IDG-Studie Internet of Things 2022: Die kleinen Unternehmen holen auf
Kleine Betriebe schließen bei der Umsetzung von IoT-Projekten die Lücke zu ihren großen Wettbewerbern. Die wichtigste IoT-Anwendung ist und bleibt Qualitätskontrolle. Bei neuen Geschäftsmodellen gibt es Fortschritte.
Das Wachstum im Internet of Things verlangsamt sich. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen IoT-Studie, die CIO und COMPUTERWOCHE gemeinsam mit ihren Partnern Plusserver, Device Insight und O2/Telefónica realisiert haben. Dazu wurden 350 Entscheider aus der DACH-Region zu ihren Ansichten, Plänen und Projekten rund um das Internet of Things befragt. Die Zahl der Firmen, die IoT-Projekte umgesetzt haben, liegt mit 50 Prozent ähnlich hoch wie im Vorjahr. Damit scheint ein gewisses Sättigungs-Plateau erreicht zu sein. Möglicherweise verschieben viele Firmen ihren IoT-Start, weil sie an anderer Stelle mit den Folgen der Coronapandemie kämpfen.
Die Details: 14 Prozent der Firmen haben erste IoT-Projekte umgesetzt, in 17 Prozent der Betriebe gibt es bereits einige IoT-Anwendungsfälle, und neun Prozent der befragten Unternehmen haben schon sehr viele Vorhaben umgesetzt.
Wer einmal mit IoT angefangen hat, bleibt auch am Ball. Mittlerweile hat jedes zehnte Unternehmen (Vorjahr: vier Prozent) einen breiten Roll-out geplant oder umgesetzt. Dabei haben die großen Betriebe mit mehr als 1.000 Mitarbeitern einen Vorsprung (13 Prozent). In den mittleren Unternehmen zwischen 500 und 999 Beschäftigten haben neun Prozent IoT in der Breite eingeführt oder sind dabei, während acht Prozent der kleinen Firmen bis 499 Mitarbeiter so weit sind.
Kleine Betriebe schließen die Lücke
Anders sieht es in der Gruppe der Unternehmen aus, die erste, einige oder viele IoT-Projekte umgesetzt haben. Hier sind Unterschiede bei den Firmengrößen von lediglich ein bis zwei Prozentpunkten festzustellen – in den letzten Jahren lagen die großen Firmen hier meist um fünf Prozentpunkte und mehr vorn.
Das heißt: Die mittleren und vor allem die kleinen Unternehmen haben bei der Umsetzung von IoT-Projekten die Lücke zu den großen Firmen nahezu geschlossen.
Dieser Trend gilt auch für den Reifegrad der IoT-Deployments, sei es bei der Produktverbesserung durch IoT-Daten, der Vernetzung von Produkten und Geräten, der verbesserten Wartung durch Predictive Maintenance oder bei neuen Geschäftsmodellen durch digitale Services wie etwa Product as a Service oder Pay-per-Use. In all diesen Kategorien liegen die großen Firmen noch vorn, die mittleren und kleinen Betriebe haben aber aufgeholt. Damit bestätigt sich auch hier: Die kleinen Firmen ziehen beim Thema IoT nach und verringern ihren Rückstand.
„Kleine Unternehmen können nun das Ökosystem aus Dienstleistern und Tools nutzen, das die großen Unternehmen als Early Adopter aufgebaut haben“, kommentiert Florian Weigmann, Chief Product Officer bei Plusserver, die Aufholjagd. Nicht zu unterschätzen sei auch die Verfügbarkeit standardisierter (Open-Source-)Schnittstellen. „Diese senken die Einstiegshürden für die interne IT und ermöglichen das Testen der Services, ohne sich in einen teuren Vendor Lock-in zu begeben“, so Weigmann.
IoT-Investitionen gehen leicht zurück
Grundsätzlich investieren Unternehmen weiterhin in IoT-Projekte, allerdings auf etwas niedrigerem Niveau als im vergangenen Jahr. In 55 Prozent der Unternehmen (Vorjahr: 57 Prozent) kommt es durch IoT-Projekte in sehr starkem oder starkem Maße zu zusätzlichen Investitionen. Ein überraschendes Ergebnis zeigt sich hier beim Blick auf die Unternehmensgröße: Während die Werte bei den großen und mittleren Unternehmen von 66 und 63 Prozent im Vorjahr auf aktuell 58 und 53 Prozent gesunken sind, sind sie bei den kleinen Firmen von 44 Prozent im Vorjahr auf aktuell 54 Prozent gestiegen – ein weiterer Beleg dafür, dass die kleinen Betriebe beim Thema IoT aufschließen.
Mehrwerte werden meistens erreicht
Die Erfolgsquote der IoT-Projekte ist im Vergleich zum Vorjahr ein wenig gesunken. Während im Rahmen der vorangegangenen Umfrage nur vier Prozent der Firmen keinen Mehrwert wie höhere Produktivität oder niedrigere Kosten feststellen konnten, sind es dieses Jahr zwölf Prozent. Dabei ist allerdings zu beachten, dass ein Fünftel der Befragten den Erfolg von IoTProjekten gar nicht misst, was aus Sicht der Unternehmenssteuerung wohl als unverständlich oder fahrlässig gelten kann. Von den Unternehmen, die den Erfolg ihrer IoT-Vorhaben nachvollziehen, sind 90 Prozent eher zufrieden oder sehr zufrieden mit den Ergebnissen.
Die Kriterien für den Erfolg von IoT-Projekten haben sich in ihrer Gewichtung leicht verändert. Heute bilden Kostensenkung (49 Prozent), Umsatzwachstum (46 Prozent) und Produktivitätssteigerung (43 Prozent) die Top drei. Vor einem Jahr lautete die Reihenfolge: Produktivitätssteigerung (49 Prozent) vor Kostensenkung (48 Prozent) und Umsatzwachstum (40 Prozent). Weitere wichtige Messgrößen für den IoT-Erfolg sind eine höhere Zufriedenheit von Kunden, Partnern und Mitarbeitenden sowie geringere Ausfallzeiten, ein hoher Return on Invest (RoI) und tiefere Einblicke in die Produktion/Lieferkette.
Wichtigste Anwendung: Qualitätskontrolle
Die Einsatzszenarien von IoT-Installationen sind und bleiben vielfältig. Wie bereits im Vorjahr liegt Qualitätskontrolle mit 50 Prozent auf dem ersten Platz unter den Anwendungsfällen. Mit großem Abstand folgt Connected Industry/ Vernetzte Produktion auf Platz zwei (34 Prozent, plus acht Prozentpunkte). Weitere wichtige Anwendungsfälle sind Logistik und
Smart Connected Products. Damit dominieren Industrie-4.0-Themen die Szenerie. In diese Kategorie fallen auch Predictive Maintenance oder der Aufbau einer smarten Supply Chain. Rund ein Fünftel der Firmen setzt das IoT jeweils für diese Zwecke ein.
Gefragt nach dem Nutzen und Mehrwert von IoT-Projekten nennen 44 Prozent der Befragten die Optimierung bestehender Geschäftsprozesse (Vorjahr: 47 Prozent). Vier von zehn Betrieben (Vorjahr: 36 Prozent) konnten Produkte und Services verbessern, 32 Prozent ihren Umsatz steigern und 31 Prozent ihre Kosten senken. Auch bei den eher zukunftsgerichteten Themen wie der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle gab es Fortschritte. Immerhin 29 Prozent der Betriebe nutzten das IoT im vergangenen Jahr dafür. Im Vorjahr waren es nur 23 Prozent.
Das zeigt: Firmen erkennen das Potenzial des IoT für den Aufbau von neuen, datenbasierten Services.
Betriebe denken an neue Geschäftsmodelle
Laut Marten Schirge, Geschäftsführer und Chief Sales & Marketing Officer bei Device Insight, deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass in den Unternehmen langsam, aber sicher ein Umdenken in Richtung neuer IoT-basierter Geschäftsmodelle einsetzt. „Diese Entwicklung hat sicherlich mit dem zunehmenden Reifegrad der Unternehmen in Sachen IoT zu tun. Wer sich gerade erst mit der Technologie befasst, startet in der Regel mit kleinen Projekten, die sich auf interne Prozessoptimierungen oder die Verbesserung bestehender Produkte konzentrieren.“Die Firmen trauten sich endlich zu, in größerem Maßstab zu denken und ambitionierte Geschäftsmodelle umzusetzen.
Der Trend hin zum Aufbau neuer Geschäftsmodelle spiegelt sich auch in den IoT-Herausforderungen wider. In 40 Prozent der Fälle (Vorjahr: 28 Prozent) bildet das Anpassen und Verändern von Geschäftsprozessen die mit Abstand größte organisatorische Hürde bei der
Umsetzung von IoT-Projekten. Zudem kämpfen die Firmen häufig mit Problemen bei der Entwicklung eines IoT-Geschäftsmodells (27 Prozent). Letztes Jahr lag diese Herausforderung mit nur 17 Prozent noch auf dem sechsten Platz.
„Geschäftsprozesse zu verändern, ist immer eine Kärrnerarbeit“, konstatiert Sven Koltermann, Leiter IoT Competence Center bei Telefónica Deutschland. Davon seien in der Regel verschiedene Aufgaben, Mitarbeiter und Unternehmensbereiche betroffen. „Geschäftsprozesse haben auch viel mit Gewohnheiten zu tun. Sie aufzubrechen und in den Köpfen die Bereitschaft zu Neuem zu schaffen ist eine Herausforderung“, sagt Koltermann. Dies sei aber unerlässlich für den Erfolg von Digitalisierung und IoT.
Bezüglich der technischen Herausforderungen gab es im Jahresvergleich massive Veränderungen. In den vergangenen Jahren galten Security/Datenintegrität sowie Datensicherheit/Disaster Recovery immer als größte Hindernisse, mittlerweile sind sie auf die Plätze 5 und 6 zurückgefallen. Jetzt rücken Infrastrukturthemen in den Vordergrund. Die mangelhafte Netzqualität der vorhandenen LAN- und WLAN-Infrastruktur ist für 31 Prozent der befragten Firmen mittlerweile die größte technische Herausforderung. Im Vorjahr lag dieser Aspekt mit 18 Prozent der Nennungen noch auf dem fünften Platz. Weitere technische Hürden sind der Aufbau einer Collaboration-Plattform für die Mensch-Maschine-Kommunikation und das Definieren einer skalierbaren, flexiblen und zukunftsfähigen IT-Architektur.
Mehrere IoT-Plattformen parallel
Interessant ist der Blick auf die verschiedenen Typen von IoT-Plattformen und deren jeweiligen Einsatz. In etwas mehr als der Hälfte der Betriebe laufen mehrere IoT-Plattformen parallel. Sie sind nicht miteinander vernetzt. Der Anteil der Firmen, die auf eine (universelle)
Welcher der folgenden Kategorien ordnen Sie die bisherigen IoT-Anwendungsfälle Ihres Unternehmens zu? In welchen dieser Kategorien wird es zukünftig in Ihrem Unternehmen die meisten IoT-Anwendungsfälle geben?
IoT-Plattform setzen, ist im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozentpunkte auf 29 Prozent gesunken. Mit einer heterogenen PlattformLandschaft arbeiten neun Prozent der Firmen.
Bei der Art der IoT-Plattform verschieben sich die Prioritäten der Anwenderunternehmen deutlich. 42 Prozent setzen wie im Vorjahr auf die IoT-Plattformen der großen Hyperscaler Microsoft Azure, Amazon Web Services (AWS) und Google Cloud. Das ist der Spitzenwert. Die noch im vergangenen Jahr führenden industrieorientierten Plattformen von Siemens und Bosch sind von einer 54-prozentigen Nutzungsquote im Vorjahr auf nunmehr 31 Prozent eingebrochen. Dazwischen schieben sich die IoTPlattformen der Telekommunikationsanbieter (32 Prozent). Hier haben die Lösungen von der Deutschen Telekom, Vodafone und O2/ Telefónica die Nase vorn. Ein Fünftel der Firmen (Vorjahr 15 Prozent) nutzt IoT-Plattform(en) von Spezialisten einzelner IoT-Teilbereiche wie Device Insight und anderen, sieben Prozent haben eine eigene Plattform entwickelt.
IoT-Betrieb bleibt in der Cloud
Die Mehrzahl der Unternehmen bezieht ihre IoT-Plattformen direkt aus der Public Cloud (45 Prozent) oder einer Hybrid Cloud (33 Prozent). Wie im Vorjahr nutzen elf Prozent eine lokal installierte IoT-Plattform, insbesondere die kleinen Betriebe mit bis zu 499 Mitarbeitern (16 Prozent). Acht Prozent kombinieren ihr Cloud-IoT mit einer On-Premises-Lösung.
Die IT-Abteilung und der CIO geben den Kurs vor, wo es in Sachen IoT im eigenen Unternehmen hingehen soll. Zählt man beide Posten zusammen, übernimmt in 54 Prozent der Betriebe die IT die Verantwortung für die Planung und Umsetzung von IoT-Projekten. In jedem zehnten Unternehmen gibt es ein spezielles IoT-Team zur Entwicklung, Planung und Umsetzung der IoT-Aktivitäten, und in nur neun Prozent der Betriebe hält der Geschäftsführer selbst die Fäden in der Hand.