Non-Fungible Token (NFT) – das Spielzeug der Superstars
Der NFT-Hype zieht Neureiche an, die sich im Web darstellen wollen. Sie tummeln sich auf OpenSea, dem größten Basar für digitale Kunst. Twitter und Facebook wollen davon profitieren.
Non-Fungible Tokens (NFTs) – digitale Tokens, die in einer Blockchain eingetragen und damit einzigartig sind – entwickeln sich immer mehr zu Statussymbolen gelangweilter Millionäre, die ihre Persönlichkeit mit einem coolen Avatar unterstreichen und sich für entstehende digitale Märkte positionieren wollen. NFTs dienen als Eigentumsnachweis für digitale Kunstwerke, allen voran Bilder. Der Rapper Eminem zum Beispiel gab vor einiger Zeit stolze 462.000 Dollar für das Comic-Bildchen eines „gelangweilten Affen“aus, um seinen eigenen Avatar zu besitzen und ganz nebenbei dem in NFT-Kreisen angesagten „Bored Ape Yacht Club“beizutreten.
NFTs sind ein Milliardengeschäft. Vor allem Neureiche aus der Kryptowährungsszene, aber eben auch viele Prominente zeigen sich in den sozialen Medien gern mit dem Profilbild eines unzufriedenen Affen oder mit einem verpixelten Cyberpunkbildchen. Dahinter kann dann ein digitales Kunstwerk stecken, das in Form eines NFT erworben wurde – und sicher nicht billig war.
Auf Twitter werden NFT-gestützte Profilbilder ab sofort in einem sechseckigen Rahmen angezeigt, um sie von gewöhnlichen Profilbildern zu unterscheiden. Klickt man darauf, wird eine Seite aufgerufen, die über die Einzigartigkeit aufklärt und die Identität des Schöpfers sowie die Blockchain-Adresse preisgibt. Twitter wittert dahinter natürlich ein Geschäftsmodell: Die NFT-Funktion steht momentan iOS-Nutzern des Premium-Dienstes Twitter Blue zur Verfügung. Der Internet-Konzern Meta soll an ähnlichen Plänen stricken, bislang lehnt das Unternehmen aber noch ab, sich dazu zu äußern. Allerdings kursieren Spekulationen im Markt, wonach Kunden von Facebook und Instagram mit einer Art digitalem Trophäenschrank rechnen können, um darin ihre NFTs für Freunde und Follower auszustellen.
Statussymbole im Cyberspace
Wie die „Washington Post“interpretiert, sind NFT-Inhalte wie geschaffen für soziale Netzwerke, auf denen Menschen bekanntlich gern zeigen, was sie haben. Dort ließen sich Zugehörigkeiten zu bestimmten Identitätsgruppen dokumentieren und zudem der eigene Platz in sozialen Hierarchien herausstellen. Die Post zitiert den Tech-Analysten Eugene Wei, der den Trend unter dem Terminus „Status as a Service“zusammenfasst. In einem viel beachteten Aufsatz über soziale Medien aus dem Jahr 2019 schrieb Wei, Menschen seien auf einer tiefenpsychologischen Ebene „statusorientierte Affen“, die ständig ihre Zugehörigkeit zu Identitätsgruppen und ihren Platz in sozialen Hierarchien anzeigen müssten.
Social Networks haben demnach dann die besten Chancen zu wachsen, wenn sie es schaffen, ihren Nutzern einen attraktiven Weg zum Erwerb von Sozialkapital aufzuzeigen.
Auf Instagram gelingt ihnen das, indem sie ihr Aussehen oder ihr Modebewusstsein in Szene setzen, oder ihr Können – etwa im Bereich der Fotografie – anschaulich machen. Twitter ist eher die Plattform, auf der Menschen mit markigem Witz oder ideologischem Engagement punkten. Und TikTok ermöglicht Nutzern, andere mit ihrem Musikgeschmack, Tanztalenten oder originellen Videoideen zu beeindrucken.
Social Web meets NFT
Insofern sind die sozialen Medien ein Spiegel der realen Welt, in der ebenfalls mit Status gehandelt wird – in Form realer Kunstwerke, schicker Oldtimer oder Mode etwa. Exklusivität spielt dabei eine wichtige Rolle, und genau da setzen NFTs an. Wer eines besitzt, will Geschmack, Reichtum und Trendiness zeigen – gern bevor etwas zum Mainstream wird. Von daher ergibt es für Twitter und Facebook absolut Sinn, Nutzern die Möglichkeit zu bieten, ihre Identität und ihren sozialen Status auch in Form von NFTs zu zeigen.
Wie Wei ausführt, geht es aber wohl nicht nur um sozialen Status. Kryptowährungen und der Kryptotrend insgesamt übten auf bestimmte Bevölkerungsgruppen einen starken Sog aus. Mit einem NFT als Profilbild etwa könnten sie ihre Zugehörigkeit unterstreichen. Wer sich mit Kryptowährungen und NFTs beschäftigt, signalisiert, dass er der Avantgarde angehört und sich über den Aufbau eines neuen dezentralisierten Internets Gedanken macht – gern auch als Web3 bezeichnet. Das hat einen revolutionären Touch, denn es geht bei diesem Ansatz durchaus darum, die Dominanz einzelner Unternehmen im Internet zu brechen. Bei Facebook und Twitter scheint das allerdings keine schlaflosen Nächte auszulösen. Sie sehen NFTs eher als kunstästhetischen Trend, aus dem sich Kapital schlagen lässt.
Ob der Trend langfristig andauern wird, darf allerdings bezweifelt werden, denn im Internet ist ein Bild erst einmal nur ein Bild. Man muss es keineswegs gleich als NFT kaufen, um sich damit auf Twitter zu schmücken. Anwender können die Bildchen einfach kopieren und zu Ihrem Profilbild machen – genauso, wie sich eine gefälschte Gucci-Tasche aus Fernost kaufen lässt, wenn das Original unerschwinglich scheint.
Um dem einen Riegel vorzuschieben, ist es Twitter wichtig, die Originalität von NFTs nachweisbar zu machen. Das soziale Netzwerk sorgt dafür, dass sich Nutzer die Authentizität der Avatare auf der Ethereum-Blockchain anzeigen lassen können. Laut Washington Post gibt es dabei dennoch Probleme. So sei technisch versierten Nutzern gleich aufgefallen, dass Twitters Funktion nicht zwischen wertvollen NFTs, die etwa Teil einer verifizierten Sammlung auf dem weltgrößten NFT-Marktplatz OpenSea sind, und wertlosen NFTs unterscheiden kann. Letztere können etwa Kopien von wertvollen digitalen Bildern sein, die sich am Ende doch jeder für kleines Geld selbst auf einer Blockchain organisieren kann.
Elon Musk: NFT für die Eitelkeit
Mittlerweile gibt es auch schon harsche Gegenreaktionen von Twitter-Nutzern, die die ganze Idee der NFTs als Betrug sehen und andere dazu ermutigen, jeden, der die NFT-Funktion von Twitter nutzt, stumm zu schalten oder zu blockieren. Dazu hat ein Entwickler sogar schon eine Browser Extension programmiert, die NFT-User blocken soll (auf Github zu finden). Der prominenteste Kritiker ist vermutlich Tesla-Gründer Elon Musk, der sich vehement gegen verifizierte NFT-Profilbilder auf Twitter aussprach.
Hintergrund ist, dass der auf Twitter populäre Unternehmer und Multimilliardär oft Ärger mit Kryptowährungsbetrügern hat, die seine Follower regelmäßig attackieren.