Impfpflicht in Unternehmen?
Viele Firmen ermöglichen ihren Beschäftigten eine Impfung. Aber ist das Impfangebot ein echtes Angebot, oder ist der Arbeitnehmer dazu nicht auch verpflichtet?
Seit einigen Tagen sind Betriebsärzte in die Impfkampagne eingebunden. Viele Firmen ermöglichen ihren Beschäftigten damit eine Impfung. Aber ist das Impfangebot ein echtes Angebot, oder ist der Arbeitnehmer dazu nicht auch verpflichtet?
Mit Beginn der betrieblichen Impfkampagne sind auch die gesetzlichen Vorgaben zur Impfpriorisierung weitgehend aufgehoben worden. Geimpft wird, wer möchte – sofern denn ausreichend Impfstoff vorhanden ist. In Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, ist dieser beim Ablauf der betrieblichen Impfkampagne zu beteiligen und hat ein Mitbestimmungsrecht, da es sich um Fragen des betrieblichen Gesundheitsschutzes handelt (Paragraf 87 Absatz 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz).
Zudem müssen Unternehmen datenschutzrechtliche Fragen beachten und insbesondere mit den besonders sensiblen Gesundheitsdaten der Arbeitnehmer sorgsam umgehen. Schließlich muss sich ein Betrieb die Frage stellen, wer die Impfung formal anbietet. Ist dies der Betriebsarzt, der die Aufklärung übernimmt, die Einteilung der Impflinge vornimmt und letztlich die Impfung nebst Dokumentation umsetzt und damit formaler Vertragspartner des Behandlungsvertrags mit dem Arbeitnehmer wird? Oder ist das Unternehmen eng in die Organisation miteingebunden? Ist Letzteres der Fall, kann bei etwaigen Impffolgeschäden nämlich auch das Unternehmen neben dem Betriebsarzt in Haftung genommen werden, wie das Bundesarbeitsgericht anlässlich Grippeimpfungen bereits entschieden hat (BAG, Urt. v. 21.12.2017, 8 AZR 853/16).
„Die Impfungen der Arbeitnehmer sind ein reines Angebot. Eine Pflicht des Arbeitnehmers, sich impfen zu lassen, besteht derzeit nicht“, so Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM Rechtsanwälte sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Dies gelte solange es keine gesetzliche Impfpflicht gibt.
„Der Gesetzgeber ist aber frei, eine gesetzliche Impfpflicht einzuführen. Das Infektionsschutzgesetz lässt eine solche Möglichkeit ausdrücklich zu“, so der Hamburger Arbeitsrechtler.
Denkbar wäre etwa die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht für Beschäftigte bestimmter Berufe wie etwa im Gesundheitswesen oder in der Altenpflege. Derartige gesetzliche berufsspezifische Bestimmungen sind nichts Neues, wie auch die erst 2020 eingeführte Pflicht zur Impfung von Schülern oder Lehrern gegen Masern zeige, argumentiert Fuhlrott. „Sollte es eine gesetzliche Impfpflicht geben, werden Arbeitgeber deren Befolgung natürlich von ihren Arbeitnehmern verlangen dürfen“, so der Arbeitsrechtsanwalt. Impfunwillige müssen in der Regel aber nicht mit einer Kündigung rechnen. Nur in besonderen Beschäftigungsverhältnissen könnte es Ausnahmen geben, meint Fuhlrott: „Lassen sich Beschäftigte in einem Altenpflegeheim nicht impfen und stellen damit eine Gefahr für die Bewohner des Heims dar beziehungsweise verlangen die Heimbewohner, sich nur von Geimpften pflegen zu lassen, kann eine Kündigung wegen Wegfalls der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers in Betracht kommen.“
Eine Incentivierung der geimpften Arbeitnehmer darf hingegen erfolgen. Da es sich um eine Frage des betrieblichen Gesundheitsschutzes handelt, darf eine Firma „Belohnungen“für Impfungen anbieten. „Dies kann ein Tag Extraurlaub oder auch ein finanzieller Anreiz sein“, so Fuhlrott. Auch mehr Freiheiten für geimpfte Arbeitnehmer seien im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zum Arbeitsschutz möglich – wie etwa ein Zutrittsrecht zur Kantine für geimpfte Beschäftigte oder auch perspektivisch eine Befreiung von der Maskenpflicht.
„Sollte es eine gesetzliche Impfpflicht geben, werden Arbeitgeber deren Befolgung natürlich von ihren Arbeitnehmern verlangen dürfen.“
Michael Fuhlrott, Professor für Arbeitsrecht