Personaler denken nicht digital
Die HR-Abteilung hinkt bei der Digitalisierung anderen Fachbereichen hinterher.
Im Vergleich mit anderen Fachbereichen hinkt „Digital HR“hinterher, so eine aktuelle IDG-Studie. Schlechte Noten kommen von den Fachbereichen, aber auch Personaler sind selbstkritisch.
In vielen Unternehmen steht die Digitalisierung des Personalbereichs weit oben auf der Agenda. Eine aktuelle IDG-Studie zeigt, warum: Im Vergleich mit anderen Fach- und Zentralbereichen hinkt „Digital HR“weit hinterher. Schlechte Noten kommen von den Fachbereichen, aber auch Personaler sind selbstkritisch.
Self-Service-Portale für Employees und HR-Mitarbeitende, Robo-Recruiting, digitales Onboarding und Trennungsmanagement, No-/Low-Code für schnelle Anpassungen, Plattformen für die Fort- und Weiterbildung, Tools zur Automatisierung von Compliance, Personalbedarf und Personaleinsatz: Theoretisch ist Digital HR eine Wundertüte, um traditionelle Personalprozesse auf ein neues Level zu heben, sich „auf die Menschen zu konzentrieren“und die HR-Abteilung „zum Treiber der Digitalisierung“zu machen.
Die Realität: Für über 91 Prozent der Personaler ist Excel der Business-Alltag. In einer aktuellen Studie, deren Daten im Frühjahr 2021 erhoben wurden, hat die COMPUTERWOCHE den Status quo der Digitalisierung von Personalabteilungen untersucht. Ergebnis: bedenklich. Demnach verliert HR im Digitalisierungsrennen den direkten Vergleich mit anderen Unternehmensbereichen. In der Summe der zufriedenen und sehr zufriedenen Befragten landet HR am Ende des Feldes, dahinter kommt nur noch „andere“. Zudem ist HR die einzige Abteilung, die von keinem Befragten als „voll digitalisiert“bewertet wird. Beim Automatisierungsgrad macht der Bereich ebenfalls keinen Stich.
Selbstkritik der Personaler
Die schlechtesten Noten stammen übrigens von den Mitarbeitenden aus dem Personalbereich selbst und aus den Fachbereichen, während die Geschäftsleitung etwas positiver urteilt. Dieser Trend zieht sich auf breiter Front durch die Antworten: Immer urteilt das TopManagement etwas besser als die HR-Mitarbeiter. In der Gesamtsicht schlechter steht es allerdings um die Einschätzungen der Fachbereichsmitarbeiter – unterm Strich also von allen, die mit dem HR-Bereich zu tun haben. Sie bewerten die IT-Fortschrittlichkeit eher negativ und sehen die IT keineswegs als integralen HR-Bestandteil.
An den Beschäftigten im Personalbereich scheint es nicht zu liegen, dass IT-Affinität und Digitalisierungsgrad gering geschätzt werden, denn bei der Frage nach ihrer Digitalund IT-Kompetenz erhalten sie relativ gute Noten. Dass HR-Experten keine Fachleute für KI und Bots sind – geschenkt. In anderen Abteilungen dürfte das Ergebnis ähnlich ausfallen. Mit dem besten Mittelwert bei den Bestandssystemen schneiden sie dort am besten ab, wo ihr bisheriger Aufgabenschwerpunkt liegt. Interessant ist, dass die HR-Befragten in keiner Antwort dazu neigen, den Status quo zu beschönigen.
Und es gibt noch weitere positive Erkenntnisse: Die meisten Organisationen wollen neue Tools einführen, um technische Lücken zu schließen. Zwar erfahren KI-gestützte Lösungen, Mixed Reality oder Low-Code-Tools zunächst einen geringen Zuspruch beziehungsweise eine hohe Ablehnung. Dennoch plant fast jedes zweite Unternehmen den Einsatz der modernen Technologien. Generell zeigt sich in der Studie, dass große Konzerne mit einem hohen IT-Budget tendenziell spendabler sind als kleinere Organisationen. Und auch Corona hat weitere Impulse gesetzt: Zwei Drittel der Organisationen haben unter dem Einfluss der Pandemie das Thema Digital-HR vorangetrieben, nur ein Drittel ist dem Bekunden nach ohne zusätzliche IT-Aufwendungen durch die Krise gegangen.
Mehr Cloud, weniger Bedenken
Beim Thema Cloud Computing ist ebenfalls Bewegung in die starren Fronten gekommen. Knapp 30 Prozent der HR-Bereiche nutzen schon „viele“oder „sehr viele“Cloud-Services, ein Drittel kommt auf „eher viele“. Dies passt zur allgemeinen Tendenz der vergangenen Jahre in der Wirtschaft, wonach sich die Cloud zu einem festen Bestandteil der IT-Bereitstellung entwickelt hat. Unternehmen, die wenige oder sehr wenige Cloud-HR-Services einsetzen, wurden gesondert nach den Gründen befragt: Ganz vorn liegen die Klassiker Sicherheitsbedenken, Datenschutz und fehlende Skills.
Eine Suite oder Best of Breed
Die Private Cloud im eigenen Rechenzentrum liegt beim Einsatzszenario klar in Front. Rechnet man aktive und künftige Nutzer zusammen, kommt diese Spielart perspektivisch in drei von vier HR-Bereichen zum Einsatz. Doch auch hier zeigt sich, dass die Antworten der HR-Mitarbeiter (62 Prozent genutzt/geplant) hinter denen der Geschäftsführung (83) und der IT-Manager (79) zurückliegen. Zudem ist der Einsatz der Public Cloud im HR-Bereich für 55 Prozent der Befragten denkbar. Der Weg scheint somit vorgezeichnet. Ebenfalls im Kommen sind Hybrid sowie Multi Cloud – oder sie werden von vielen Firmen zumindest nicht mehr ausgeschlossen. Lediglich zehn beziehungsweise 13 Prozent der Befragten beabsichtigen nicht, die Mischformen zu verwenden.
Eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit mit der Personalabteilung ist der wichtigste Grund für Digital-HR. Dies zieht sich laut Studie durch alle Unternehmensgrößen und Funktionen. An zweiter Stelle stehen Kosteneinsparungen. Sie werden erstaunlicherweise nicht primär vom Top-Management, sondern von den Fachabteilungen erwartet.
In der Frage „Alles aus einer Hand oder Best of Breed?“folgt die Mehrheit der ersten Variante, alle anderen tendieren dazu, sich die vermeintlich besten Stücke aus dem Toolmarkt herauszupicken. Vor allem kleinere HR-Organisationen möchten sich auf einen Softwarepartner verlassen, die größeren betreiben gern Cherry Picking. Überraschend deutlich sind in dieser Frage die Abweichungen zwischen Top-management und HR-Mitarbeitern: Während zwei von drei Geschäftsleitungen klare Bekenntnisse zu einer umfassenden Softwaresuite abgeben, wünschen sich die Personaler verschiedene Lösungen für verschiedene Herausforderungen.
Compliance und Effizienz treiben die Digitalisierung
Die Toolanbieter und Berater dürften diese Ergebnisse freuen: Gerade kleine und mittlere Betriebe haben noch jede Menge Nachholbedarf in puncto IT. Zudem geben sich die HRMitarbeitenden in der Studie durchaus offen für digitale Neuerungen, die ihre Arbeit erleichtern. Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass der Druck durch Compliance und Effizienzanforderungen in Zukunft sinken wird. Auch die Automatisierung von Prozessen ist ein Thema, von dem sich Personaler viel versprechen.
Bei den Hindernissen der Digitalisierung stehen die üblichen Verdächtigen an der Spitze: Datenschutz und Mitbestimmung. Dahinter rangieren strukturelle Probleme, für die es ebenfalls keine schnelle IT-Lösung gibt: fehlende Digitalkompetenz unter den Personalmitarbeitern, Reibungen in der Zusammenarbeit mit der IT-Organisation sowie die gefühlt zu geringen Budgets. Hinzukommt, dass in gerade einmal jeder vierten Organisation die Personalleitung die Digitalisierung vorantreibt, in jeder achten auch schon mal die HRMitarbeitenden.
Digital HR: Die Weichen sind gestellt
Dennoch: Die Digitalisierung der HR-Abteilungen bietet viel Potenzial, man kann von den Vorbildern der Pioniere lernen, und es stehen diverse erprobte (Cloud-)Systeme für das Personalwesen zur Verfügung – Best of Breed und aus einer Hand. Auch der Nutzen von Digital HR zeichnet sich deutlich ab, ebenso die Forderungen der Stakeholder nach einer Modernisierung.
Die Richtung ist also klar, aber der Weg ist steil und steinig: HR-Abteilungen haben erkannt, dass sie sich technisch fortbilden müssen. So stimmen 58 Prozent der Personaler der These zu, dass ihre Befähigung und Weiterbildung in IT-Themen essenziell ist, damit die Digitalisierung erfolgreich vorangetrieben werden kann.
Nur so lassen sich die grundsätzlichen Probleme an der Schnittstelle von IT (Angebot) und HR (Nachfrage) lösen: Es gilt die Kommunikation zu verbessern, den Fokus zu verlagern und an der Haltung der Mitarbeitenden zu arbeiten. Vor rund 20 Jahren war viel vom „Business-IT-Alignment“die Rede – heute ist es höchste Zeit für ein HR-IT-Alignment. Nicht nur die schlechten Bewertungen aus den Fachbereichen für Digital HR sprechen Bände. Auch zeigt sich an vielen Fragen eine große Diskrepanz zwischen den Einschätzungen der Personaler, Top-Manager und Business Units. Jedoch ist eine grundsätzliche Blockadehaltung für die Transformation in der Studie nicht zu erkennen.