Ergo hilft, Risiken zu vermeiden
Der Versicherer Ergo Group baut sich ein zweites Standbein auf: die Risikovermeidung. Damit liegt das Unternehmen im Digitalisierungstrend, der die ganze Branche erfasst hat.
Smarte Rauchmelder, Fahrradschlösser, Helme – die Ergo Group baut sich neben dem Versicherungsgeschäft ein zweites Standbein auf: Risikovermeidung.
Damit liegt das Unternehmen im Trend, die Versicherungswirtschaft befindet sich in digitaler Aufbruchstimmung.
Gregor Wiest, Head of Innovation & Digital Transformation bei der Ergo Group AG, stellt fest: „Wir nehmen eine starke Disruption in der Versicherungsbranche wahr und wollen die sich neu ergebenden Geschäftsmöglichkeiten nutzen.“Sein Unternehmen habe dazu die Plattform „Nexsurance“ins Leben gerufen und eine GmbH gegründet, um darüber Technologieprodukte zu verkaufen.
Gemeinsam mit seinem Kollegen Jacob Spönemann ist Wiest Geschäftsführer der Nexsurance GmbH. Mit der Initiative schaffte es der Versicherer in die Finalrunde des Wettbewerbs Digital Leader Award 2021 und sprang auf Platz drei in der Kategorie Digital Products and Services.
Die Ergo legt mit der Plattform einen Schwerpunkt auf risikovermeidende Produkte. Kunden sollen von einem Dreiklang aus Versicherung, Service und Technologie etwa in Form von Sensoren profitieren. „Bisher treten Versicherer mit ihren Services meist erst im Schadenfall in Erscheinung“, erklärt Wiest die Hintergründe. „Unsere Kunden wünschen sich aber, dass wir stärker die Rolle des Risikomanagers statt des Risikoversicherers einnehmen.“
Mehr Speed in der Produktentwicklung
Auf Nexsurance offeriert die Ergo Gruppe dazu verschiedene Bundles, die Versicherungen und Technologieprodukte kombinieren. Das Angebot reicht vom Cyberschutz über Leitungswasserschaden-Alarme, Einbruch- und Rauchmelder bis hin zu smarten Fahrradschlössern und Fahrradhelmen mit Sturzerkennung. Mit den digitalen Sensoren sollen Kunden das Schadenrisiko senken und damit am Ende auch von niedrigeren Versicherungsprämien profitieren.
Für den Versicherungskonzern geht es vor allem um mehr Geschwindigkeit in der Entwicklung von Produktinnovationen. Alte IT-Systeme,
knappe Ressourcen und Reputationsgefahren für die Kernmarke verhinderten oft ein schnelles und mutiges Agieren, berichtet Spönemann. „Mit Nexsurance hatten wir die Idee, eine Testplattform außerhalb der Ergo Legacy IT-Systeme aufzubauen, um schnell und flexibel zu sein und experimentieren zu können.“Man sehe die Plattform als Sandbox, in der sich neue Technologien ausprobieren ließen und getestet werden könne, ob Kunden die Angebote annehmen.
Versicherungen im digitalen Aufbruch
Als Beispiel nennt der Geschäftsführer eine neue Versicherung gegen Fahrraddiebstahl, die Interessenten mit einer smarten Alarmanlage und einem GPS-Tracker für ihr Fahrrad verbinden können. Die Produkte sind als Paket auf Nexsurance erhältlich und sollen dem Versicherungskunden zwischen 20 und 40 Prozent der Prämie sparen. Das Bündel ist laut Spönemann so erfolgreich, dass es unter Ergos Digitalversicherungsmarke Nexible auch auf Check24 angeboten werde.
Auch andere Erfolge können sich sehen lassen. Vor dem Start der Plattform dauerte es mindestens sechs Monate bis zum Go Live eines neuen Versicherungsprodukts. Mit Nexsurance habe man die Zeit auf sechs Wochen verkürzt, so Spönemann: „Das geht, weil wir hier crossfunktional in Sprints zusammenarbeiten und eine eigene IT-Plattform außerhalb der bestehenden Systeme aufgebaut haben.“
Vor dem Start musste das Projekt-Team einige Hürden nehmen. Um versicherungsfremdes Geschäft wie den Verkauf von Technikprodukten abwickeln zu können, musste die Ergo aus regulatorischen Gründen eine eigene GmbH gründen. Aus IT-Sicht bestand eine Herausforderung darin, Versicherungs- und E-Commerce-Komponenten zu verzahnen. Ein Kunde kann auf der neuen Plattform nun in einem Zug sowohl ein Versicherungs- als auch ein Technikprodukt kaufen.
Um die Produktentwicklung zu beschleunigen, wurde ein neuer Prozess eingeführt, der aus vier bis sechs Sprints besteht. Daran beteiligt sind Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen, darunter Versicherungs- und Vertriebsrecht, Schadenmanagement, Kundenservice, OnlineMarketing und Innovation Management. „Dieses Vorgehen war neu und disruptiv“, erinnert sich Wiest. „Es stellte einzelne Bereiche vor Herausforderungen: Gerade die Themen schneller Go-Live, Kundenfeedbacks sammeln und regelmäßige Produktanpassungen mussten erst gelernt und verstanden werden.“
Einer Studie von Deloitte zufolge liegt die Ergo Gruppe mit Nexsurance im Trend. Das Beratungshaus nennt als Megatrend im Bereich der Sachversicherung die „Entstehung bedürfnisorientierter Ökosysteme“. Kunden entschieden sich für Versicherungen immer häufiger aufgrund angebotener Zusatzleitungen. Gleichzeitig könnten sich die Anbieter als „Risikomanager“neu positionieren und ein zweites Standbein aufbauen. „Intelligente Schadensvermeidung“wäre demnach eine der vielen Nischen, in die Versicherer vordringen könnten. Auch das Koppeln von Versicherungen mit Anreizsystemen stelle etwa bei Kranken- oder Unfallversicherungen eine Option dar.
In einer Matrix zeigt Deloitte, wie verschiedene IT-Entwicklungen das Spektrum der Versicherungsangebote verändern könnten. Mit Cloud Computing, Big Data/Analytics, Internet of Things, Prozessautomatisierung und Robotics, künstlicher Intelligenz und Blockchain eröffneten sich für die Branche eine ganze Palette an Möglichkeiten. Sie reichten von Abschlüssen am mobilen Endgerät über das Versichern von Nischenrisiken bis hin zu Smart-Home-Lösungen, Kurzzeitversicherungen oder automatischen Schadenmanagement. Besonders vielversprechend ist demnach die KI: Sie kann für das Erkennen und Vermeiden eine wichtige Rolle spielen, ebenso für die Entwicklung ganz neuer KI-getriebener Produkte.