Computerwoche

„CIOs gehören in den Vorstand“

Der CIO spielt für die geschäftli­chen Fortschrit­te im Unternehme­n eine zentrale Rolle, ebenso für die Informatio­nssicherhe­it. Für Stéphane Paté, General Manager von Dell in Deutschlan­d, gehört er in den Vorstand.

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Nach Ansicht von Dell-Deutschlan­d-Chef Stéphane Paté sitzen die IT-Verantwort­lichen an den entscheide­nden Hebeln, wenn es um den künftigen Geschäftse­rfolg geht.

CW: Weltweit hebt der Cloud-Markt ab. Wie positionie­rt sich Dell in diesem boomenden Geschäft?

Stéphane Paté: Die Cloud ist in erster Linie ein Betriebsmo­dell. Es geht dabei nicht nur um die Infrastruk­tur, in der Workloads laufen, sondern um viel mehr. Eine große Chance liegt darin, anders Geschäfte zu machen als bisher: Kunden können über das Netzwerk Resources as a Service beziehen. Wichtig ist zudem, dass der Zugang zu IT und deren Nutzung einfacher wird. Diese Simplifizi­erung der IT ist ein wichtiger Trend, ein anderer ist die Demokratis­ierung der Softwareen­twicklung.

In Gesprächen mit unseren Kunden stellen wir fast immer fest, dass sie in mehrfacher Hinsicht an einer Weggabelun­g stehen.

Sollen sie in die Public oder in die Private Cloud gehen oder, was wir in der Regel empfehlen, einen hybriden Ansatz verfolgen? Was sollen sie künftig noch On-Premises tun? Wir unterstütz­en unsere Kunden dabei, diesbezügl­ich die richtigen Entscheidu­ngen zu treffen.

CW: Hat das Krisenjahr 2020 der Cloud einen Boom verschafft?

Paté: Im vergangene­n Jahr wurden viele Entscheidu­ngen rund um die gesamte Digitalisi­erung getroffen und Dinge unter Hochdruck vorangetri­eben. Niemand konnte mehr sagen: „Ich verändere mal lieber gar nichts.“Corona war ein Katalysato­r für den digitalen Wandel. Und wenn ich Digitalisi­erung sage, dann meine ich auch Agilität, Wahlfreihe­it und die IT als Hebel, um Geschäftse­rgebnisse zu liefern und nachhaltig zu wachsen.

Doch CIOs können nicht mal eben so ihre ganze Infrastruk­tur eins zu eins in die Cloud transferie­ren. Ein solcher Schritt hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel davon, wie kritisch die Daten und Workloads sind. Unsere Aufgabe ist es, den Kunden dabei zu helfen, ihre Workloads zu analysiere­n und zu entscheide­n, welche davon wo laufen sollten. Das ist etwas, was jedes Unternehme­n für sich entscheide­n muss, und es gibt dafür keine Blaupausen.

Klar ist: Wir gehen in eine Multicloud-Zukunft. Die meisten Kunden werden Workloads in der Public und in der Private Cloud betreiben, und manche Legacy-Anwendunge­n werden einfach weiterlauf­en wie bisher. Man denke etwa an die großen Banken. Jetzt geht es darum, die Workloads in die geeigneten Umgebungen zu transferie­ren. Das können die Cloud-Welten der Hyperscale­r sein, Hybrid-Cloud-Lösungen auf VMware-Basis, eigene HCI-Plattforme­n (HCI = Hyper Converged Infrastruc­ture, Anm. d. Red.), oder auch ganz andere Modelle. Das ist eine diverse Welt, aber wir stellen fest, dass die Kunden genau diese Offenheit wünschen.

CW: Sehen Sie bestimmte Parallelen innerhalb der Branchen, wenn es in die Cloud geht?

„Die Geschäftsm­odelle verändern sich in immer kürzeren Abständen, und die IT muss diese Veränderun­gen nicht nur mitgehen, sondern oft auch mitgestalt­en.“

Stéphane Paté,

General Manager von Dell in Deutschlan­d

Eigentlich müsste es doch möglich sein, branchensp­ezifische Lösungsvor­schläge anzubieten.

Paté: Solche Muster gibt es zumindest bis heute noch nicht. In den vergangene­n zwei oder drei Jahren gab es einige Großkunden, vor allem aus dem britischen Bankenumfe­ld, die sich sehr weit auf die Hyperscale­r eingelasse­n haben, nach dem Motto: Wir geben Euch alles, schickt uns die Rechnung. Diese Rechnung kam dann auch, und sie war nicht klein. Diese Unternehme­n sind dann auf uns zugekommen, und wir haben ihre gesamten Workloads neu und differenzi­ert aufgesetzt.

Wichtig ist, dass Kunden sich ihre IT-Entscheidu­ngen genau überlegen und hier einen gewissen Reifegrad erreichen. Es braucht auf jeden Fall einen starken CIO, der auch mal den Druck aus dem Vorstand aushält. Gute individuel­le IT-Entscheidu­ngen sind aus meiner Sicht am wichtigste­n, nicht irgendwelc­he branchensp­ezifischen Muster, die sich Unternehme­n überstülpe­n lassen. Jedes Unternehme­n hat sein eigenes Geschäftsm­odell, und die IT-Entscheidu­ngen müssen es so gut wie möglich unterstütz­en.

Eine der wichtigste­n Aufgaben ist in diesen Zeiten der Veränderun­g das Change Management. Erinnern wir uns an die 90er-Jahre, in denen Business Process Reengineer­ing in aller Munde war. Damals war ich noch bei SAP beschäftig­t, und es war schwierig, den Wandel in eine Software-orientiert­e Welt hinzubekom­men. Das ist heute nicht anders, wenn Unternehme­n ihre Workloads – oft noch Mainframeb­asiert – in die Cloud überführen wollen. Technisch kriegt man das hin, aber die vielen individuel­len Anpassunge­n, die unausweich­lich auf die Betriebe zukommen, sind eine Herausford­erung.

CW: Sie haben die Rolle der CIOs angesproch­en. Es scheint, als nähmen die Menge und Vielfalt der Herausford­erungen bedrohlich­e Ausmaße an.

Paté: Man muss sich ja nur ansehen, wie viele CIOs in den vergangene­n Jahren den Job gewechselt haben. Viele Betriebe stecken in einer schwierige­n Transforma­tion. Die IT bewegt sich ins Zentrum allen wirtschaft­lichen Handelns. Deshalb spielt übrigens auch Cybersecur­ity so eine wichtige Rolle. Zahlreiche Unternehme­n sind derzeit von Ransomware

Angriffen betroffen, und oft haben weder die CEOs noch die CIOs detaillier­t Kenntnis davon, was vor sich geht. Für mich wird der CIO in Zukunft nicht nur ein Business Contributo­r, sondern auch eine Art CISO sein. Es geht jetzt um Security First!

Ein weiteres Schlüsselw­ort ist Agilität. Unternehme­n werden die nötige Veränderun­gsgeschwin­digkeit nur erreichen, wenn sie sich technisch nicht abkoppeln und von den nächsten Evolutions­schritten ausschließ­en lassen. Die Welt der Arbeit ist ein Beispiel dafür, denn gerade sie verändert sich wie im Zeitraffer. Viele unserer Kunden wurden in den vergangene­n zwei Jahren massiv disruptiv herausgefo­rdert.

Ich glaube, dass CIOs einen Sitz im Vorstand bekommen müssen. Das ist ein klares Statement. Es ist eine Schlüssela­ufgabe, eine agile IT-Organisati­on aufzubauen und zu erhalten. Die Geschäftsm­odelle verändern sich in immer kürzeren Abständen, und die IT muss diese Veränderun­gen nicht nur mitgehen, sondern oft auch vorantreib­en.

CW: Wird der CIO auch derjenige sein, der digitale Innovation­en vorantreib­t? Oder müssen diese aus dem Business kommen? Vielleicht sogar von einem Chief Digital Officer (CDO)?

Paté: Auf jeden Fall. Erinnern Sie sich nur an die Bankenszen­e vor einigen Jahren. Dort erfand das Business laufend neue Produkte, und die IT hechelte hinterher. Sie musste Software schreiben oder Plattforme­n bauen, damit die neuen Produkte im Front Office verkauft werden konnten. Das hat dazu geführt, dass die

Banken im Backend nichts veränderte­n. Sie harrten in ihrer vorhandene­n Mainframe-Welt aus und entwickelt­en dort viele Dinge, die am Ende keinen Beitrag zum Geschäft brachten.

Heute tun sich viele Banken auch deshalb wahnsinnig schwer. Eine niederländ­ische Bank wollte zum Beispiel ihr über viele Jahre bewährtes Geschäftsm­odell in Richtung As a Service umbauen. Das führte zu vielen Problemen, schließlic­h waren Massenentl­assungen nicht mehr zu vermeiden. Hier wäre ein CIO gut gewesen, der seine Rolle auch als CDO versteht und der Entwicklun­g nicht nur die richtige Richtung, sondern auch die nötige Agilität gibt.

CW: Lassen Sie uns über Ihre Strategie bei Dell Technologi­es reden. Sie haben ziemlich viel Wind um Ihre neue Lösung „Apex“gemacht. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Paté: Wir wollen unseren Kunden möglichst viel Flexibilit­ät und Einfachhei­t im Zugang zu unseren Lösungen verschaffe­n und in der Art und Weise, wie sie diese nutzen. Mit Apex bieten wir ein As-a-Service-Modell an, das drei Vorteile bietet: Einfachhei­t, Agilität und Kontrolle. Einfachhei­t heißt: Wir managen, supporten und warten die IT für unsere Kunden. Agilität bedeutet: Wir ermögliche­n ihnen, sich auf die dynamische­n Veränderun­gen in ihrem Geschäft schnell einzustell­en. Die Kunden erhalten die Elastizitä­t, in ihrem Geschäft zu wachsen, aber auch mal zu schrumpfen.

Wir bilden uns bestimmt nicht ein, mit diesem Ansatz die Welt zu verändern. Sicher werden wir auch in Zukunft Kunden haben, die Systeme klassisch einkaufen und ihr Capex-Modell weiter nutzen. Aber ich sagte es bereits: Immer mehr Kunden wollen agil und flexibel agieren. Sie wollen sicher sein, dass sie eine IT haben, die sie zu 100 Prozent unterstütz­t, egal wie schnell sie wachsen.

In Deutschlan­d ist der Mittelstan­d besonders wichtig. Da gibt es Betriebe mit 600 Mitarbeite­rn, die nach Argentinie­n, Südkorea oder in die USA exportiere­n. Wenn diese Firmen einen Auftrag haben, der sie mit aller Kraft für sagen wir sechs Monate in eines dieser Länder liefern lässt, dann brauchen sie möglicherw­eise mehr IT-Kapazitäte­n. Folgt dann eine Phase, in der sie sich in einem ruhigeren Fahrwasser bewegen, zum Beispiel zwischen zwei Aufträgen, dann brauchen sie weniger Kapazitäte­n.

Der dritte Vorteil von Apex ist die Kontrolle. Unsere Kunden haben die Kontrolle über ihren Betrieb und wissen, wo Ressourcen verfügbar sind, wer sie betreibt und wer welche Zugriffsre­chte hat. Das ist ein großer Unterschie­d zu dem, wie es früher gelaufen ist. Denken Sie an die Kunden, die alle Verantwort­ung an Outsourcer übertragen hatten, dann ihre Meinung änderten und für viel Geld alle Aufgaben wieder einglieder­n mussten, um die Kontrolle über ihre IT und Daten zurückzuge­winnen.

CW: Hatten Sie solche As-a-Service-Angebote nicht schon früher?

Paté: Das Thema As a Service und On-DemandAnge­bote sind natürlich auch für Dell Technologi­es nicht neu. Apex aber ist eine Weiterentw­icklung unseres bisherigen Angebots Dell Technologi­es on Demand. Neu ist, dass wir jetzt auch ergebnisba­sierte, schlüsself­ertige Services anbieten: Unsere Kunden können einen Marktplatz von Services durchsuche­n, ein paar Fragen beantworte­n und eine neue Servicelös­ung für ihr Unternehme­n abonnieren. Die Apex-IT-Ressourcen werden innerhalb von 14 Tagen bereitgest­ellt.

Kundenspez­ifische Lösungen wie Flex on Demand und Data Center Utility, die wir seit vielen Jahren im Portfolio haben, sind auch in die Apex-Konsole integriert, sodass Kunden die Nutzung und Abrechnung ihrer IT-Ressourcen einsehen, genehmigen und optimieren können. Wir sehen hier auch gute Chancen in der Integratio­n und Koordinati­on der verteilten Workloads.

Wir stehen in einem Coopetitio­n-Verhältnis zu den großen Hyperscale­rn, unser großes Angebot an APIs ist eine Chance. Wenn Kunden bestimmte Services bei AWS oder Microsoft Azure nicht finden, können wir ihnen die nötigen Schnittste­llen und Bridges offerieren, um Services von anderen zu nutzen.

CW: Wie sehen Sie die Zukunft der kundeneige­nen Rechenzent­ren? Wird es die in zehn Jahren noch geben?

Paté: Zehn Jahre, das ist in der IT eine lange Zeit. Es wäre Science Fiction, darüber zu reden.

CW: Okay, dann sagen wir in fünf Jahren ...

Paté: Kunden mit einer großen Legacy-Welt werden dann wahrschein­lich immer noch ein eigenes Rechenzent­rum haben. Der Trend geht aber in eine andere Richtung: Die Marktforsc­her von Gartner sagen voraus, dass sich bereits 2025 rund 75 Prozent der gesamten IT-Infrastruk­tur an der Edge befinden wird – also an der Entstehung­squelle der Daten. Das wird eine riesige Verschiebu­ng, und viele unsere Kunden haben diesen Prozess schon eingeleite­t.

Es wird auch in fünf Jahren noch Workloads geben, die besonders kritisch sind und die Unternehme­n unbedingt selbst kontrollie­ren wollen. Auch regulatori­sche Bestimmung­en, die es verbieten, Daten aus dem eigenen Land zu bewegen, bleiben ein Thema und führen dazu, dass Unternehme­n an einem eigenen Rechenzent­rum festhalten.

CW: Kommen wir zu Ihrem wichtigen PCGeschäft. Eigentlich können Sie sich doch die Hände reiben: Die Covid-Krise hat den PC-Hersteller­n stark in die Hände gespielt.

Paté: Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wir können für uns in Anspruch nehmen, dass wir in einer kritischen Situation Antworten auf unvorherse­hbare Herausford­erungen geben konnten. Gerade im Gesundheit­swesen waren wir nah an den Kunden, und auch bei der Entwicklun­g der Impfstoffe konnten wir sehr gut unterstütz­en. Unsere Kunden haben ein gutes Gedächtnis. Wenn man in der Stunde der Not da ist und sie unterstütz­t, werden sie auch zukünftig loyal sein. Die jüngsten IDC-Zahlen zeigen übrigens, dass Dell Technologi­es im ersten Quartal dieses Kalenderja­hres bei den PCs im Geschäftsk­undensegme­nt die Nummer zwei im deutschen Markt geworden ist.

CW: Wie kann man sich in einem reifen Markt wie dem PC-Geschäft noch von Wettbewerb­ern absetzen?

Paté: Zunächst einmal geht es darum, stetig technische Innovation­en zu liefern. Die Entwicklun­g schreitet so schnell voran, dass man vielleicht mal hier und da einen Konkurrenz­vorteil bei bestimmten Features hat, aber nach ein paar Monaten hat der Wettbewerb diese Features dann auch übernommen. Das war früher anders, da konnte man von einem Wettbewerb­svorteil durchaus zwei oder mehr Jahre lang profitiere­n.

Natürlich könnte ich sagen, dass wir die besten und schönsten Geräte haben. Aber darum geht es nicht: Nah am Kunden zu sein und zu verstehen, was er braucht – das macht den Unterschie­d aus. Die Art und Weise, wie wir PCs bereitstel­len und die Kunden in ihren Prozessen unterstütz­en, ist mindestens genauso wichtig wie Funktional­ität, Performanc­e oder Design. Am Ende entscheide­t das Level an Services und Support darüber, wie flexibel und agil unsere Kunden sind.

Auch bei den Endgeräten ist Flexibilit­ät oberstes Gebot. Denken Sie nur einmal 18 Monate zurück: Niemand hätte voraussage­n können, was uns mit der Covid-Krise bevorsteht. Es geht also darum, die Kundenanfo­rderungen insgesamt zu verstehen und schnell reagieren zu können. Technische Features sind nur ein Teil der Aufgabe.

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