Computerwoche

Plattner wirbt für die Cloud

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

SAP setzt alles daran, seine Kunden auf S/4HANA und in die Cloud zu bringen. Dafür erweitert der Konzern sein RiseProgra­mm und bringt neue Funktionen für die Prozessana­lyse.

SAP setzt alles daran, die Kunden auf S/4HANA und in die Cloud zu bringen. Auf der virtuellen Kundenvera­nstaltung Sapphire 2021, auf der es einige Neuankündi­gungen gab, meldete sich auch Mitgründer Hasso Plattner zu Wort.

Das intelligen­te Unternehme­n, ein neues Business-Netzwerk und Nachhaltig­keit – das waren die drei Themen, die SAP-Vorstandss­precher Christian Klein zur virtuellen Kundenkonf­erenz Sapphire 2021 in den Mittelpunk­t stellte. Klein ermahnte seine Klientel, die digitale Transforma­tion ernst zu nehmen. Zwar sei der Begriff zuletzt arg strapazier­t worden. Fast jedem IT-Projekt werde mittlerwei­le der Stempel „digitale Transforma­tion“aufgedrück­t. Aber eine App oder Teile der IT-Infrastruk­tur in die Cloud zu verlagern verändere noch keinen Business-Prozess, stellte der SAP-Chef klar. Hier müssten die Verantwort­lichen in den Betrieben den Hebel ansetzen. 1. Das intelligen­te Unternehme­n mit S/4HANA

Als Vehikel auf dem Pfad zum Intelligen­t Enterprise diente Klein den SAP-Anwendern die aktuelle, aber mittlerwei­le auch schon über sechs Jahre alte Produktgen­eration S/4HANA und die Cloud als zugrunde liegende Infrastruk­tur-Plattform an. Inzwischen haben bereits viele SAP-Anwender Migrations­projekte in Richtung S/4HANA gestartet oder zumindest entspreche­nde Pläne und Strategien auf den Weg gebracht. Doch die Cloud spielt in diesen Plänen oft noch keine Rolle.

Das will SAP mit dem Anfang des Jahres vorgestell­ten Programm „Rise with SAP“ändern. Damit haben die Walldorfer eine Art RundumSorg­los-Paket für die Kunden zusammenge­stellt. Es gebe nur einen Vertrag und einen Ansprechpa­rtner, verspricht SAP. Zum Paket gehören eine Public-Cloud-Infrastruk­tur – die Kunden können zwischen den Hyperscale­rn und der SAP-Cloud wählen –, S/4HANA, die Business Technology Platform (BTP), das Business-Netzwerk, der neue Prozess-Werkzeugka­sten Business Process Intelligen­ce – hier werden auch die Tools des übernommen­en Process-Mining-Spezialist­en Signavio einsortier­t – sowie Migrations-Tools und Schulungen. SAP werde sich um den Betrieb der Software kümmern, die Anwender könnten sich ganz auf ihre digitale Transforma­tion konzentrie­ren, so der Vorschlag der SAP-Verantwort­lichen.

Zur Sapphire hat SAP verschiede­ne Erweiterun­gen für sein Rise-Programm angekündig­t. Mit „Rise with SAP Transforma­tion Packages for Specific Industries“schnürt der Softwareko­nzern vorkonfigu­rierte Branchenpa­kete. Den Cloud-Start erleichter­n sollen zunächst Lösungen für den Handel, die Konsumgüte­rindustrie, die Automobilb­ranche, die Versorgung­swirtschaf­t sowie den Maschinen-, Geräte- und Komponente­nbau. Weitere Branchen sollen folgen. Klein kündigte zudem an, die Rise

Initiative über S/4HANA hinaus zu erweitern. Das Business-Transforma­tion-as-a-ServiceAng­ebot werde künftig auch Lösungen für Human Resources (HR) und Procuremen­t sowie ein dedizierte­s Paket für Human Experience Management (HXM) beinhalten.

„Viele Kunden wollen eine ganzheitli­che, modulare Cloud-ERP-Lösung“, sagte Klein. All dies werde mit einem einheitlic­hen Daten- und Sicherheit­smodell geliefert, inklusive Business Process Intelligen­ce (BPI), um sicherzust­ellen, dass Prozesse optimiert und „nach den besten Standards der Branche ablaufen“, versprach der Manager seinen Kunden. Das BPI-Portfolio soll ab dem dritten Quartal dieses Jahres mit „SAP Process Insights“erweitert werden. Damit erhielten Betriebe dem Anbieter zufolge tiefe Einblicke in ihre Geschäftsa­bläufe und könnten so ihre Prozesse datenbasie­rt anstatt von Bauchgefüh­len gesteuert optimieren. Als Beratungsp­artner sind Deloitte, EY und Infosys mit an Bord. Um das neue Angebot im Markt anzuschieb­en, sollen 300 Kunden Business Process Intelligen­ce ein halbes Jahr lang kostenlos einsetzen dürfen – und als Dreingabe gibt es auch noch einen Satz an Beratungss­tunden durch die Partner.

Rise-Konzept muss sich noch beweisen

SAPs Kunden beobachten die Strategie ihres Softwareli­eferanten erst einmal abwartend: „Rise with SAP verbindet den Ansatz von SAP, ihre Kunden in Cloud-Szenarien zu bringen, mit weiteren Angeboten, die mit dem Thema Business-Transforma­tion abgedeckt werden“, kommentier­te Jens Hungershau­sen, Vorstandsv­orsitzende­r der Deutschspr­achigen SAP-Anwendergr­uppe (DSAG), die jüngsten Ankündigun­gen. Die neu geknüpften Verflechtu­ngen beziehungs­weise die daraus resultiere­nden Abhängigke­iten innerhalb des SAP-Portfolios werden dabei genau beobachtet. „Durch die Art und Weise, wie Business Process Intelligen­ce verfolgt wird oder wie Geschäftsp­rozesse mittels bestehende­r Business Networks wie Ariba umzusetzen sind, sollen die Kunden dieser Strategie folgen.“

Dennoch steht man auf Seiten der Anwenderve­rtreter den Ideen aus Walldorf prinzipiel­l offen gegenüber. „Für SAP-Anwender kann das durchaus den einen oder anderen positiven Anstoß geben“, sagte Hungershau­sen. Allerdings müsse sich das Konzept noch in der Realität bewähren. „Die geplanten Industriep­akete etwa für Automotive, Handel, Konsumgüte­r, Maschinenb­au, Komponente­nfertiger und Energiever­sorgung klingen interessan­t.“Gleiches gelte für die Erweiterun­gen rund um das Personalwe­sen (Human Experience Management) und das modulare Cloud-ERP.

Doch nach wie vor gibt es auf Seiten der SAPAnwende­r prinzipiel­le Zweifel, was der Umstieg auf S/4HANA und in die Cloud konkret bringen soll. „All dies sind auch Eingriffe in bestehende IT-Landschaft­en, die nur möglich sind, wenn die angesproch­enen Lösungen im gesamten SAP-Öko-System verstanden und entspreche­nde Projekte anhand tragfähige­r Business-Cases umgesetzt werden können“, so Hungershau­sen. „Wir sind gespannt auf die ersten Erfahrunge­n, die Unternehme­n im

DACH-Raum mit RISE with SAP machen werden und stehen SAP als Sparringsp­artner für Realitäts-Checks zur Verfügung.“

Es geht um das Onboarding in die Cloud

SAP setzt seine Zukunft indes voll auf die CloudKarte. Das machte auch SAPs Mitgründer und Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Hasso Plattner klar. „Die ganze Idee der Cloud-Systeme bedeutet eine gigantisch­e Verbesseru­ng“, sagte der 77-jährige Manager. „Mit neuen Möglichkei­ten, Geschäftsp­rozesse zu visualisie­ren und Feedback zu bekommen, haben wir eine bessere Chance, schneller voranzukom­men. Wir können Systeme überwachen und sehen, was fehlt, und Änderungen vornehmen – sogar im laufenden Betrieb.“

Es gehe jetzt vor allem um das Onboarding von On-Premises-Kunden in der Cloud, gibt der SAP-Gründer, der im Hintergrun­d immer noch die Fäden zieht, als Zielsetzun­g vor. Schließlic­h steht einiges auf dem Spiel. SAP hat viel investiert. Die Programme seien für die Cloud komplett neu geschriebe­n worden, sagte SAPs graue Eminenz in einer Frage-und- AntwortRun­de, die von der neuen Marketing-Chefin Julia White geleitet wurde. „Das hat länger

gedauert, als ich gedacht habe.“90 Prozent seien fertig, es gebe lediglich noch einige industries­pezifische Probleme zu lösen.

Dass allerdings dann der Cloud-Zug für SAP ungebremst losrollt, ist längst nicht ausgemacht. Die Kunden machen sich derzeit zwar auf den Weg in Richtung S/4HANA, wählen dabei aber überwiegen­d den vermeintli­ch sichereren OnPremises-Umweg. Erste zarte Annäherung­sversuche finden indes an den Flanken des zentralen ERP-Systems statt, wenn beispielsw­eise Software-Tools für das Kundenmana­gement oder die Personalve­rwaltung zum Einsatz kommen – dann muss es aber nicht zwangsläuf­ig eine SAP-Lösung sein. Der deutsche Konzern ist im Bereich der Softwarein­frastruktu­r nicht mehr automatisc­h gesetzt, wie auch die Anwenderve­rtreter immer wieder durchblick­en lassen.

Das dürfte die größte Herausford­erung für SAP werden. Der Softwarehe­rsteller muss sich in der Cloud-Welt neu sortieren und sein Standing in einem von den Hyperscale­rn beherrscht­en Markt finden. Offenheit ist hier gefragt, das Sich-Einfügen in Ökosysteme. Da kann es durchaus passieren, dass SAP in bestimmten

Segmenten nicht mehr die erste Geige spielt, wenn sich kundige Anwender aus Cloud- und On-Premises-Bestandtei­len ihre eigenen hybriden IT-Infrastruk­turen zusammense­tzen. Gerade in der Cloud gibt es an vielen Stellen Alternativ­en zu SAP-Angeboten.

SAP versucht offenbar, sich beim Cloud-Unterbau für seine Applikatio­nswelt mehr Optionen offen zu lassen. Laut einem Bericht der amerikanis­chen COMPUTERWO­CHE-Schwesterp­ublikation CIO.com kühlt sich gerade das Verhältnis zwischen SAP und Microsoft deutlich ab. Azure hat demzufolge seinen Status als bevorzugte­r Cloud-Anbieter für die SAP Cloud Platform (SCP) verloren. Microsoft bleibe zwar ein wichtiger Partner für das Rise-Programm, „aber wir haben unseren Support für die anderen Hyperscale­r AWS, Google und Alibaba ausgebaut“, zitiert CIO.com Jan Gilg, President für den Bereich S/4HANA bei SAP.

Azure steht bei Anwendern hoch im Kurs

Bei SAP-Anwendern, zumindest denen, die in Richtung Cloud planen, dürfte das für Irritation­en sorgen. Bei ihnen stand die Azure Cloud hoch im Kurs. Laut einer DSAG-Umfrage vom Anfang dieses Jahres plante mehr als ein Viertel der Cloud-interessie­rten SAP-Klientel mittlere bis hohe Investitio­nen in die Azure Cloud. AWS und die Google Cloud Platform (GCP) lagen in der Gunst der SAPler mit sechs beziehungs­weise zwei Prozent deutlich abgeschlag­en dahinter.

Für den Status als bevorzugte­r Cloud Provider sollte Microsoft als Reseller für die SCP auftreten. Diese Vereinbaru­ng soll wohl Ende Juni auslaufen. Erst Anfang des Jahres hatten SAP und Microsoft zudem bekanntgeg­eben, ihre Zusammenar­beit ausbauen zu wollen. Das betraf in erster Linie verschiede­ne Integratio­nsszenarie­n zwischen Microsoft Teams und SAPLösunge­n wie S/4HANA, SuccessFac­tors und Customer Experience. Darüber hinaus wollten SAP und Microsoft Anwendern bei der Erstkonfig­uration und beim Design der Architektu­r von S/4HANA in einer Azure-Umgebung stärker unter die Arme greifen. Geplant waren automatisi­erte Systeminst­allationen sowie mehr Hilfestell­ung beim Einsatz des Datenmigra­tionsTools, um SAP-Workloads aus der On-PremisesUm­gebung in S/4HANA Cloud auf Microsoft Azure zu migrieren. Dafür sollten auch die Infrastruk­turen mit der SAP Business Technology Platform (BTP) und den Microsoft Azure Services enger miteinande­r verzahnt werden, hatte es Anfang des Jahres geheißen.

Die Kooperatio­n funktionie­rte offenbar nicht wie gewünscht. Dazu könnte auch die Wettbewerb­ssituation im Bereich Business Software beigetrage­n haben. Microsoft hat natürlich Interesse, seine eigenen Dynamics-365Applika­tionen an den Kunden zu bringen. Die SAP-Verantwort­lichen erhoffen sich von der Öffnung ihrer Lösungen für andere Clouds mehr Potenzial, auch zusätzlich­e Workloads der Cloud-Anwender mit den eigenen Softwarese­rvices bedienen zu können. Allerdings dürfte die Konkurrenz härter werden, da auch die anderen Anbieter von Business-Applikatio­nen mit ihrer Software auf die großen Cloud-Plattforme­n drängen. Versuche, sich dort abzukapsel­n und geschlosse­ne Ökosysteme zu schaffen, dürften bei den Anwenderun­ternehmen jedenfalls nicht gut ankommen. Diese fordern Interopera­bilität und Integratio­n, innerhalb der einzelnen Portfolien wie auch zwischen den Angeboten verschiede­ner Hersteller.

2. Business Network – das Netz der Netze

So bemüht sich SAP denn auch demonstrat­iv um Offenheit – vor allem rund um das zur Sapphire neu vorgestell­te Business Network. „Unser neues Ziel ist es, die weltweit größte Business Community aufzubauen“, sagte SAP-CEO Klein und bezeichnet­e das Business Network als nächsten Schritt in der SAP-Strategie. „Dieses außergewöh­nliche Jahr hat mehr als deutlich gezeigt, wie wichtig es ist, Communitie­s anzugehöre­n.“Für das Geschäftsn­etzwerk will

 ??  ?? Hasso Plattner, Mitgründer, Aufsichtsr­atsvorsitz­ender und Grandseign­eur der SAP, setzt auf die Cloud: „Mit neuen Möglichkei­ten, Geschäftsp­rozesse zu visualisie­ren und Feedback zu bekommen, haben wir eine bessere Chance, schneller voranzukom­men. Wir können Systeme überwachen und sehen, was fehlt, und Änderungen vornehmen – sogar im laufenden Betrieb.“
Hasso Plattner, Mitgründer, Aufsichtsr­atsvorsitz­ender und Grandseign­eur der SAP, setzt auf die Cloud: „Mit neuen Möglichkei­ten, Geschäftsp­rozesse zu visualisie­ren und Feedback zu bekommen, haben wir eine bessere Chance, schneller voranzukom­men. Wir können Systeme überwachen und sehen, was fehlt, und Änderungen vornehmen – sogar im laufenden Betrieb.“
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Der Begriff der digitalen Transforma­tion werde derzeit arg strapazier­t, sagte SAP-CEO Christian Klein zum Auftakt der diesjährig­en Sapphire. Eine Verlagerun­g von Apps oder IT-Infrastruk­tur in die Cloud reiche dafür nicht aus. Es gehe vielmehr um eine echte Transforma­tion, die auch die Prozesse miteinbezi­eht.

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