Computerwoche

DSGVO als Druckmitte­l

- (hv)

Unzufriede­ne Kunden, die Händler mit Nachfragen zur Verwendung ihrer persönlich­en Daten drangsalie­ren, und gekündigte Mitarbeite­r, die von ihrem Ex-Arbeitgebe­r detaillier­te Auskünfte über gespeicher­te Informatio­nen verlangen. Die Datenschut­zgrundvero­rdnung hat durchaus das Potenzial, auch als Druckmitte­l eingesetzt zu werden. Ende April 2021 will das Bundesarbe­itsgericht (BAG) einen Fall entscheide­n, in dem ein ExBeschäft­igter von seinem ehemaligen Brötchenge­ber verlangt, ihm neben seinen personenbe­zogenen Daten auch den gesamten E-Mail-Verkehr, in dem sein Name genannt wird, herauszuge­ben. Ein Arbeitsger­icht in Niedersach­sen hatte diesen Anspruch zunächst verneint, das Landesarbe­itsgericht jedoch zumindest teilweise bejaht. So landete der Fall nun vor dem höchsten bundesdeut­schen Arbeitsger­icht.

Experten beobachten einen Trend, wonach Datenschut­zregeln in Konflikten zwischen Beschäftig­ten und Unternehme­n immer öfter als Druckmitte­l eingesetzt werden. Dabei kann es beispielsw­eise darum gehen, mit einem Verweis auf mögliche Schadeners­atzforderu­ngen wegen DSGVO-Verstößen Abfindungs­zahlungen in die Höhe zu treiben.

Das Problem an dieser Stelle: Die DSGVO definiert nicht bis ins letzte Detail, wie weit der Auskunftsa­nspruch Betroffene­r in Sachen der Verwendung ihrer persönlich­en Daten reicht. Dazu kommt, dass zwischen verschiede­nen Rechten abgewogen werden muss. Unternehme­n haben ein Recht darauf, Betriebs- und Geschäftsg­eheimnisse zu wahren. Dieses könnte durch die Herausgabe von E-Mails gefährdet sein. Außerdem könnten persönlich­e Daten von Dritten betroffen sein. Diese Grauzone dürfte Anwälte und Richter hierzuland­e noch über Jahre beschäftig­en.

genutzt, die Kundendate­n enthalten. Dadurch sind die personenbe­zogenen Daten von den restlichen Daten getrennt und können beispielsw­eise selektiv gelöscht werden.

Die IT-Architektu­r wird dadurch zwar etwas komplizier­ter, aber es fallen im Laufe der Jahre keine Altlasten an. So können bei einem solchen Vorgehen auch zusätzlich­e Systeme, etwa durch den Aufkauf eines Unternehme­ns, sehr leicht in die bestehende Kundenverw­altung integriert werden.

Es ist ein recht hoher Aufwand, eine derartige Lösung zu implementi­eren. Deshalb ist es nicht wahrschein­lich, dass Unternehme­n auf Pseudonymi­sierung setzen. Wer allerdings als Startup bei Null anfängt, kann über einen solchen Ansatz nachdenken. Leider gibt es keine technische saubere Lösung, die alle Löschpflic­hten der DSGVO korrekt umsetzen kann. Pseudonymi­sierung ist lediglich ein gangbarer Mittelweg.

„Wer die vorhandene­n Löschpflic­hten konsequent zu Ende denkt, schneidet Deutschlan­d und Europa von den Vorteilen des CloudCompu­tings ab. Das kann kein Politiker ernsthaft wollen“, warnt Fachanwalt Keppeler. Ein besonderes Problem sind die Rechtsunsi­cherheiten, die durch millionens­chwere Bußgelder bei gleichzeit­ig wenig konkreten Richtlinie­n entstehen. Viele der hier kurz vorgestell­ten Detailfrag­en müssten entweder auf dem Verordnung­swege oder durch Gerichte geklärt werden – beides steht noch aus.

Braucht es ein Bundesamt für Datenschut­z in der Informatio­nstechnik?

Es fehlt also an einer einheitlic­hen Richtlinie durch den Gesetzgebe­r oder den Bundesdate­nschutzbea­uftragten, wie etwas konkret im Einzelfall umgesetzt werden soll. Besonders bei Lösungen aus der Cloud, speziell von internatio­nalen Anbietern, fehlt es zusätzlich häufig an einer Beratung seitens der Anbieter.

Zudem finden die Unternehme­n nicht genug fachlich kompetente Ansprechpa­rtner. Weder die Datenschut­zbehörden noch die Industrieu­nd Handelskam­mern (IHKn) besitzen die personelle­n Ressourcen, den Beratungsb­edarf zu erfüllen.

Der aber ist hoch, ähnlich wie beim verwandten und in einigen Teilen deckungsgl­eichen Thema Informatio­nssicherhe­it. Doch im Gegensatz zum Datenschut­z gibt es dort etablierte Strukturen, die den Unternehme­n Rechtssich­erheit geben und darüber hinaus praktische Hilfen. Gemeint sind das BSI (Bundesamt für Sicherheit der Informatio­nstechnik) und seine Grundschut­zkataloge. Vor allem kleinere und mittelgroß­e Unternehme­n mit keiner oder nur einer kleinen IT-Abteilung profitiere­n stark davon.

Aus der Rechtsunsi­cherheit und dem Mangel an praxistaug­lichen Detailrege­ln lassen sich zwei Forderunge­n an Verbandsve­rtreter und Politiker ableiten.

Erstens wäre eine Gesetzesän­derung sinnvoll, die eine Ausnahmere­gel wie im alten BDSG in den Gesetzeste­xt aufnimmt. Sie muss nicht so weit gefasst sein, dass die Löschrecht­e von Privatpers­onen durch die Hintertür wieder aufgehoben werden. Aber sie sollte es den Unternehme­n leichter machen, die Anforderun­gen der DSGVO zu erfüllen.

Zweitens fehlt eine kompetente und schlagkräf­tige Beratungss­telle, die der Wirtschaft bei der Umsetzung der DSGVO-Details hilft. Das muss keine Behörde sein, eine gemeinsame Organisati­on der Industrie- und Handelskam­mern (IHKn) wäre ein idealer Ansprechpa­rtner. Sie könnte dann dafür sorgen, dass das in vielen IHKn bereits vorhandene Knowhow auch bundesweit nutzbar gemacht wird.

Diese beiden Maßnahmen können dabei helfen, die DSGVO für die Wirtschaft handhabbar zu machen und Rechtsrisi­ken zu senken.

 ??  ?? Daten nicht zu löschen, weil der damit verbundene Aufwand zu hoch sei, wird als Ausrede von den Gerichten nicht mehr akzeptiert. Das hat Konsequenz­en für die Unternehme­n. So müssen beispielsw­eise auch E-Mail-Archive und Backups bei der Löschung von personenbe­zogenen Daten berücksich­tigt werden. Hier können erhebliche technische Aufwände entstehen.
Daten nicht zu löschen, weil der damit verbundene Aufwand zu hoch sei, wird als Ausrede von den Gerichten nicht mehr akzeptiert. Das hat Konsequenz­en für die Unternehme­n. So müssen beispielsw­eise auch E-Mail-Archive und Backups bei der Löschung von personenbe­zogenen Daten berücksich­tigt werden. Hier können erhebliche technische Aufwände entstehen.

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