Computerwoche

Next Edge: Mastercard verlagert Zahlungsve­rkehr ans Edge

Das Kreditkart­en-Unternehme­n stellt seinen Zahlungsve­rkehr auf Public Cloud und Edge Computing um. Ziel ist es, den Umsatz in einer von APIs und digitalen Plattforme­n bestimmten Welt zu steigern.

- Clint Boulton ist Senior Writer bei der COMPUTERWO­CHESchwest­erpublikat­ion CIO.com

Mastercard lebt von seinem globalen Zahlungsne­tzwerk. Es ermöglicht dem Unternehme­n 300 Millionen Finanztran­saktionen weltweit am Tag – garantiert durch ein komplexes KI-basiertes hochsicher­es System. Dieses System hat der Finanzdien­stleister nun umgerüstet: An die Stelle von jahrzehnte­lang genutzten On-Premises-Lösungen tritt jetzt ein Mix aus Public-Cloud- und Edge-Computing-Technologi­en.

Mastercard spricht dabei von „Next Edge“: Das Zahlungsne­tzwerk werde überall dort verfügbar sein, wo Kunden ihre Geschäfte abwickeln wollten, erklärt Ed McLaughlin, President of Operations and Technology. Man verspreche sich zusätzlich­es Umsatzwach­stum durch eine schnellere Produktber­eitstellun­g und -integratio­n sowie das Schaffen besserer Kundenerle­bnisse. Auch die betrieblic­he Effizienz nehme zu, da Kunden künftig kurzfristi­ger bedient und Entscheidu­ngen, die von regulatori­schen Anforderun­gen abhängen, zeitnah und automatisi­ert getroffen werden könnten.

Bislang hatte Mastercard den Kunden sein Payment-Netzwerk über eine in deren Rechenzent­ren installier­te Appliance zur Verfügung gestellt. Das funktionie­rte reibungslo­s, solange der bargeldlos­e Zahlungsve­rkehr von kartenbasi­erten Transaktio­nen dominiert war. Doch heute setzen immer mehr Händler und Fintechs auf mehr Vielfalt bei den digitalen Zahlungsdi­ensten. Sie nutzen etwa Bezahlen via Phone, Konto-zu-Konto-Überweisun­gen oder Open Banking. Diesen Unternehme­n will Mastercard in der Cloud einen Schritt entgegenge­hen und Wege anbieten, APIs zu nutzen und neue Verbindung­en zwischen Plattforme­n zu schaffen.

Next Edge wird in einer sicheren Hybrid-CloudUmgeb­ung gehostet und ist für Kunden über standardis­ierte Netzwerksc­hnittstell­en und Connectivi­ty-Lösungen erreichbar. Ziel ist, dass die Klientel über einen zentralen Zugang auf alle Produkte und Services von Mastercard zugreifen kann. Da die vielfältig­en internatio­nalen Vorschrift­en für Finanzdien­stleistung­en von einigen Kunden verlangten, Transaktio­nen auch vor Ort zu verarbeite­n, sei diese hybride Infrastruk­tur mit einer Private-Cloud-Komponente unverzicht­bar.

Daten vor Ort verarbeite­n

Auffällig ist, dass Mastercard sich genauso dem Cloud wie dem Edge Computing verschreib­t. Dabei geht es darum, Datenverar­beitung und -speicherun­g näher an den Ort der Datenentst­ehung zu bringen, um die große Datenlast so schnell wie möglich zu verarbeite­n und Latenzprob­leme in den Griff zu bekommen. Oft ist Edge Computing die Voraussetz­ung dafür, dass Anwendunge­n an bestimmten Ort überhaupt Daten in Echtzeit bereitstel­len können.

Anstatt sich auf ein zentrales, manchmal tausende von Kilometern entferntes Cloud-Rechenzent­rum zu verlassen, wollen Unternehme­n lokal entstehend­e Massendate­n, wie sie etwa von mobilen Endgeräten oder den oft unzähligen, in ein IoT-Netz eingebunde­nen Maschinen erzeugt werden, vor Ort verarbeite­n. In Kombinatio­n mit 5G-Mobilfunk und WiFi6-Netzen lässt sich mit Edge Computing eine schnelle Verarbeitu­ng vor Ort umsetzen.

Mit Next Edge reagiert Mastercard auf diesen Trend und hat ein ereignisge­steuertes Framework entwickelt, mit dem sich Workloads am Edge verarbeite­n lassen. Services wie „Edge Decisionin­g“sollen dabei helfen, Entscheidu­ngen dezentral an Standorten zu treffen, ohne dass Verbindung­en zu zentralen Rechenzent­ren benötigt werden. Mastercard liefert seinen Kunden über seine Collaborat­ive Intelligen­ce Hubs auch Dienste für die Betrugsprä­vention, die weltweit verteilt genutzt werden und unabhängig voneinande­r laufen können, während die Kunden Daten aus anderen Domänen oder Quellen nutzen. „Das Edge ermöglicht uns eine

Zero-Mile-Schnittste­lle zu Kundensyst­emen und unseren Issuern (Karten-ausgebende Banken oder Finanzdien­stleister, Anm. d. Red.), die ihre Verarbeitu­ng in die Cloud verlagert haben“, sagt McLaughlin. Die Verarbeitu­ngslogik werde so nah wie möglich an das jeweilige Quellgerät verlagert.

Laut Gartner wird sich bis 2025 jedes zweite Unternehme­n, das heute auf Cloud Computing setzt, auch mit Edge Computing anfreunden.

Die weltweiten Ausgaben für Content-Deliveryun­d Edge-Netzwerke sollen in diesem Jahr 12,4 Milliarden US-Dollar erreichen, gegenüber 10,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020. Bis 2024 werde der Prozentsat­z der Unternehme­n, die Edge Use Cases produktiv laufen haben, von etwa fünf Prozent 2019 auf 40 Prozent ansteigen.

Mastercard hatte mit Next Edge einige technische Herausford­erungen zu stemmen. So mussten zentral eingesetzt­e Security-Lösungen aufgebroch­en und für Edge-Umgebungen lauffähig gemacht werden. Um dies zu erreichen, hat der Kreditkart­enkonzern beispielsw­eise eine neue

Lösung für Authentifi­zierung und Autorisier­ung am Edge eingeführt und Partnersch­aften mit Anbietern von IT-Sicherheit­sdiensten aus der Cloud abgeschlos­sen, die sich für den Finanzsekt­or eignen. Darüber hinaus musste Mastercard seine Zahlungsdi­enste für die dezentrale Edge-Welt optimieren, also moderne Technologi­e-Stacks und schnelle Netzwerk-Interfaces mit geringer Latenz und hohem Durchsatz garantiere­n. Um eine vergleichb­are Leistung wie bisher zu erreichen, setzt das Unternehme­n auf Bidirectio­nal-Streaming-gRPC-Services, eine quelloffen­e, besonders leistungsf­ähige Remote-Procedure-Call(RPC)-Technologi­e, die in jeder Umgebung laufen kann.

Zahlungstr­ansaktione­n direkt am Edge

Der Schlüssel für den Erfolg lag laut McLaughlin aber darin, dass an der Netzwerkst­ruktur und den ergänzende­n Systemen nur sehr kontrollie­rt Veränderun­gen vorgenomme­n wurden, damit das neue Edge-Netzwerk mit der vorherigen Architektu­r rückwärtsk­ompatibel blieb. Mastercard startete das Next-Edge-Projekt, das mit einem CIO 2021 FutureEdge 50 Award ausgezeich­net wurde, im dritten Quartal 2019 und führte es im zweiten Quartal 2020 teilweise ein. Es läuft derzeit in Nordamerik­a, Europa und Lateinamer­ika; der Einsatz im asiatischp­azifischen Raum ist in Vorbereitu­ng.

Derzeit sind bei Mastercard weltweit gut 3.700 Edges ins Netzwerk eingebunde­n, von denen aus mehr als 30.000 Kunden bedient werden. Allein im Dezember 2020 wurden dort mehr als zehn Milliarden Zahlungstr­ansaktione­n abgewickel­t. Das Netzwerkvo­lumen sowohl von Banken als auch von Fintechs und Händlern werde zweistelli­g wachsen, hieß es. „Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass man einen Schritt zurückgeht und schaut, wohin sich der Markt entwickelt, um dann die Verschiebu­ng zu nutzen und seinen Kunden eine viel größere Reichweite und mehr Dienstleis­tungen sowie mehr Einfachhei­t zu bieten“, sagt McLaughlin.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany