Verhilft die Chemiebranche der Blockchain zum Durchbruch?
In vielen Umfragen landet die Blockchain-Technologie auf den hinteren Plätzen, wenn es um bedeutende IT-Trends geht. Bettina Uhlich und Heinz-Günter Lux schreiben, warum das nicht so bleiben wird.
Die Diskussion ist allgegenwärtig: Ist die Blockchain als Technologie gescheitert? Oder wird sie ihren Siegeszug erst noch antreten? Bettina Uhlich, CIO des Spezialchemiekonzerns Evonik und Präsidentin des Anwendervereins Voice e.V., hat dazu gemeinsam mit ihrem Kollegen Heinz-Günter Lux, Senior Digital Strategist bei der Konzerntochter Evonik Digital, das Buch „Blockchain – Wirtschaft im Umbruch“verfasst. Die Autoren sind fest davon überzeugt, dass die Revolution gerade erst beginnt. Und ihrer Ansicht nach wird ausgerechnet die Chemieindustrie zum wichtigsten Treiber der noch immer jungen Technologie.
Über die Blockchain und Distributed-LedgerTechnologien im Allgemeinen ist in den vergangenen Jahren viel geschrieben worden: manchmal euphorisch, oft überkritisch und sehr oft inhaltlich zäh und unverständlich. Das ist in diesem, keineswegs nur für die Chemiebranche interessanten Buch ganz anders. Die Autoren argumentieren anschaulich und verlieren dabei die Perspektive der wirtschaftlichen Praxis und des Nutzens nie aus den Augen. Sie beginnen mit grundsätzlichen Überlegungen darüber, dass es bei der Blockchain im Kern immer darum gehe, Vertrauen durch Wissen zu ersetzen – etwa bei Finanztransaktionen, in der Zusammenarbeit in globalen Lieferketten oder beim Handel mit digitalen Gütern. Was erst einmal banal anmute, werde immer größere Dimensionen annehmen und könne letztendlich den Eintritt der Menschheit in die vielzitierte Wissensgesellschaft bedeuten.
Dass die Chemiebranche vorangehen und in der Rolle eines Technologietreibers den Weg in eine solche Wissensgesellschaft bahnen soll, scheint auf den ersten Blick utopisch. Doch das Autorenduo hat gute Argumente:
„Es mag einige überraschen, weil viele die Chemieindustrie gar nicht auf dem Schirm haben, schauen die meisten doch beim Thema disruptive Technologien in Richtung Silicon Valley oder Finanzindustrie, die das Thema Blockchain bisher vorangetrieben haben. Die Chemieindustrie hat jedoch ein Pfund, mit dem sie wuchern kann. Als eine der ganz wenigen Industrien ist sie mit der gesamten produzierenden Industrie vernetzt, sie steht mit ihren Produkten am Anfang vieler Lieferketten – und zwar weltweit. Wenn ein solcher Player mit ins Spiel kommt und die Blockchain-Technologie in das Herz seiner globalen IT-Prozesse einpflanzt, dann wird es ernst. Denn die Geschäftspartner und Kunden, die sich auf allen Kontinenten verteilen, müssen mitgehen. Genau diese Entscheidung ist in der Chemieindustrie gefallen.“
Das Buch geht im Detail darauf ein, welche Rolle insbesondere die „Private Blockchain“für diese, aber auch für viele andere Industrien spielen kann:
„Dieses Verfahren geht wesentlich schneller als die monumentalen Rechenoperationen im Proof-of-Work(PoW)-Verfahren, deren Datensatz zudem immer größer wird, je mehr die Blockchain mit Daten gefüttert wird. Das würde in einer Lieferkette einfach zu lange dauern. Im Unterschied zur öffentlichen Blockchain kann der neue Datenblock auf einer privaten Blockchain auch geändert werden, aber nur dann, wenn alle Knoten sich dazu bereit erklären. Doch um eine illegale Manipulation handelt es sich dabei nicht, weil es mit Einwilligung aller geschieht, und weil die Änderung eine Spur hinterlässt, einen weiteren Datenblock. Die Änderung kann präzise zurückverfolgt werden. Alles ist sichtbar.“