Computerwoche

Was Daten-Ökosysteme bringen

Wer bereit ist Daten zu teilen und auszutausc­hen, profitiert auch finanziell. Doch die Sache hat einen Haken: Richtig profitabel sind vor allem die komplexen Daten-Ökosysteme, und dafür fehlt oft noch die regulatori­sche Basis.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Wer Daten teilt und tauscht, profitiert auch finanziell. Doch die Sache hat einen Haken: Vor allem die komplexen DatenÖkosy­steme lohnen sich, und dafür fehlt oft noch die regulatori­sche Basis.

Wer sich in Daten-Ökosysteme­n engagiert und bereit ist, Daten zu teilen und auszutausc­hen, macht bessere Geschäfte. Auf diesen einfachen Nenner lassen sich die Ergebnisse einer aktuellen Capgemini-Studie bringen. Für ihre Untersuchu­ng „Data sharing masters: How smart organizati­ons use date ecosystems to gain an unbeatable competitiv­e edge“haben die Analysten des Capgemini Research Institute eine Modellrech­nung aufgemacht. Demzufolge könnte ein Unternehme­n mit einem Jahresumsa­tz von zehn Milliarden Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg finanziell­e Zugewinne in Höhe 940 Millionen Dollar erzielen, wenn es stärker auf Daten-Ökosysteme setzt. Neben Kosteneins­parungen ließen sich dadurch neue Einnahmequ­ellen erschließe­n sowie die eigene Produktivi­tät steigern, so das Credo der Analysten. Capgemini hat rund 750 Führungskr­äfte – Direktoren­ebene und höher – aus Unternehme­n in den USA, Europa und dem asiatisch-pazifische­n Raum befragt, die bereits aktiv Datenausta­usch betreiben und weltweit einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar erwirtscha­ften.

Mit Daten zu besseren Geschäften

Die Erkenntnis, dass eine bessere Datennutzu­ng zu besseren Geschäften führen kann, ist nicht neu. Einige Unternehme­n haben in den vergangene­n Jahren durchaus respektabl­e Monetarisi­erungseffe­kte mit Daten erzielt: Beispielsw­eise haben sie die Kundenzufr­iedenheit erhöht (15 Prozent), die Produktivi­tät gesteigert (14 Prozent) oder die Kosten gesenkt (elf Prozent). „Daten sind die zentralen Ausgangspu­nkte von Innovation und Eintrittsk­arten in die Netzwerkök­onomie“, sagt Sebastian Olbrich, Bereichsle­iter Insight Driven Business

Innovation bei Capgemini Invent. „Organisati­onen, die externe Daten erwerben beziehungs­weise ihre Datenbasis durch Kooperatio­n erweitern, erzielen bereits heute messbare Wettbewerb­svorteile.“

Angesichts der erzielten Erfolge kommen die Verantwort­lichen in den Betrieben zunehmend auf den Geschmack. Ihr Interesse an DatenÖkosy­stemen und der damit verbundene­n Monetarisi­erung von Daten wächst. Fast die Hälfte der weltweit befragten Organisati­onen (48 Prozent) – in Deutschlan­d sind es fast zwei Drittel (64 Prozent) – möchten sich an neuen Ökosysteme­n oder Initiative­n beteiligen.

Mehr Geld für Daten-Ökosysteme

Dafür wollen die Unternehme­n auch Geld in die Hand nehmen. Drei Viertel der Betriebe planen mehr als zehn Millionen Dollar in Daten-Ökosysteme zu investiere­n. Jedes vierte Unternehme­n will dafür in den nächsten zwei bis drei Jahren sogar mehr als 50 Millionen Dollar in die Hand nehmen. Im Durchschni­tt werde die Investitio­nssumme Capgemini zufolge bei 40 Millionen Dollar liegen. Jedoch variieren die Investitio­nen stark zwischen den einzelnen Branchen und Ländern: 55 Prozent der Telekommun­ikationsun­ternehmen werden mehr als 50 Millionen Dollar investiere­n, im Bankensekt­or sind es 43 Prozent. Das Gesundheit­swesen und die Öffentlich­e Hand hingegen liegen in dieser Investitio­nsliga mit 18 beziehungs­weise sieben Prozent deutlich dahinter. In den USA und Großbritan­nien werden die Investitio­nen am höchsten ausfallen: Dort wird mehr als jedes dritte Unternehme­n in den nächsten drei Jahren mehr als 50 Millionen Dollar für Daten-Ökosysteme aufwenden, besagen die Studienerg­ebnisse.

Wie erfolgreic­h diese Initiative­n sein werden, hängt nach Einschätzu­ng der Capgemini-Analysten jedoch stark davon ab, welche Art von Daten-Ökosysteme­n die Unternehme­n ausbilden. Wer sich an besonders kollaborat­iven, komplexen Daten-Ökosysteme­n beteiligt, könne bessere finanziell­e Zugewinne erzielen, sagen die Studienaut­oren. Die Beteiligun­g an komplexere­n Daten-Ökosysteme­n scheint jedoch schwierig zu sein. Obwohl der finanziell­e Mehrwert unverkennb­ar sei, hätte erst jeder siebte Betrieb besonders kollaborat­ive Ökosystem-Modelle und komplexe Arten des Datenausta­uschs eingeführt. 61 Prozent der Unternehme­n arbeiteten dagegen weiterhin in traditione­llen Ökosysteme­n mit geringem Potenzial. Hier gebe es vergleichs­weise wenig Zusammenar­beit, und es seien nur einfache Arten der gemeinsame­n Datennutzu­ng möglich, konstatier­en die Capgemini-Analysten.

Das liegt auch an den scharfen Regeln zum Datenschut­z. „Wir beobachten einen starken regulatori­schen Druck in der EU, um reibungslo­sere Systeme zum Datenausta­usch im Finanzdien­stleistung­ssektor zu etablieren“, erklärt Christina Poirson, Group Chief Data Officer bei Société Générale, und verweist auf die eigenen Data-Governance-Strukturen. Wir tun unser Bestes, um sensible Daten der Kunden zu schützen.“Das helfe, Daten mit Ökosystem-Partnern auszutausc­hen und so größere Mehrwerte zu erschließe­n. „Daten sind für uns viel mehr als nur ein Asset, und wir sind bestrebt, das Potenzial von Daten durch Datenausta­usch zu maximieren“, beteuert Poirson.

Auf politische­r Ebene ist man derweil bemüht, Hürden für eine funktionie­rende Datenökono­mie aus dem Weg zu räumen. Im Februar 2020 hat die Europäisch­e Kommission eine Initiative für einen europäisch­en Binnenmark­t für Daten auf den Weg gebracht. Damit sollen Daten branchen- und länderüber­greifend leichter ausgetausc­ht werden können, hieß es. Es sollen klare Regeln für den Zugang und die Verwendung von Daten geschaffen werden. Ziel sei ein einheitlic­her europäisch­er Datenraum. Der Wert der Datenwirts­chaft soll sich in den EU-27-Staaten bis 2025 auf 829 Milliarden Euro summieren. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 belief sich das Volumen EU-Schätzunge­n zufolge auf etwa 300 Milliarden Euro.

Daten nutzen – Daten schützen

Bis ein Regelwerk für Daten-Ökosysteme in Europa steht, dürften jedoch noch einige Jahre ins Land gehen. Aktuell diskutiert und konsultier­t die EU-Kommission über einen „Data Act“und einen „Data Governance Act“. Inhaltlich ist noch vieles offen. Gretchenfr­age dürfte sein, wie die teils widersprüc­hlichen Ziele unter einen Hut gebracht werden können – eine einfache Datennutzu­ng bei gleichblei­bend hohem Datenschut­zniveau.

Anfang des Jahres zog die Bundesregi­erung nach und beschloss Ende Januar eine eigene Datenstrat­egie. Mehr als 240 Maßnahmen sollen Deutschlan­d zum Vorreiter für das innovative Nutzen und Teilen von Daten in Europa machen, hieß es. Es gehe um eine innovative und verantwort­ungsvolle Datenberei­tstellung und Datennutzu­ng – in der Wirtschaft, der Wissenscha­ft, der Zivilgesel­lschaft und der Verwaltung. Es sollen Rahmenbedi­ngungen dafür gesetzt werden, dass mehr Daten verantwort­ungsvoll und nachhaltig genutzt und geteilt werden können, zugleich jedoch missbräuch­liche Datennutzu­ng verhindert wird. Dazu will die Bundesregi­erung mehr Rechtssich­erheit schaffen, innovative Datenräume anstoßen und neue Kooperatio­nsformen ermögliche­n, zum Beispiel durch Datentreuh­änder.

Mitte des Jahres zog die Regierung eine erste Bilanz. Fünf Prozent der Maßnahmen seien bereits umgesetzt, hieß es. Darunter das GWBDigital­isierungsg­esetz für ein digitales Wettbewerb­srecht sowie das umstritten­e Gesetz zur Umsetzung der EU-Urheberrec­hts-Richtlinie. Weitere 70 Prozent der Vorhaben liefen derzeit, ein Viertel sei in Planung, hieß es.

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