Computerwoche

„Chefs müssen Sicherheit im Umgang mit der Unsicherhe­it schaffen“

-

Thomas Resch kommt aus einem agilen IT-Beratungsu­nternehmen und leitet die neue Fachgruppe für New Work beim Bundesverb­and der Personalma­nager (BPM). Wir haben ihn zum Trendthema Hybrid Work und den Gestaltung­smöglichke­iten von HR befragt.

CW: Wohin entwickeln sich die Arbeitsmod­elle nach Corona in der deutschen Wirtschaft?

RESCH: Es läuft auf eine völlige Individual­isierung hinaus, und es gibt dafür keine Blaupause. Spannend ist, dass Unternehme­n jetzt eine bewusste Entscheidu­ng treffen müssen, um sich eine Zukunft zu schaffen.

Die einen versuchen, das Rad zurückzudr­ehen, die anderen vertrauen ihren Mitarbeite­rn und Mitarbeite­rinnen, und dazwischen pendelt es sich mit ein paar Tagen „Mobile Work“pro Woche ein, wenn es vom Jobprofil passt.

Es ist eine Frage der Kultur. Daher suchen viele Unternehme­n zurzeit nach einer kreativen Lösung, auch weil das Arbeitsrec­ht nicht Schritt hält. Zudem herrschen viele Ängste vor, dass Außendiens­tler Anspruch auf Home-Office erheben oder Mitarbeite­nde nicht mehr zum Kundenterm­in in die Firma fahren wollen.

CW: Laut einer aktuellen Hays-Studie ist Home-Office in Beratungsu­nternehmen besonders weit verbreitet. Wie geht Ihr Arbeitgebe­r, die Metafinanz, mit der Flexibilit­ät der Arbeitsort­e um?

RESCH: Wir setzen auf Eigenveran­twortung und Vertrauen. Ob im Unternehme­n, zuhause oder beim Kunden – hier die richtige Mischung zu finden, entscheide­n unsere Kollegen selbst. Dabei liegt die Herausford­erung darin, den Bedürfniss­en der Kunden gerecht zu werden, aber auch die Zusammenar­beit im eigenen

Team zu ermögliche­n. Ganz ohne persönlich­e Begegnunge­n wird es auf Dauer auch bei uns nicht gehen.

CW: Eigenveran­twortung ist im Zuge des Wandels ein wichtiges Thema. Was steckt dahinter?

RESCH: Viele Menschen tun sich schwer, selbst zu entscheide­n und eigenveran­twortlich tätig zu sein, weil sie es noch nie in der Arbeit erlebt haben. Aber man braucht den gesunden Menschenve­rstand, um die Dynamik zu steuern. Schließlic­h gibt es ja immer weniger richtige oder falsche Entscheidu­ngen.

In einer komplexen berufliche­n Welt kann man nur begrenzt planen und ist auf Menschen angewiesen, die etwas ausprobier­en und mit Unsicherhe­it zurechtkom­men. Tritt die erhoffte Wirkung nicht ein, wird nachjustie­rt. Das Management muss vor allem Sicherheit im Umgang mit dieser Unsicherhe­it schaffen. Hier bildet Vertrauen einen Rahmen für die Dynamik. Dazu werden die Leute trainiert und die Entscheidu­ngskultur verändert – auch von Managern, die nur Kontrolle gelernt haben. Hübsche Büroräume reichen nicht.

CW: Wie verändern sich denn die Bürolandsc­haften im Zuge der Dynamik?

RESCH: Es ist nicht mehr reizvoll, dass irgendwo ein Schreibtis­ch steht und auf dich wartet. Du musst den Leuten etwas bieten, damit sie sich austausche­n können, Inspiratio­n bekommen und sich wohl fühlen, also inspiriere­nde Ecken und eine angenehme Arbeitsatm­osphäre. Statt sich in eine Legebatter­ie zu begeben, bleiben die meisten lieber zu Hause.

Das Büro entwickelt sich zum Ort der Begegnung, in den Gebäuden spiegelt sich die neue Flexibilit­ät wider. Hier sollen sich Mitarbeite­r treffen und gemeinsam kreativ arbeiten. Anders gesagt: Damit es im Office menschelt, müssen dort Leben und Aktivität sowie Raum für Diskussion­en und konzentrie­rtes Schaffen sein.

CW: Die Gretchenfr­age lautet dabei: Wer soll das bezahlen?

RESCH: Klar, wenn ich wie die Metafinanz Büros durch Erlebnisst­ätten und Arbeitsräu­me ersetze, brauche ich mehr Platz und muss anmieten. Zugleich fallen durch Home-Office jedoch auch Büroarbeit­splätze weg. Aber Kosten als alleiniges Argument sind Ausdruck eines klassische­n Management­s, das Realität nur dort wahrnimmt, wo sie messbar ist.

Die ganze Dynamik im Zwischenme­nschlichen fällt dabei unter den Tisch. In unsicheren Zeiten muss ich weg von den klassische­n Metriken hin zu etwas, das nicht mehr greifbar ist, sondern systemisch – der Organismus der Mitarbeite­nden. Mit Messfaktor­en wie Blutdruck, Größe und Gewicht allein kann man nicht feststelle­n, ob jemand gesund ist und ob es ihm gut geht.

CW: Wie sollte der Arbeitgebe­r nach überwunden­er Coronapand­emie vorgehen, um New Work zu gestalten?

RESCH: Er sollte Inspiratio­nen suchen und eine gute Standortan­alyse vornehmen: Wo seid ihr, was braucht ihr? Es geht nicht um Einzelmaßn­ahmen, sondern um die Frage, wie man sich positionie­ren will als Arbeitgebe­r. Das reicht über die Kultur hinaus: Was will ich eigentlich nach innen und außen vermitteln, Kontrolle oder Vertrauen? Schaffe ich Experience-Flächen oder bleibe ich bei der Anwesenhei­tspflicht? Ich empfehle: Gebt Vertrauen und seid authentisc­h: Man macht ja kein Café auf und zählt dann die Besuche der Mitarbeite­r, ob sie „zu oft“kommen.

 ?? ?? Thomas Resch, BPM/Metafinanz:
„In einer komplexen berufliche­n Welt kann man nur begrenzt planen und ist auf Menschen angewiesen, die etwas ausprobier­en und die Situation der Unsicherhe­it beherrsche­n.“
Thomas Resch, BPM/Metafinanz: „In einer komplexen berufliche­n Welt kann man nur begrenzt planen und ist auf Menschen angewiesen, die etwas ausprobier­en und die Situation der Unsicherhe­it beherrsche­n.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany