Arbeiten nach der Krise
Es braucht mehr als ein reibungslos funktionierendes Home-Office, damit eine Organisation digital fit wird, wie drei Firmenbeispiele zeigen.
Wer nicht schon vor Corona auf virtuelle Tools gesetzt hat, führte sie spätestens mit Beginn des ersten Lockdowns ein. Es braucht aber mehr als ein reibungslos funktionierendes Home-Office, damit eine Organisation digital fit wird, wie drei Firmenbeispiele zeigen.
Das Intranet als digitaler Campus für die Beschäftigten; die Bereitstellung von Plattformen wie Microsoft Teams, Slack oder Zoom für die Zusammenarbeit; das Automatisieren und Digitalisieren von Prozessen und natürlich ein gutes Zusammenspiel von Hard- und Software-Komponenten – alles Elemente, die einen modernen Digital Workplace ausmachen. Das sollte doch genügen, um als Unternehmen für die digitale Zukunft gerüstet zu sein, oder? Die Wahrheit ist: tut es nicht. Vielmehr ist der cloudbasierte Digital Workplace nur die technische Seite der Digital-Fitness-Medaille. Die andere ist die organisatorische Seite, die den Wandel hin zu einer hybriden Arbeitswelt beschreibt.
Zu einem Unternehmen, das digital fit ist, gehört eine Kultur des Vertrauens und der Stabilität, in der hybride Arbeitsmodelle ihre volle Wirkung entfalten können. Konkret heißt das: Management, Personal- und Kommunikationsabteilungen müssen nicht nur sicher im Umgang mit virtuellen Tools sein. Sie müssen vor allem auch fit in der Entwicklung hybrider Führungsmodelle und Kommunikationsmaßnahmen sein. Sie sollten zielgerichtet die Unternehmenswerte, Ziele und Strategien transportieren – und zwar über virtuelle und Präsenz-Meetings genauso wie über Print-Medien, Videobotschaften oder Online Communities und Chats. Was dabei nicht vergessen werden darf: Je nach Alter und Jobprofil sind Mitarbeitende unterschiedlich fit im Umgang mit digitalen Tools und haben individuellen Coaching-Bedarf.
Nur ein paar Beispiele: Laut einer KantarUmfrage im Auftrag von Hirschtec sind heute fast zwei Drittel (62 Prozent) der Berufstätigen unter 40 Jahren überzeugt von der langfristigen
Produktivitätssteigerung durch digitale Tools. Bei den über 40-Jährigen ist es aber nicht einmal die Hälfte. Und wo bereits 45 Prozent der unter 40-Jährigen intern sehr häufig oder häufig via Chat kommunizieren, ist es bei den über 40-Jährigen nur rund ein Viertel (24 Prozent). Ähnlich sieht es mit Blick auf das Bildungsniveau aus: Befragte mit Abitur beziehungsweise Universitätsabschluss (46 Prozent) nutzen im Arbeitsalltag viel häufiger Chat-Dienste als die mit mittlerem (28 Prozent) oder Hauptschulabschluss (18 Prozent).
Kommunaler Dienstleister wird digital
Die Zahlen zeigen: Wenn Führungskräfte sowie Personal- und Kommunikationsverantwortliche alle Beschäftigten erreichen und befähigen wollen, dann müssen sie auf deren individuelle Bedürfnisse eingehen. Dann brauchen sie stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Mitarbeitenden, alters- und jobprofilspezifische Schulungskonzepte, einen richtigen Mix aus Präsenz- und Digitalformaten, und sie müssen den persönlichen Kontakt befördern sowie Raum für persönlichen Erfahrungsaustausch und Innovation schaffen. Kein einfaches Unterfangen, das neben Technologiekompetenz vor allem auch das nötige Maß an Selbstkritik und Offenheit für Neues braucht. Werfen wir daher einen Blick in die Praxis von drei Unternehmen:
Als kommunales Dienstleistungsunternehmen für die Region am Niederrhein hat die NEW AG
gemeinsam mit ihren und für ihre rund 2.200 Beschäftigte das Programm „Smart organisiert“ins Leben gerufen. Seit 2017 befindet sich das Unternehmen auf dem Weg zum Arbeiten ohne Drucker. Dabei handelt es sich nicht „nur“um die Entscheidung, ohne Drucker zu arbeiten. Vielmehr geht es um die Zukunftsfähigkeit der NEW und darum, mithilfe digitaler Abläufe die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt zu rücken und interaktiver in der Zusammenarbeit zu werden. Ziel ist es, bis 2025 ein digitales Vorzeigeunternehmen zu werden.
Daher werden Fachbereiche, Führungskräfte und Mitarbeitende aufgefordert, Prozesse neu zu denken und dafür auch die Verantwortung zu übernehmen. Kurzum: Für NEW ist die ITAbteilung nicht der „Digitalisierer“der Prozesse, sondern sie setzt Gedanken und Ideen in Systeme um und gibt dabei Anregungen. Um auch in der Coronakrise innerhalb der Belegschaft den Austausch zu „Smart organisiert“zu fördern, hat sich NEW zum Beispiel entschieden, das Mitarbeiterforum „Gibt es ein Leben ohne Drucker?“online über das Kollaborations-Tool Microsoft Teams einzurichten. Übrigens: Über die ausrangierten Drucker und Monitore von NEW freuen sich inzwischen Schulen und Vereine aus der Region.
Ein anderes Beispiel ist das global agierende SAP-Beratungshaus NTT Data Business Solutions (vormals Itelligence), ebenfalls auf dem Weg zur digitalen Fitness. Innerhalb einer Woche wurde im März 2020 unternehmensintern Microsoft Teams inklusive OneNote, Planner, Stream und OneDrive eingeführt und so die schnelle, standortübergreifende virtuelle Kommunikation und Zusammenarbeit erleichtert. Jetzt geht das Unternehmen einen Schritt weiter und hat eine moderne Kollaborationsarchitektur definiert, die anhand von Personas aufzeigt und eingrenzt, welche Services aus dem Office-365-Baukasten für welche Anwendungsfälle im Arbeitsalltag genutzt werden sollten.
Bei dem Bielefelder SAP-Beratungshaus nutzt das Management virtuelle Tools für seine Führungsaufgaben und die Kommunikation an die und mit den Mitarbeitenden. So gibt es monatlich ein interaktives „Talk to the Management“, ein Live-Ereignis in Microsoft Teams mit der deutschen Geschäftsleitung. Ebenso gibt es einen CEO-Blog im Social Network Yammer, in dem der CEO zweimal pro Woche News zur Geschäftsentwicklung postet und den Mitarbeitenden die Chance zum Feedback gibt.
Auch bei Weleda, einem weltweit führenden Hersteller von ganzheitlicher Naturkosmetik und anthroposophischen Arzneimitteln mit rund 2.500 Mitarbeitenden, ist viel in Bewegung. So wurden neue Regelungen für das mobile Arbeiten bei Weleda in Deutschland und der Schweiz verabschiedet und im Intranet publiziert. Zu den Regelungen gehört etwa, dass es keine Ober-/Untergrenze beim mobilen Arbeiten gibt (50 Prozent mobile Arbeit wird aber empfohlen) und dass eine freie Ortswahl innerhalb der Landesgrenzen existiert.
Viel Freiheiten für Weleda-Belegschaft
Darüber hinaus liefert die Intranet-Themenseite „Corona-Infos“nicht nur News und Informationen zur Pandemie, sondern auch die wichtigsten Fragen und Antworten zu Themen wie Krankheit, Symptome, Quarantäne, Kontaktpersonen, aber auch zu Home-Office und IT oder Hilfen durch die Personalabteilung.
Ein besonderes Augenmerk legt Weleda auf die Themen Wohlbefinden und Resilienz, die in der neuen digitalen Arbeitswelt enorm an Bedeutung gewinnen. Auf der IntranetThemenseite „Nimm dir Zeit: Für Körper, Seele & Geist – Für dich“finden die Mitarbeiter zum Beispiel Trainingsvideos zum Thema Resilienz, gesunde Rezeptideen, Atemtechniken und vieles mehr.
Um die Mitarbeiter aktiv einzubeziehen und untereinander zu vernetzen, aber auch um sie noch mehr mit den eigenen Produkten vertraut zu machen und die Bindung ans Unternehmen zu stärken, wurde Ende 2020 der Weleda-Adventskalender gestartet. Hinter allen Türchen fanden sich Angebote beziehungsweise Aktionen von Mitarbeitenden für Mitarbeitende – etwa besondere Rezepte, im Home-Office produzierte Videos von musizierenden Kollegen oder von Beschäftigten, die eine kurze Geschichte vorlasen.
Neue Regelungen für das mobile Arbeiten
Ein weiteres Highlight des Kalenders: das Gewinnspiel zum Online-Wellness-Webinar „Granatapfel-Verwöhnabend“. Über die Gewinner entschied das Los, und nun erhalten 30 Mitarbeiter ein Weleda-Produktpaket, Materiallisten und eine Anleitung für die Teilnahme am Online-Webinar. Sie können beim OnlineGesichtspflege-Workshop via Microsoft Teams Spannendes über den Granatapfel und seine Wirkweise erfahren.
Ob also Weleda, NEW oder NTT Data Business Solutions – diese Beispiele zeigen: Wer auf dem Weg zur digitalen Fitness voranschreiten möchte, der muss wirklich „anpacken“und die technische und organisatorische Seite in Einklang bringen. Nur so haben Organisationen ein starkes Fundament, das sie erfolgreich und zuverlässig durch die künftige digitale Arbeitswelt trägt.