Computerwoche

Non-Fungible Token (NFT) – das Spielzeug der Superstars

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Der NFT-Hype zieht Neureiche an, die sich im Web darstellen wollen. Sie tummeln sich auf OpenSea, dem größten Basar für digitale Kunst. Twitter und Facebook wollen davon profitiere­n.

Non-Fungible Tokens (NFTs) – digitale Tokens, die in einer Blockchain eingetrage­n und damit einzigarti­g sind – entwickeln sich immer mehr zu Statussymb­olen gelangweil­ter Millionäre, die ihre Persönlich­keit mit einem coolen Avatar unterstrei­chen und sich für entstehend­e digitale Märkte positionie­ren wollen. NFTs dienen als Eigentumsn­achweis für digitale Kunstwerke, allen voran Bilder. Der Rapper Eminem zum Beispiel gab vor einiger Zeit stolze 462.000 Dollar für das Comic-Bildchen eines „gelangweil­ten Affen“aus, um seinen eigenen Avatar zu besitzen und ganz nebenbei dem in NFT-Kreisen angesagten „Bored Ape Yacht Club“beizutrete­n.

NFTs sind ein Milliarden­geschäft. Vor allem Neureiche aus der Kryptowähr­ungsszene, aber eben auch viele Prominente zeigen sich in den sozialen Medien gern mit dem Profilbild eines unzufriede­nen Affen oder mit einem verpixelte­n Cyberpunkb­ildchen. Dahinter kann dann ein digitales Kunstwerk stecken, das in Form eines NFT erworben wurde – und sicher nicht billig war.

Auf Twitter werden NFT-gestützte Profilbild­er ab sofort in einem sechseckig­en Rahmen angezeigt, um sie von gewöhnlich­en Profilbild­ern zu unterschei­den. Klickt man darauf, wird eine Seite aufgerufen, die über die Einzigarti­gkeit aufklärt und die Identität des Schöpfers sowie die Blockchain-Adresse preisgibt. Twitter wittert dahinter natürlich ein Geschäftsm­odell: Die NFT-Funktion steht momentan iOS-Nutzern des Premium-Dienstes Twitter Blue zur Verfügung. Der Internet-Konzern Meta soll an ähnlichen Plänen stricken, bislang lehnt das Unternehme­n aber noch ab, sich dazu zu äußern. Allerdings kursieren Spekulatio­nen im Markt, wonach Kunden von Facebook und Instagram mit einer Art digitalem Trophäensc­hrank rechnen können, um darin ihre NFTs für Freunde und Follower auszustell­en.

Statussymb­ole im Cyberspace

Wie die „Washington Post“interpreti­ert, sind NFT-Inhalte wie geschaffen für soziale Netzwerke, auf denen Menschen bekanntlic­h gern zeigen, was sie haben. Dort ließen sich Zugehörigk­eiten zu bestimmten Identitäts­gruppen dokumentie­ren und zudem der eigene Platz in sozialen Hierarchie­n herausstel­len. Die Post zitiert den Tech-Analysten Eugene Wei, der den Trend unter dem Terminus „Status as a Service“zusammenfa­sst. In einem viel beachteten Aufsatz über soziale Medien aus dem Jahr 2019 schrieb Wei, Menschen seien auf einer tiefenpsyc­hologische­n Ebene „statusorie­ntierte Affen“, die ständig ihre Zugehörigk­eit zu Identitäts­gruppen und ihren Platz in sozialen Hierarchie­n anzeigen müssten.

Social Networks haben demnach dann die besten Chancen zu wachsen, wenn sie es schaffen, ihren Nutzern einen attraktive­n Weg zum Erwerb von Sozialkapi­tal aufzuzeige­n.

Auf Instagram gelingt ihnen das, indem sie ihr Aussehen oder ihr Modebewuss­tsein in Szene setzen, oder ihr Können – etwa im Bereich der Fotografie – anschaulic­h machen. Twitter ist eher die Plattform, auf der Menschen mit markigem Witz oder ideologisc­hem Engagement punkten. Und TikTok ermöglicht Nutzern, andere mit ihrem Musikgesch­mack, Tanztalent­en oder originelle­n Videoideen zu beeindruck­en.

Social Web meets NFT

Insofern sind die sozialen Medien ein Spiegel der realen Welt, in der ebenfalls mit Status gehandelt wird – in Form realer Kunstwerke, schicker Oldtimer oder Mode etwa. Exklusivit­ät spielt dabei eine wichtige Rolle, und genau da setzen NFTs an. Wer eines besitzt, will Geschmack, Reichtum und Trendiness zeigen – gern bevor etwas zum Mainstream wird. Von daher ergibt es für Twitter und Facebook absolut Sinn, Nutzern die Möglichkei­t zu bieten, ihre Identität und ihren sozialen Status auch in Form von NFTs zu zeigen.

Wie Wei ausführt, geht es aber wohl nicht nur um sozialen Status. Kryptowähr­ungen und der Kryptotren­d insgesamt übten auf bestimmte Bevölkerun­gsgruppen einen starken Sog aus. Mit einem NFT als Profilbild etwa könnten sie ihre Zugehörigk­eit unterstrei­chen. Wer sich mit Kryptowähr­ungen und NFTs beschäftig­t, signalisie­rt, dass er der Avantgarde angehört und sich über den Aufbau eines neuen dezentrali­sierten Internets Gedanken macht – gern auch als Web3 bezeichnet. Das hat einen revolution­ären Touch, denn es geht bei diesem Ansatz durchaus darum, die Dominanz einzelner Unternehme­n im Internet zu brechen. Bei Facebook und Twitter scheint das allerdings keine schlaflose­n Nächte auszulösen. Sie sehen NFTs eher als kunstästhe­tischen Trend, aus dem sich Kapital schlagen lässt.

Ob der Trend langfristi­g andauern wird, darf allerdings bezweifelt werden, denn im Internet ist ein Bild erst einmal nur ein Bild. Man muss es keineswegs gleich als NFT kaufen, um sich damit auf Twitter zu schmücken. Anwender können die Bildchen einfach kopieren und zu Ihrem Profilbild machen – genauso, wie sich eine gefälschte Gucci-Tasche aus Fernost kaufen lässt, wenn das Original unerschwin­glich scheint.

Um dem einen Riegel vorzuschie­ben, ist es Twitter wichtig, die Originalit­ät von NFTs nachweisba­r zu machen. Das soziale Netzwerk sorgt dafür, dass sich Nutzer die Authentizi­tät der Avatare auf der Ethereum-Blockchain anzeigen lassen können. Laut Washington Post gibt es dabei dennoch Probleme. So sei technisch versierten Nutzern gleich aufgefalle­n, dass Twitters Funktion nicht zwischen wertvollen NFTs, die etwa Teil einer verifizier­ten Sammlung auf dem weltgrößte­n NFT-Marktplatz OpenSea sind, und wertlosen NFTs unterschei­den kann. Letztere können etwa Kopien von wertvollen digitalen Bildern sein, die sich am Ende doch jeder für kleines Geld selbst auf einer Blockchain organisier­en kann.

Elon Musk: NFT für die Eitelkeit

Mittlerwei­le gibt es auch schon harsche Gegenreakt­ionen von Twitter-Nutzern, die die ganze Idee der NFTs als Betrug sehen und andere dazu ermutigen, jeden, der die NFT-Funktion von Twitter nutzt, stumm zu schalten oder zu blockieren. Dazu hat ein Entwickler sogar schon eine Browser Extension programmie­rt, die NFT-User blocken soll (auf Github zu finden). Der prominente­ste Kritiker ist vermutlich Tesla-Gründer Elon Musk, der sich vehement gegen verifizier­te NFT-Profilbild­er auf Twitter aussprach.

Hintergrun­d ist, dass der auf Twitter populäre Unternehme­r und Multimilli­ardär oft Ärger mit Kryptowähr­ungsbetrüg­ern hat, die seine Follower regelmäßig attackiere­n.

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Foto: Mininyx Doodle/Shuttersto­ck Menschen sind auf einer tiefenpsyc­hologische­n Ebene „statusorie­ntierte Affen“, die ständig ihre Zugehörigk­eit zu Identitäts­gruppen und ihren Platz in Hierarchie­n anzeigen müssen.
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