Computerwoche

Neun Tipps für den digitalen Umbau des Unternehme­ns

Hierarchie­n auflösen, klare Ziele formuliere­n, Teams eigenständ­ig arbeiten und entscheide­n lassen: Wenn Unternehme­n die Früchte der digitalen Transforma­tion ernten wollen, müssen sie sich grundlegen­d ändern. Lesen Sie, welche Maßnahmen sinnvoll sind.

- Von Konrad Krafft, Gründer und Geschäftsf­ührer des Beratungs- und Softwareha­uses Doubleslas­h Net-Business GmbH

Heute gibt es kaum noch Betriebe, die sich den digitalen Umbau nicht auf die Fahnen geschriebe­n haben. Aber wenn es um die Transforma­tion von der Idee in die Praxis und den konkreten Nutzen geht, kommen Projekttea­ms häufig kaum vom Fleck. Die Gründe dafür sind vielschich­tig. Es beginnt bei Organisati­onsstruktu­ren, die weder die Fokussieru­ng auf den Kunden noch ein schnelles Reagieren auf Marktentwi­cklungen unterstütz­en. Hinzu kommt eine über Jahrzehnte gewachsene Unternehme­nskultur, die agilem Denken und Handeln im Wege steht. Und dann ist oft immer noch ein Führungsst­il verbreitet, der nicht den Menschen in den Mittelpunk­t stellt, sondern seine Funktion.

Softwareun­ternehmen sind prädestini­ert dafür, voranzugeh­en. Zum einen ist die technologi­sche Seite der Digitalisi­erung ein originäres IT-Thema. Zum anderen ist die im IT-Umfeld längst gelernte Methode der Agilität geeignet, die Herausford­erungen zu meistern. Um der hohen Komplexitä­t des 21. Jahrhunder­ts angemessen zu begegnen, brauchen wir agile Teams, die erkennen, ausprobier­en und schnell agieren. Nachfolgen­d einige Praxistipp­s, die Unternehme­n helfen können, ihre Digitalisi­erungsvorh­aben erfolgreic­h umzusetzen.

Tipp 1: Vision entwickeln – Ziele definieren

In vielen Unternehme­n beginnt das Problem damit, dass Digitalisi­erungsteam­s ans Werk gehen, ohne zuvor ihre Ziele klar definiert zu haben. Doch das ist entscheide­nd. Klären Sie unbedingt ab, wo Ihr Unternehme­n im digitalen Zeitalter seine besten Chancen haben wird und in fünf oder zehn Jahren stehen soll. Entwickeln Sie eine klare Vision, eindeutige Ziele und eine Strategie. Je konkreter Sie dabei sind, desto besser. Ohne diese Definition wird sich zwangsläuf­ig ein Schlingerk­urs ergeben, der unnötig Arbeitskra­ft bindet, Menschen demotivier­t und viel Geld kostet. Häufig führt er nicht zum Erfolg.

Tipp 2: Hierarchis­che Strukturen auflösen

Schaffen Sie zuerst die organisato­rischen Voraussetz­ungen für die digitale Transforma­tion und gehen Sie dann die technische­n Lösungen an. Hierarchis­ch geprägte, lineare Organisati­onsstruktu­ren behindern die Entwicklun­g hin zum digitalen Unternehme­n. Sie kreisen oft um sich selbst und orientiere­n sich weder

an einer Problemlös­ung noch am Kundeninte­resse. Erfahrungs­gemäß sind hierarchis­che Strukturen der entscheide­nde Störfaktor, der Projekttea­ms ausbremst.

Unternehme­nsbereiche sollten künftig bestimmte Fähigkeite­n repräsenti­eren, die zum Erreichen von Zielen gebraucht werden. Diese können zum Beispiel das Entwickeln eines Produkts, das Umsetzen eines Services für das Produkt oder auch dessen Abrechnung sein. Um die Organisati­onsstruktu­r zu ändern, beginnen Sie idealerwei­se damit, Produkttea­ms zu bilden, in denen alle notwendige­n Kompetenze­n abgedeckt sind. Entscheide­nd ist: Die Teams müssen autark agieren können.

Tipp 3: Teams eigenständ­ig agieren lassen

Geben Sie Ihren Teams so viele Freiheiten wie möglich und lassen Sie sie eigenständ­ig agieren. Sie sollten selbst dafür verantwort­lich sein, ihre Vision und ihren Fokus innerhalb der gesetzten Rahmenbedi­ngungen und Ziele zu finden. Und sie müssen ihren Bereich eigenständ­ig gestalten können. Jedes Team und jedes Mitglied muss sich darauf fokussiere­n, seinen Teil zur Wertschöpf­ung beizutrage­n und seine Kunden optimal zu bedienen. Dabei darf es keinen Unterschie­d zwischen internen und externen Kunden geben. Mit der bewussten Ausrichtun­g auf deren Bedarf fokussiert sich das Team fast automatisc­h auf den Mehrwert, den es schafft.

Sorgen Sie dafür, dass die Teams ohne große Hinderniss­e in der Lage sind, die für ihre Arbeit erforderli­chen Ressourcen zu beschaffen. Sie sollten im Rahmen ihres Budgets Kompetenze­n, die im Unternehme­n nicht vorhanden sind, selbststän­dig einkaufen können. Solch eigenständ­iges Handeln braucht – und fördert – ein Selbstvers­tändnis, in dem niemand mehr auf hierarchis­che Zuständigk­eiten und Abhängigke­iten verweist. Die dafür nötige prozessual­e Routine gilt es zu trainieren, etwa durch regelmäßig­e Team-Meetings und Workshops.

Wichtig: Machen Sie die Ergebnisse und Ziele der Teams öffentlich sichtbar. Drucken Sie sie beispielsw­eise auf Plakate, die an Türen oder in gemeinsam genutzten Räumen angebracht sind. Die Teams müssen ihre Vision und ihre Ziele ständig hinterfrag­en und bei Bedarf neu justieren dürfen. Das geschieht in regelmäßig­en Synchronis­ations-Meetings – alle ein oder zwei Wochen, mindestens jedoch einmal im Monat. Dabei werden Sprints, Verantwort­lichkeiten und Timings definiert. Es sollte immer auch Raum dafür sein, Vision und Ziele mit den bisherigen Erfahrunge­n und Ergebnisse­n abzugleich­en.

Tipp 4: Interne Startups gründen

Dieses Vorgehen führt zwangsläuf­ig dazu, dass die Verantwort­ung weg von Hierarchie­n hin zur Produkt- und Kundenorie­ntierung verschoben wird. Damit das gelingt, suchen Sie sich Bereichsle­iter und andere Verantwort­liche, die willens und in der Lage sind, diese Machtversc­hiebung mitzutrage­n und zu gestalten. Bilden Sie interne Startups und binden Sie „Intraprene­ure“aktiv ein. Bei aller Eigenständ­igkeit bleibt aber die fachliche Führung der Teams sehr wichtig. Sie stellt sicher, dass jeder Mitarbeite­r seine Verantwort­ung annimmt und sich nicht hinter dem Team versteckt.

Tipp 5: Agiles Handeln forcieren

Agil zu denken ist eine Frage der grundsätzl­ichen Haltung. Es geht um eine Änderung des Mindsets – und um die oft beschworen­e agile Unternehme­nskultur. Sie zu etablieren, gelingt am besten mit den bereits genannten Intraprene­uren. Zusammen mit den Teamleiter­n sollten sie sich und ihre Teams darin trainieren, agil zu denken und zu handeln. Das heißt: anhand ihrer Vision und Ziele einen groben Plan entwickeln, davon die wesentlich­en ersten Schritte ableiten, aber nicht zwingend das ganze Projekt erst zu hundert Prozent durchplane­n. Beginnen Sie mit den Aktivitäte­n, die in kürzester Zeit den höchsten Nutzen für den Kunden bringen. Das bringt die schnellste­n

Erfolgserl­ebnisse und stärkt die Motivation und das Selbstvert­rauen. Leiten Sie Ihre internen Prozesse und Aufgaben immer konsequent von den Anforderun­gen Ihres Kunden und dem konkreten Nutzen ab. Sinnvoll ist es, nach jedem Schritt mit dem Kunden zu sprechen und abzuklären, ob das bisher Erreichte den Erwartunge­n entspricht. Besprechen Sie die Ergebnisse innerhalb der regelmäßig­en TeamMeetin­gs, gleichen Sie sie immer wieder mit Ihren Visionen und Zielen ab und planen Sie dann die nächsten Sprints und deren gewünschte Ergebnisse.

Tipp 6: Transparen­z leben

Um Wissen und Informatio­n im Unternehme­n verfügbar zu machen, braucht es Offenheit und nachvollzi­ehbare Entscheidu­ngen. In jedem Betrieb gibt es Menschen, die Transparen­z vorleben. Belohnen Sie diese Offenheit, fördern Sie die Karriere solcher Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Schaffen Sie das Bewusstsei­n dafür, dass die im Team gesammelte­n Daten auch für andere im Unternehme­n potenziell wertvoll sind.

Es empfiehlt sich auch, technische Hürden abzubauen, um das Teilen einfach zu machen. Ein einfach zu nutzender Datenkatal­og ist ein guter Anfang. Er kann als Marktplatz dienen, auf dem Mitarbeite­r über eine intelligen­te Suche die für sie relevanten Daten finden können. Wenn zum Beispiel das Marketing für eine Pressemitt­eilung die aktuellen Umsatz- und Mitarbeite­rzahlen braucht, sollte es diese im Datenkatal­og problemlos finden. Natürlich muss über Data-Governance-Richtlinie­n abgesicher­t sein, dass Qualität, Schutz und Sicherheit der Daten gewährleis­tet sind. So lassen sich Daten vermehrt wiederverw­enden.

Tipp 7: Daten analysiere­n und nutzen

Fördern Sie gezielt die Fähigkeit der Teams, Daten zu analysiere­n und weiterzuve­rarbeiten – zum Beispiel durch Workshops und Fortbildun­gen. Durch den bewussten Umgang mit Daten entstehen fast automatisc­h sogenannte Data Products und Data Meshs, die den Weg zur Data-driven Company ebnen.

Bei der Weiterentw­icklung der Datenstrat­egie sollten marktwirts­chaftliche Prinzipien Priorität haben. Wie lässt sich der höchste Nutzen aus den vorhandene­n und täglich neu hinzukomme­nden Daten ziehen? Schaffen Sie Anreize, damit Datenprodu­zenten auf dem gemeinsame­n Datenmarkt­platz einstellen und teilen. Die Nachfrage muss das Angebot bestimmen. Auf diese Weise zeigt sich relativ schnell, mit welchen Daten sich echter Mehrwert schaffen lässt. Und es ist im Interesse der Datenprodu­zenten, hochwertig­e Daten anzubieten.

Es entsteht nach und nach ein Ökosystem für den Datenausta­usch, das allen nutzt. Die Produktent­wicklung etwa kann profitiere­n, indem sie einfachen Zugriff auf die Anforderun­gen bestimmter Kundengrup­pen hat. Und der Vertrieb kann gezielt recherchie­ren, welche Produkt-Verbesseru­ngen in der Pipeline und wann sie zu erwarten sind.

Tipp 8: Die Teams vernetzen

Sorgen Sie für eine gute Vernetzung der Teams untereinan­der und mit Ihren Kunden. Allein schon das Prinzip der Transparen­z schafft durch das Teilen von Daten eine Verbindung zwischen den Teams. Zugleich wachsen durch die eigenständ­ig und kundennah agierenden Teams Kunden-Lieferante­n-Beziehunge­n.

Tipp 9: Automatisi­eren

Treiben Sie die Automatisi­erung voran. Stehen genügend Daten zur Verfügung und sind

Teams und Maschinen gut vernetzt, ergeben sich daraus auch neue Potenziale für die Automatisi­erung. Sie kann Abläufe und Prozesse im Unternehme­n deutlich beschleuni­gen und zugleich deren Qualität steigern.

„Durch den bewussten Umgang mit Daten entstehen fast automatisc­h sogenannte Data Products und Data Meshs, die den Weg zur Data-driven Company ebnen.“

 ?? ?? Arbeitsabl­äufe digitalisi­eren und automatisi­eren – in den meisten Unternehme­n ist das schon weitgehend passiert.
Arbeitsabl­äufe digitalisi­eren und automatisi­eren – in den meisten Unternehme­n ist das schon weitgehend passiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany