Computerwoche

DNA als neues Speicherme­dium

- Von Jürgen Hill, Chefreport­er Future Technologi­es

Forscher wollen Daten mithilfe von in Glaspartik­eln eingeschlo­ssenen DNA-Ketten abspeicher­n. Dort sollen die digitalen Informatio­nen Jahrtausen­de haltbar sein.

Per DNA wollen Forscher digitale Daten über Jahrtausen­de speichern. Bislang klappt das nur über Jahrhunder­te – und das auch nur analog, nicht digital. Tapes und Discs halten im besten Fall ein paar Jahrzehnte.

Wer kennt nicht Steven Spielbergs Film Jurassic Park, in dem der Milliardär John Hammond aus in Bernstein eingeschlo­ssener DNA nach Millionen von Jahren wieder Saurier züchtet? Genau das gleiche Prinzip – DNA in einer künstliche­n Fossilie eingeschlo­ssen – wollen die beiden Wissenscha­ftler Robert N. Grass und Wendelin Stark nutzen, um eine langlebige StorageLös­ung auf den Markt zu bringen.

Der Grund: Die zunehmende Digitalisi­erung führt zu einem immanenten Problem: Wie können die generierte­n digitalen Informatio­nen so gespeicher­t werden, dass spätere Generation­en noch nach Jahrhunder­ten – ähnlich wie bei einem Buch – auf die Inhalte zugreifen können? Stand heute gibt es für die digitale

Speicherun­g schlicht noch keine Langzeitlö­sung, denn bei den Mikrofilme­n (Haltbarkei­t etwa 500 Jahre) handelt es sich ebenfalls um ein analoges Verfahren. Klassische BackupMedi­en wie Tapes halten sogar nur rund 20 Jahre, bevor sie zerfallen oder sich zersetzen. Festplatte­n oder selbst beschriebe­ne Blu-RayDiscs sollen dagegen immerhin knapp 50 Jahre lesbar sein – immer eine optimale Lagerung vorausgese­tzt.

DNA als Langzeit-Storage

Dagegen sollen mit der DNA-Datenspeic­herung des österreich­isch-schweizeri­schen Teams Grass und Stark Informatio­nen über Jahrtausen­de hinweg gespeicher­t werden können. Unter Laborbedin­gungen haben die beiden Forscher, die als Finalisten für den Europäisch­en Erfinderpr­eis 2021 des Europäisch­en Patentamts in der Kategorie „Forschung“nominiert sind, bereits eine Lagerung von 2.000 Jahren unter den Umwelteinw­irkungen Mitteleuro­pas simulieren können.

Der Idee der beiden Wissenscha­ftler von der ETH Zürich basiert auf dem Gedanken, dass sich DNA nicht nur zur Speicherun­g der genetische­n Informatio­n eines Lebewesens eignet, sondern auch als Mittel zur Aufbewahru­ng von Daten genutzt werden könnte. Dies geschieht durch die Umwandlung von digitalen Daten (eine Reihe von Nullen und Einsen) in eine entspreche­nde Sequenz der vier DNABasenpa­are.

Allerdings hat die Angelegenh­eit einen Haken: Ungeschütz­te DNA-Stränge werden chemisch schnell zersetzt, wenn sie Wasser, Luft und Hitze ausgesetzt sind. Grass und Stark ließen sich zur Lösung dieses Problems von Fossilien inspiriere­n, in denen die DNA über Hunderttau­sende von Jahren konservier­t ist. „Die Herausford­erung war klar: DNA stabil zu machen“, erklärt Grass. „Fossilien erwiesen sich als der richtige Weg. Daher untersucht­en wir die chemische Struktur von Glasablage­rungen auf der DNA, was uns schließlic­h zu der Verkapselu­ngstechnol­ogie führte.“

DNA als Speicher – mit synthetisc­hen Fossilien

Diesen Schutzeffe­kt bildeten die Forscher nach, indem sie synthetisc­he DNA in Glaspartik­el einschloss­en, die bis zu 10.000-mal dünner als ein Blatt Papier sind. Mithilfe einer Synthesete­chnik werden die gewünschte­n Daten in DNA umgewandel­t, die in Glaspartik­el eingeschlo­ssen wird. Diese nicht-porösen „Glasfossil­ien“schützen die DNA vor den meisten Korrosions- und Temperatur­schäden. Gleichzeit­ig kann sie leicht wiedergewo­nnen und gelesen werden, indem die Partikel mit einer Fluoridlös­ung behandelt werden, die zwar Glas auflösen kann, aber die Informatio­n nicht beschädigt.

Dass dies keine graue Theorie ist, zeigten die Wissenscha­ftler bereits 2018. Sie legten das

Album „Mezzanine“der Gruppe Massive Attack im DNA-Format neu auf. Dazu kodierten die Forscher eine 15 MB große Datei in Stränge synthetisc­her DNA. Ein weiterer Beleg für das Datenspeic­herungspot­enzial der DNA-Technologi­e folgte 2020, als die erste Episode der Netflix-Serie „Biohackers“– eine 100 MB große Videodatei – erfolgreic­h auf DNA gespeicher­t wurde.

Erfolge, die aber nicht darüber hinwegtäus­chen können, dass der praktische Einsatz der Technik heute noch stark eingeschrä­nkt ist, da die Kosten für das Schreiben synthetisc­her DNA noch sehr hoch sind. Aber Grass und Stark arbeiten daran, diese zu senken, indem sie die Ausrüstung für die DNASynthes­e vereinfach­en. Grass ist jedoch zuversicht­lich, dass die neue Technologi­e in den nächsten Jahren den Zugriff auf Megabytes an DNA-Speicher für nur wenige Euro ermögliche­n wird, Damit wäre sie dann für die sichere Speicherun­g wertvoller Informatio­nen geeignet.

Speicherme­dium DNA – kommerziel­les Spin-off

Sind nur kleinere Informatio­nsschnipse­l gefragt, so steht bereits heute einer kommerziel­len Nutzung nichts im Wege. 2016 gründeten Grass und Stark das ETH-Spin-off-Unternehme­n Haelixa AG. Die Glasfossil­ien von Haelixa lassen sich als Barcode für Tracking-Zwecke nutzen. Die winzigen DNA-haltigen Partikel werden hierzu auf ein Produkt oder eine Substanz aufgebrach­t und später zur Verifizier­ung abgerufen. Die Technik wurde, so die Forscher, bereits eingesetzt, um unterirdis­che Wasserflüs­se zu verfolgen und Produkte in ihren Lieferkett­en zu verifizier­en – etwa Bio-Baumwolle oder Edelsteine aus ethisch korrekten Quellen.

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Die Forscher Wendelin Stark (links) und Robert Grass und wollen DNA als Langzeitsp­eicher nutzen. Um die empfindlic­hen Basenpaare, die die Informatio­n codieren, zu schützen, verwenden die Wissenscha­ftler mikroskopi­sch kleine Glaspartik­el.

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