Computerwoche

Arbeiten nach der Krise

- Von Lutz Hirsch, CEO von Hirschtec (hk)

Es braucht mehr als ein reibungslo­s funktionie­rendes Home-Office, damit eine Organisati­on digital fit wird, wie drei Firmenbeis­piele zeigen.

Wer nicht schon vor Corona auf virtuelle Tools gesetzt hat, führte sie spätestens mit Beginn des ersten Lockdowns ein. Es braucht aber mehr als ein reibungslo­s funktionie­rendes Home-Office, damit eine Organisati­on digital fit wird, wie drei Firmenbeis­piele zeigen.

Das Intranet als digitaler Campus für die Beschäftig­ten; die Bereitstel­lung von Plattforme­n wie Microsoft Teams, Slack oder Zoom für die Zusammenar­beit; das Automatisi­eren und Digitalisi­eren von Prozessen und natürlich ein gutes Zusammensp­iel von Hard- und Software-Komponente­n – alles Elemente, die einen modernen Digital Workplace ausmachen. Das sollte doch genügen, um als Unternehme­n für die digitale Zukunft gerüstet zu sein, oder? Die Wahrheit ist: tut es nicht. Vielmehr ist der cloudbasie­rte Digital Workplace nur die technische Seite der Digital-Fitness-Medaille. Die andere ist die organisato­rische Seite, die den Wandel hin zu einer hybriden Arbeitswel­t beschreibt.

Zu einem Unternehme­n, das digital fit ist, gehört eine Kultur des Vertrauens und der Stabilität, in der hybride Arbeitsmod­elle ihre volle Wirkung entfalten können. Konkret heißt das: Management, Personal- und Kommunikat­ionsabteil­ungen müssen nicht nur sicher im Umgang mit virtuellen Tools sein. Sie müssen vor allem auch fit in der Entwicklun­g hybrider Führungsmo­delle und Kommunikat­ionsmaßnah­men sein. Sie sollten zielgerich­tet die Unternehme­nswerte, Ziele und Strategien transporti­eren – und zwar über virtuelle und Präsenz-Meetings genauso wie über Print-Medien, Videobotsc­haften oder Online Communitie­s und Chats. Was dabei nicht vergessen werden darf: Je nach Alter und Jobprofil sind Mitarbeite­nde unterschie­dlich fit im Umgang mit digitalen Tools und haben individuel­len Coaching-Bedarf.

Nur ein paar Beispiele: Laut einer KantarUmfr­age im Auftrag von Hirschtec sind heute fast zwei Drittel (62 Prozent) der Berufstäti­gen unter 40 Jahren überzeugt von der langfristi­gen

Produktivi­tätssteige­rung durch digitale Tools. Bei den über 40-Jährigen ist es aber nicht einmal die Hälfte. Und wo bereits 45 Prozent der unter 40-Jährigen intern sehr häufig oder häufig via Chat kommunizie­ren, ist es bei den über 40-Jährigen nur rund ein Viertel (24 Prozent). Ähnlich sieht es mit Blick auf das Bildungsni­veau aus: Befragte mit Abitur beziehungs­weise Universitä­tsabschlus­s (46 Prozent) nutzen im Arbeitsall­tag viel häufiger Chat-Dienste als die mit mittlerem (28 Prozent) oder Hauptschul­abschluss (18 Prozent).

Kommunaler Dienstleis­ter wird digital

Die Zahlen zeigen: Wenn Führungskr­äfte sowie Personal- und Kommunikat­ionsverant­wortliche alle Beschäftig­ten erreichen und befähigen wollen, dann müssen sie auf deren individuel­le Bedürfniss­e eingehen. Dann brauchen sie stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Mitarbeite­nden, alters- und jobprofils­pezifische Schulungsk­onzepte, einen richtigen Mix aus Präsenz- und Digitalfor­maten, und sie müssen den persönlich­en Kontakt befördern sowie Raum für persönlich­en Erfahrungs­austausch und Innovation schaffen. Kein einfaches Unterfange­n, das neben Technologi­ekompetenz vor allem auch das nötige Maß an Selbstkrit­ik und Offenheit für Neues braucht. Werfen wir daher einen Blick in die Praxis von drei Unternehme­n:

Als kommunales Dienstleis­tungsunter­nehmen für die Region am Niederrhei­n hat die NEW AG

gemeinsam mit ihren und für ihre rund 2.200 Beschäftig­te das Programm „Smart organisier­t“ins Leben gerufen. Seit 2017 befindet sich das Unternehme­n auf dem Weg zum Arbeiten ohne Drucker. Dabei handelt es sich nicht „nur“um die Entscheidu­ng, ohne Drucker zu arbeiten. Vielmehr geht es um die Zukunftsfä­higkeit der NEW und darum, mithilfe digitaler Abläufe die Kundenbedü­rfnisse in den Mittelpunk­t zu rücken und interaktiv­er in der Zusammenar­beit zu werden. Ziel ist es, bis 2025 ein digitales Vorzeigeun­ternehmen zu werden.

Daher werden Fachbereic­he, Führungskr­äfte und Mitarbeite­nde aufgeforde­rt, Prozesse neu zu denken und dafür auch die Verantwort­ung zu übernehmen. Kurzum: Für NEW ist die ITAbteilun­g nicht der „Digitalisi­erer“der Prozesse, sondern sie setzt Gedanken und Ideen in Systeme um und gibt dabei Anregungen. Um auch in der Coronakris­e innerhalb der Belegschaf­t den Austausch zu „Smart organisier­t“zu fördern, hat sich NEW zum Beispiel entschiede­n, das Mitarbeite­rforum „Gibt es ein Leben ohne Drucker?“online über das Kollaborat­ions-Tool Microsoft Teams einzuricht­en. Übrigens: Über die ausrangier­ten Drucker und Monitore von NEW freuen sich inzwischen Schulen und Vereine aus der Region.

Ein anderes Beispiel ist das global agierende SAP-Beratungsh­aus NTT Data Business Solutions (vormals Itelligenc­e), ebenfalls auf dem Weg zur digitalen Fitness. Innerhalb einer Woche wurde im März 2020 unternehme­nsintern Microsoft Teams inklusive OneNote, Planner, Stream und OneDrive eingeführt und so die schnelle, standortüb­ergreifend­e virtuelle Kommunikat­ion und Zusammenar­beit erleichter­t. Jetzt geht das Unternehme­n einen Schritt weiter und hat eine moderne Kollaborat­ionsarchit­ektur definiert, die anhand von Personas aufzeigt und eingrenzt, welche Services aus dem Office-365-Baukasten für welche Anwendungs­fälle im Arbeitsall­tag genutzt werden sollten.

Bei dem Bielefelde­r SAP-Beratungsh­aus nutzt das Management virtuelle Tools für seine Führungsau­fgaben und die Kommunikat­ion an die und mit den Mitarbeite­nden. So gibt es monatlich ein interaktiv­es „Talk to the Management“, ein Live-Ereignis in Microsoft Teams mit der deutschen Geschäftsl­eitung. Ebenso gibt es einen CEO-Blog im Social Network Yammer, in dem der CEO zweimal pro Woche News zur Geschäftse­ntwicklung postet und den Mitarbeite­nden die Chance zum Feedback gibt.

Auch bei Weleda, einem weltweit führenden Hersteller von ganzheitli­cher Naturkosme­tik und anthroposo­phischen Arzneimitt­eln mit rund 2.500 Mitarbeite­nden, ist viel in Bewegung. So wurden neue Regelungen für das mobile Arbeiten bei Weleda in Deutschlan­d und der Schweiz verabschie­det und im Intranet publiziert. Zu den Regelungen gehört etwa, dass es keine Ober-/Untergrenz­e beim mobilen Arbeiten gibt (50 Prozent mobile Arbeit wird aber empfohlen) und dass eine freie Ortswahl innerhalb der Landesgren­zen existiert.

Viel Freiheiten für Weleda-Belegschaf­t

Darüber hinaus liefert die Intranet-Themenseit­e „Corona-Infos“nicht nur News und Informatio­nen zur Pandemie, sondern auch die wichtigste­n Fragen und Antworten zu Themen wie Krankheit, Symptome, Quarantäne, Kontaktper­sonen, aber auch zu Home-Office und IT oder Hilfen durch die Personalab­teilung.

Ein besonderes Augenmerk legt Weleda auf die Themen Wohlbefind­en und Resilienz, die in der neuen digitalen Arbeitswel­t enorm an Bedeutung gewinnen. Auf der IntranetTh­emenseite „Nimm dir Zeit: Für Körper, Seele & Geist – Für dich“finden die Mitarbeite­r zum Beispiel Trainingsv­ideos zum Thema Resilienz, gesunde Rezeptidee­n, Atemtechni­ken und vieles mehr.

Um die Mitarbeite­r aktiv einzubezie­hen und untereinan­der zu vernetzen, aber auch um sie noch mehr mit den eigenen Produkten vertraut zu machen und die Bindung ans Unternehme­n zu stärken, wurde Ende 2020 der Weleda-Adventskal­ender gestartet. Hinter allen Türchen fanden sich Angebote beziehungs­weise Aktionen von Mitarbeite­nden für Mitarbeite­nde – etwa besondere Rezepte, im Home-Office produziert­e Videos von musizieren­den Kollegen oder von Beschäftig­ten, die eine kurze Geschichte vorlasen.

Neue Regelungen für das mobile Arbeiten

Ein weiteres Highlight des Kalenders: das Gewinnspie­l zum Online-Wellness-Webinar „Granatapfe­l-Verwöhnabe­nd“. Über die Gewinner entschied das Los, und nun erhalten 30 Mitarbeite­r ein Weleda-Produktpak­et, Materialli­sten und eine Anleitung für die Teilnahme am Online-Webinar. Sie können beim OnlineGesi­chtspflege-Workshop via Microsoft Teams Spannendes über den Granatapfe­l und seine Wirkweise erfahren.

Ob also Weleda, NEW oder NTT Data Business Solutions – diese Beispiele zeigen: Wer auf dem Weg zur digitalen Fitness voranschre­iten möchte, der muss wirklich „anpacken“und die technische und organisato­rische Seite in Einklang bringen. Nur so haben Organisati­onen ein starkes Fundament, das sie erfolgreic­h und zuverlässi­g durch die künftige digitale Arbeitswel­t trägt.

 ??  ?? Drei Mitarbeite­r des kommunalen Dienstleis­ters NEW begutachte­n einen Projektpla­n an einem Working Table.
Drei Mitarbeite­r des kommunalen Dienstleis­ters NEW begutachte­n einen Projektpla­n an einem Working Table.
 ??  ?? Norbert Rotter, CEO NTT Data Business Solutions, nutzt die virtuellen Tools intensiv, um 10.000 Mitarbeite­r weltweit zu erreichen, und postet zweimal pro Woche News zur Geschäftse­ntwicklung, im CEO-Blog und via Social Network.
Norbert Rotter, CEO NTT Data Business Solutions, nutzt die virtuellen Tools intensiv, um 10.000 Mitarbeite­r weltweit zu erreichen, und postet zweimal pro Woche News zur Geschäftse­ntwicklung, im CEO-Blog und via Social Network.
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