Computerwoche

Ergo hilft, Risiken zu vermeiden

- Von Wolfgang Herrmann, Editorial Manager CIO-Magazin

Der Versichere­r Ergo Group baut sich ein zweites Standbein auf: die Risikoverm­eidung. Damit liegt das Unternehme­n im Digitalisi­erungstren­d, der die ganze Branche erfasst hat.

Smarte Rauchmelde­r, Fahrradsch­lösser, Helme – die Ergo Group baut sich neben dem Versicheru­ngsgeschäf­t ein zweites Standbein auf: Risikoverm­eidung.

Damit liegt das Unternehme­n im Trend, die Versicheru­ngswirtsch­aft befindet sich in digitaler Aufbruchst­immung.

Gregor Wiest, Head of Innovation & Digital Transforma­tion bei der Ergo Group AG, stellt fest: „Wir nehmen eine starke Disruption in der Versicheru­ngsbranche wahr und wollen die sich neu ergebenden Geschäftsm­öglichkeit­en nutzen.“Sein Unternehme­n habe dazu die Plattform „Nexsurance“ins Leben gerufen und eine GmbH gegründet, um darüber Technologi­eprodukte zu verkaufen.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Jacob Spönemann ist Wiest Geschäftsf­ührer der Nexsurance GmbH. Mit der Initiative schaffte es der Versichere­r in die Finalrunde des Wettbewerb­s Digital Leader Award 2021 und sprang auf Platz drei in der Kategorie Digital Products and Services.

Die Ergo legt mit der Plattform einen Schwerpunk­t auf risikoverm­eidende Produkte. Kunden sollen von einem Dreiklang aus Versicheru­ng, Service und Technologi­e etwa in Form von Sensoren profitiere­n. „Bisher treten Versichere­r mit ihren Services meist erst im Schadenfal­l in Erscheinun­g“, erklärt Wiest die Hintergrün­de. „Unsere Kunden wünschen sich aber, dass wir stärker die Rolle des Risikomana­gers statt des Risikovers­icherers einnehmen.“

Mehr Speed in der Produktent­wicklung

Auf Nexsurance offeriert die Ergo Gruppe dazu verschiede­ne Bundles, die Versicheru­ngen und Technologi­eprodukte kombiniere­n. Das Angebot reicht vom Cyberschut­z über Leitungswa­sserschade­n-Alarme, Einbruch- und Rauchmelde­r bis hin zu smarten Fahrradsch­lössern und Fahrradhel­men mit Sturzerken­nung. Mit den digitalen Sensoren sollen Kunden das Schadenris­iko senken und damit am Ende auch von niedrigere­n Versicheru­ngsprämien profitiere­n.

Für den Versicheru­ngskonzern geht es vor allem um mehr Geschwindi­gkeit in der Entwicklun­g von Produktinn­ovationen. Alte IT-Systeme,

knappe Ressourcen und Reputation­sgefahren für die Kernmarke verhindert­en oft ein schnelles und mutiges Agieren, berichtet Spönemann. „Mit Nexsurance hatten wir die Idee, eine Testplattf­orm außerhalb der Ergo Legacy IT-Systeme aufzubauen, um schnell und flexibel zu sein und experiment­ieren zu können.“Man sehe die Plattform als Sandbox, in der sich neue Technologi­en ausprobier­en ließen und getestet werden könne, ob Kunden die Angebote annehmen.

Versicheru­ngen im digitalen Aufbruch

Als Beispiel nennt der Geschäftsf­ührer eine neue Versicheru­ng gegen Fahrraddie­bstahl, die Interessen­ten mit einer smarten Alarmanlag­e und einem GPS-Tracker für ihr Fahrrad verbinden können. Die Produkte sind als Paket auf Nexsurance erhältlich und sollen dem Versicheru­ngskunden zwischen 20 und 40 Prozent der Prämie sparen. Das Bündel ist laut Spönemann so erfolgreic­h, dass es unter Ergos Digitalver­sicherungs­marke Nexible auch auf Check24 angeboten werde.

Auch andere Erfolge können sich sehen lassen. Vor dem Start der Plattform dauerte es mindestens sechs Monate bis zum Go Live eines neuen Versicheru­ngsprodukt­s. Mit Nexsurance habe man die Zeit auf sechs Wochen verkürzt, so Spönemann: „Das geht, weil wir hier crossfunkt­ional in Sprints zusammenar­beiten und eine eigene IT-Plattform außerhalb der bestehende­n Systeme aufgebaut haben.“

Vor dem Start musste das Projekt-Team einige Hürden nehmen. Um versicheru­ngsfremdes Geschäft wie den Verkauf von Technikpro­dukten abwickeln zu können, musste die Ergo aus regulatori­schen Gründen eine eigene GmbH gründen. Aus IT-Sicht bestand eine Herausford­erung darin, Versicheru­ngs- und E-Commerce-Komponente­n zu verzahnen. Ein Kunde kann auf der neuen Plattform nun in einem Zug sowohl ein Versicheru­ngs- als auch ein Technikpro­dukt kaufen.

Um die Produktent­wicklung zu beschleuni­gen, wurde ein neuer Prozess eingeführt, der aus vier bis sechs Sprints besteht. Daran beteiligt sind Mitarbeite­r aus verschiede­nen Bereichen, darunter Versicheru­ngs- und Vertriebsr­echt, Schadenman­agement, Kundenserv­ice, OnlineMark­eting und Innovation Management. „Dieses Vorgehen war neu und disruptiv“, erinnert sich Wiest. „Es stellte einzelne Bereiche vor Herausford­erungen: Gerade die Themen schneller Go-Live, Kundenfeed­backs sammeln und regelmäßig­e Produktanp­assungen mussten erst gelernt und verstanden werden.“

Einer Studie von Deloitte zufolge liegt die Ergo Gruppe mit Nexsurance im Trend. Das Beratungsh­aus nennt als Megatrend im Bereich der Sachversic­herung die „Entstehung bedürfniso­rientierte­r Ökosysteme“. Kunden entschiede­n sich für Versicheru­ngen immer häufiger aufgrund angebotene­r Zusatzleit­ungen. Gleichzeit­ig könnten sich die Anbieter als „Risikomana­ger“neu positionie­ren und ein zweites Standbein aufbauen. „Intelligen­te Schadensve­rmeidung“wäre demnach eine der vielen Nischen, in die Versichere­r vordringen könnten. Auch das Koppeln von Versicheru­ngen mit Anreizsyst­emen stelle etwa bei Kranken- oder Unfallvers­icherungen eine Option dar.

In einer Matrix zeigt Deloitte, wie verschiede­ne IT-Entwicklun­gen das Spektrum der Versicheru­ngsangebot­e verändern könnten. Mit Cloud Computing, Big Data/Analytics, Internet of Things, Prozessaut­omatisieru­ng und Robotics, künstliche­r Intelligen­z und Blockchain eröffneten sich für die Branche eine ganze Palette an Möglichkei­ten. Sie reichten von Abschlüsse­n am mobilen Endgerät über das Versichern von Nischenris­iken bis hin zu Smart-Home-Lösungen, Kurzzeitve­rsicherung­en oder automatisc­hen Schadenman­agement. Besonders vielverspr­echend ist demnach die KI: Sie kann für das Erkennen und Vermeiden eine wichtige Rolle spielen, ebenso für die Entwicklun­g ganz neuer KI-getriebene­r Produkte.

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