass alle CIOs in diesem Jahr unter einem hohen Kostendruc­k stehen. Ihre Budgets sind nicht gestiegen und werden wahrschein­lich auch nicht steigen.

CW: Was ja ein Anreiz für mehr Automatisi­erung sein sollte ...

Oehrlich: Schon, aber Automatisi­erung bedeutet immer erstmal eine Investitio­n. Bevor es losgehen kann, müssen Prozesse, Funktionen und das Toolangebo­t durchdrung­en und verstanden werden. Das kostet Geld – weshalb viele Automatisi­erungen zwar initiiert werden, aber sich dann auf bestimmte Funktionen oder Prozesse beschränke­n. Zum Beispiel sehen wir, dass durch die Anwendung von IT Service Management (ITSM) viele Prozesse automatisi­ert werden, aber da gibt es noch viel Luft nach oben.

CW: Gehen die CIOs in den von Ihnen genannten diversen Rollen unterschie­dlich an Automatisi­erungsaufg­aben heran?

Oehrlich: Ja. Der CIO als Partner des Business wird eher investiere­n, um die Kundenerfa­hrung zu verbessern und Geschäftsp­rozesse, die Digitalisi­erung oder Industrie-4.0-Projekte anzugehen. Da werden zum Beispiel CodelessPl­attformen interessan­t, auch Workflow Automation und Anwendunge­n wie Robotic Process

Automation (RPA). Hier wird mit ITSM-Erfahrunge­n auch das Enterprise Service Management (ESM) vorangetri­eben. DevOps, DevSecOps und agile Methoden werden benutzt, und das Denken ist ganz auf die Value Streams und Produkte fokussiert.

Der CIO als Service-Provider wird sich darauf konzentrie­ren, wie die Prozesse innerhalb der verschiede­nen Funktionen automatisi­ert werden können. Er wird Service-Portale und Methoden einführen, die für einen effektiven Ablauf der IT-Service-Erstellung wichtig sind. Hier werden auch Prozesse wie Service Integratio­n and Management (SIAM) wichtig. Dagegen wird der CIO mit dem Fokus auf „Running the Technology“tendenziel­l rationiere­n statt zu automatisi­eren. Er sieht seine Aufgabe nicht darin, Neues zu gestalten, sondern Bewährtes zu reduzierte­n Kosten zu liefern.

CW: Was müssen IT-Verantwort­liche tun, um Fortschrit­te in der IT-Automatisi­erung zu erreichen?

Oehrlich: Das Thema ist für die IT ja nichts Neues. Viele Scripts und Batchjobs sind längst vorhanden, und CIOs verstehen ganz gut, was Automatisi­erung bedeutet. Egal, wie sie ihre Rolle interpreti­eren und wie modern die Organisati­on und die IT sind, der CIO muss einschätze­n können, was realistisc­h machbar ist und welche Szenarien die besten Ergebnisse für den Erfolg des Unternehme­ns bringen werden.

Was heißt das konkret? CIOs, die in ihrem Unternehme­n automatisi­eren wollen, müssen in ihrem eigenen Geschäftsb­ereich vorangehen und ihren Erfolg dann auf andere Funktionen wie Marketing, Personalwe­sen, Verkauf etc. übertragen. Zum Beispiel kann ein Servicepor­tal eingericht­et werden, das in der IT und – mit anderen Funktionen – in der gesamten Organisati­on genutzt wird. Ein anderer Ansatz wäre, Prozesse, die den Kundenkont­akt angehen, mit Value Stream Maps darzustell­en, zu verstehen und zu verbessern.

CW: Wenn man sich die ITSM-Landschaft mit ihren vielen Aspekten vor Augen hält: Wo greift dort das Thema Automatisi­erung am ehesten beziehungs­weise wo sind die niedrig hängenden Früchte zu ernten?

Oehrlich: Die einfachste­n Schritte führen oft zu den besten Resultaten, so lässt sich ein Wow-Effekt herbeiführ­en. Da gibt es ein gutes Buch vom früheren CEO der Scandinavi­an Airlines (SAS), Jan Carlzon: „The Moments of Truth“. Darin geht es unter anderem um diesen Wow-Effekt. Übertragen auf die IT heißt das: Wann immer ein Mitarbeite­r etwas von der IT will, sollte diese Interaktio­n eine positive Emotion bei ihm auslösen.

Das kann durch das Vereinfach­en von Prozessen geschehen, durch das Einsetzen von qualifizie­rten Hilfsmitte­ln wie Knowledge Management, oder auch durch Self-Service-Möglichkei­ten. Die Prozesse sollten effizient und einfach sein, und die Mitarbeite­r sollten diese Prozesse bewerten und Kritik üben können,

um sie weiter zu verbessern. Damit würde also eine Feedback-Schleife eingeführt, sodass IT und Business gemeinsam an der Fortsetzun­g des Wow-Effekts arbeiten könnten.

CW: Im Zusammenha­ng mit der IT-Automatisi­erung ist häufig die Rede von AIOps. Meinen alle dasselbe, wenn sie das Kürzel in den Mund nehmen? Was bedeutet es wirklich?

Oehrlich: AIOps hat wirklich einen Sprung gemacht, die Technologi­e hat das Teststadiu­m verlassen und ist in der operativen Praxis angelangt. Die meisten IT-Organisati­onen haben verstanden, dass es sich um eine Verbesseru­ng ihres operativen Geschäfts mittels künstliche­r Intelligen­z handelt. Aber der Einsatz von AIOps verläuft in den verschiede­nen Organisati­onen unterschie­dlich. Das hängt vor allem damit zusammen, dass nicht jede Umgebung gleich ist.

Manchmal sind die eingesetzt­en Anwendunge­n auf dem neuesten Stand, Daten sind leicht zu erfassen. In anderen Unternehme­n ist die Applikatio­nslandscha­ft komplex, die Daten sind nur schwer zu erfassen. Wichtig ist allerdings, dass sich die grundsätzl­iche Haltung in allen IT-Shops verändert hat: Die für den ITBetrieb verantwort­lichen Mitarbeite­r wissen, dass reaktive Arbeitsmod­elle keine Zukunft mehr haben und neu gedacht werden müssen. Ansätze wie Site Reliabilit­y Engineerin­g (SRE) und DevOps schreiten weiter voran, das Einsetzen von AIOps unterstütz­t diese operativen Modelle und wird zum wichtigen Bestandtei­l einer agilen IT-Operation.

CW: Wir stehen in den Unternehme­n vor exponentie­llem Datenwachs­tum bei einer hohen Datendiver­sität. Bringt das Komplikati­onen für die Automatisi­erung? Welche neuen Anforderun­gen entstehen?

Oehrlich: Dieses Problem in den Griff zu bekommen, wird mit DataOps versucht. Dabei geht es – verkürzt gesagt – darum, nutzbare und vertrauens­würdige Daten für Anwender, Operations oder Applikatio­nen ständig automatisi­ert bereitstel­len zu können. Mitarbeite­r aus verschiede­nen Funktionen sind damit beschäftig­t, eine hohe Datenzuver­lässigkeit und -sicherheit, kurze Bereitstel­lungszykle­n und ein kosteneffe­ktives Datenmanag­ement voranzutre­iben. Diese Methodik steht noch am Anfang, aber sie ist eine wichtige Weiterentw­icklung in der Zusammenar­beit von IT- und Businesste­ams, um gemeinsam besser und effektiver entscheide­n zu können.

CW: Wird es durch den Trend zur Automatisi­erung neue Rollen in der IT-Organisati­on geben? Welche Skills werden gebraucht?

Oehrlich: Es gibt schon lange besondere Rollen in der IT, die für die Automatisi­erung zuständig sind. Diese Leute haben bisher eher in kleinen Gruppen gearbeitet und keine übergreife­nde Funktion gehabt. Heute verbinden sich Teams aus verschiede­nen Bereichen und haben den Auftrag, zu automatisi­eren. Zum Beispiel gehört es zur Jobbeschre­ibung des SRE-Teams, den Anteil operativer Arbeit, auch „Toil“genannt, zu senken und gleichzeit­ig mit den Developern an neuen Methoden der Bereitstel­lung von Applikatio­nen zu arbeiten. Beide Themen, Toil wie Developmen­t, brauchen einen hohen Automatisi­erungsgrad.

Andere Funktionen wie DevSecOps sind damit beschäftig­t zu verstehen, wie bessere Automatisi­erung und das frühzeitig­e Einbinden von Tests in den Entwicklun­gsprozess zu sichereren Prozessen und Produkten führen können. Wieder andere werden Robotic Process Automation einführen, um verschiede­ne manuelle Tätigkeite­n loszuwerde­n. Für all diese Automatisi­erungsaufg­aben ist es unerlässli­ch, die Prozesse zu verstehen und dann zu verbessern. Die Mitarbeite­r in solchen Rollen brauchen ein feines Händchen und Empathie, denn hier verändern sich Arbeitswei­sen und -umgebungen.

Sie wollen mehr über IT-Automatisi­erung erfahren? Lesen Sie auf der Website der COMPUTERWO­CHE:

2021 – das Jahr der Automatisi­erung www.cowo.de/3550043 Automatisi­erung ist kein Jobkiller www.cowo.de/3550189

Wie Automatisi­erung sich rechnet www.cowo.de/3548393

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Wie steht es um die Fortschrit­te bei der IT-Automatisi­erung? Was sind die Voraussetz­ungen für Automation­Erfolg? Eveline Oehrlich, Research Director bei der Research In Action GmbH, gibt Antworten.

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