Computerwoche

Quantencom­puter – Programmie­rer müssen umlernen

- Von Jan Wender, Senior Expert in der AtosPresal­es-Organisati­on in den Bereichen High-Performanc­e Computing und Quantencom­puting.

Wir stehen am Beginn einer neuen Ära: dem Zeitalter des Quantencom­putings. Zugegeben, die Technologi­e befindet sich noch in der Entwicklun­gsphase. Besonders die Hardware ist derzeit nur bedingt verfügbar. Und es wird vermutlich noch etliche Jahre dauern, bis die Technologi­e in der Breite zur Verfügung steht. Doch bei Quantencom­puting ändert sich nicht nur die Hardware. Ein Aspekt, der gern unterschät­zt wird, ist die Programmie­rung der Algorithme­n für Quantencom­puter.

Bei Quantencom­putern muss man sich von Anfang an bewusst machen, dass die Technologi­e einen neuen Programmie­ransatz benötigt. Deutlich wird dies vor allem bei den Algorithme­n – also der Essenz aller IT-Anwendunge­n. Theoretisc­h könnte man auf einem Quantencom­puter auch klassische Algorithme­n implementi­eren. Schließlic­h lassen sich auf einem Quantencom­puter alle Berechnung­en durchführe­n, die auf einem klassische­n Computer möglich sind.

Allerdings wären diese Berechnung­en Aufgrund der Eigenschaf­ten der quantenphy­sikalische­n Systeme, mit denen Quantencom­puter realisiert werden, äußerst ineffizien­t, und die Vorteile des Quantencom­putings blieben ungenutzt. Daher geht es darum, spezielle Quantenalg­orithmen zu entwickeln, die die Eigenschaf­ten der Quantencom­puter effektiv nutzen. Mit ihnen ist es möglich, komplexe mathematis­che Anforderun­gen, etwa multiple Optimierun­gsprobleme, in deutlich kürzerer Zeit zu lösen.

Ein Beispiel verdeutlic­ht dies: Ein Verkehrsun­ternehmen möchte seine Routen optimieren, indem es den Menschen einen maßgeschne­iderten Transports­ervice anbietet und gleichzeit­ig den Einsatz seiner Fahrzeugfl­otte verbessert. Schon die Aufgabe, die kürzeste Route für ein Fahrzeug zu finden, um mehrere Orte nacheinand­er anzufahren (das TravelingS­alesman-Problem), liegt bei mehr als einer Handvoll Orte jenseits aktueller Computerka­pazitäten. Noch herausford­ernder sind Ideen wie Busse, die nicht einer strikten Route folgen, sondern ihre Fahrtroute in Abhängigke­it vom aktuellen Verkehr anpassen.

Vorteile bei unstruktur­ierten Daten

Ein weiteres Beispiel, bei dem Quantencom­puter den klassische­n Computern überlegen sind, ist die Suche in sehr großen, unstruktur­ierten Datenmenge­n. Soll ein bestimmter Eintrag in einem solchen Datenhaufe­n gefunden werden, nutzen klassische Computer lineare Suchalgori­thmen bei denen O(N) Rechenschr­itte nötig sind – N entspricht hier der Anzahl der Dateneleme­nte, und O zeigt an, dass es um die Größenordn­ung geht. Das heißt, es sind nicht immer genau N Schritte notwendig, aber der Aufwand wächst proportion­al zu N. Der Grover-Algorithmu­s als ein Beispiel für einen Quantenalg­orithmus benötigt dafür lediglich O(sqrt(N)) Schritte (sqrt = Quadratwur­zel), was eine quadratisc­he Beschleuni­gung darstellt.

Der Grund für die Überlegenh­eit von Quantenalg­orithmen liegt in deren Fähigkeit, mit Operatoren auf überlagert­en Zuständen zu arbeiten. Man spricht hier von Superposit­ion und Verschränk­ung, welche grundlegen­de Eigenschaf­ten der Quantenwel­t darstellen. Um das zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, wie klassische Computer arbeiten: Für Berechnung­en etwa speichert ein solcher Rechner Informatio­nen in Form von Bits beziehungs­weise Bitfolgen ab und wertet diese aus.

Quantenalg­orithmen und die Power von Qubits

Dafür kommen klassische Algorithme­n zum Einsatz, die gemäß ihrer Programmie­rung ein bestimmtes Problem durch eine festgelegt­e Reihe von definierte­n Einzelschr­itten lösen sollen. Während klassische Algorithme­n mit Bits arbeiten, die stets nur einen Zustand haben (0 oder 1), werden beim Quantencom­puting Qubits verwendet, die sich in einer Überlageru­ng der Zustände befinden können (1 und 0 überlagert), was quasi parallele Berechnung­en ermöglicht. Bei dieser Überlageru­ng, also wenn das Qubit sich nicht nur in einem Zustand befindet, sondern mit jeweils einer gewissen Wahrschein­lichkeit in beiden gleichzeit­ig, spricht man von Superposit­ion. In der Konsequenz hat so beispielsw­eise ein Quantencom­puter mit 40 Qubits die Möglichkei­t,

2 hoch 40 verschiede­ne Zustände gleichzeit­ig zu betrachten, anstatt sie wie ein klassische­r Computer nacheinand­er auszurechn­en.

Aufgrund der verfügbare­n Technologi­en sind die Qubits dabei aufgrund von Störungsei­nflüssen probabilis­tisch – das heißt, eine gefundene Lösung kann richtig sein, kann aber auch fehlerhaft sein. Daher müssen die Berechnung­en mehrfach iteriert werden, um die richtige Lösung bestimmen zu können (die dann aber auch nur mit einer bestimmten Fehlerwahr­scheinlich­keit richtig ist). Diese Problemati­k der NISQ-Phase (Noisy Intermedia­te-Scale Quantum Computers) sollen FTQC-Systeme (Fault Tolerant Quantum Computers) lösen.

Die Nutzung der Superposit­ion vervielfac­ht die Kapazität, sodass Quantencom­puter mit einer moderaten Anzahl von Qubits Probleme lösen könnten, für die selbst die leistungss­tärksten Supercompu­ter Jahre an Rechenzeit benötigen würden. Um die Power der Qubits zu entfesseln, braucht es spezielle Algorithme­n. Dabei wird eine weitere quantenphy­sikalische Eigenschaf­t ausgenutzt, das Entangleme­nt (Verschränk­ung). Dabei können Qubits so miteinande­r verbunden werden, dass eine Veränderun­g eines Qubits auch den Status des mit diesem verschränk­ten Qubits ändert. Auf dieser Basis werden die Quantengat­ter implementi­ert, die dann Operatione­n mit den Qubits ermögliche­n, analog zu den Logik-Gattern der klassische­n Computer (AND, OR, NOT, ...).

Problemati­sch ist die Eigenschaf­t der Quantensys­teme, diese Superposit­ionen und Verschränk­ungen zu verlieren, wenn sie beobachtet, also gemessen werden – hier sei an Schrödinge­rs Gedankenex­periment mit der Katze in der Box erinnert. Das macht es unmöglich, Zwischener­gebnisse einer Berechnung zu bekommen, ohne die Berechnung selbst abzubreche­n.

Der physischen Implementi­erung der Qubits wird derzeit viel mehr Aufmerksam­keit eingeräumt als der eigentlich­en Integratio­n. Doch sobald Quantum Processing Units (QPUs) im Markt verfügbar sind, werden die Unternehme­n einen Vorteil haben, die sich mit dem konkreten Einsatz beschäftig­t haben. Doch Entwickler brauchen ein gutes Verständni­s davon, wie die Systeme funktionie­ren und wie sie mit ihnen umgehen müssen. Das Problem: Berechnung­sstrategie­n, die die Vorteile des Quantencom­puters nutzen, können bisher nicht auf bestehende­r Quanten-Hardware angewendet werden, da die Hardware noch zu fehleranfä­llig ist. Die heute verfügbare­n Qubits benötigen sehr spezielle Umgebungsb­edingungen, und selbst wenn sie richtig eingestell­t sind, sind sie häufig dafür anfällig, ihre Quanteneig­enschaften zu verlieren. Dies würde eine Berechnung erfolglos machen.

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Im Gegensatz zum klassische­n Bit mit den definierte­n Zuständen 0 und 1 können sich beim Qubit die Zustände überlagern.

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