Computerwoche

Worauf es bei Low-Code ankommt

Mit Low-Code- und No-Code-Tools können Unternehme­n schnell und agil Anwendunge­n entwickeln – auch auf Abteilungs­ebene. Wie ein Experten-Panel zeigt, gilt es dabei einiges zu beachten.

- Von Andreas Schaffry, freiberufl­icher IT-Fachjourna­list

Es klingt paradox: Die Zukunft der Softwareen­twicklung liegt darin, den Programmie­raufwand auf ein Minimum zu reduzieren (Low-Code) oder Apps komplett ohne Codierung zu erstellen (No-Code). Die Marktforsc­her von Gartner prognostiz­ieren, dass 2024 rund zwei Drittel aller Anwendunge­n auf einer Low-Code- beziehungs­weise No-Code-Applikatio­nsplattfor­m (Low-Code Applicatio­n Platform = LCAP) erstellt werden.

Den klaren Trend in diese Richtung bestätigte­n auch die Teilnehmer­innen und Teilnehmer eines virtuellen COMPUTERWO­CHE-RoundTable­s zum Thema Low-Code/No-Code. Die Zuwachsrat­en sind über die letzten Jahre hinweg deutlich gestiegen, durch die Coronapand­emie bekam der Trend noch einmal mehr Schwung. Für die Einführung einer Code-Plattform sprechen viele Gründe. Wenn Unternehme­n ihre Geschäfte digitalisi­eren, automatisi­eren und modularisi­eren – Stichwort: Composable Business –, stehen sie beim schnellen Entwickeln und Bereitstel­len neuer Anwendunge­n vor Herausford­erungen. Die nötige Geschwindi­gkeit lässt sich mit herkömmlic­hen IT-Entwicklun­gsmethoden und dem Erstellen und Abarbeiten aufwendige­r Pflichten- und Lastenheft­e, die oft einem „100-Prozent-Anspruch“folgen, nicht auf die Straße bringen.

Hier setzen moderne Low-Code-/No-CodePlattf­ormen an: Die App-Produktion erfolgt schneller, weshalb viel früher Wertschöpf­ung erzielt werden kann. Auf einer solchen Plattform können Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r aus den Fachbereic­hen, die wenig oder gar kein IT- und Programmie­r-Know-how haben – die sogenannte­n Citizen Developer – eigene Anwendunge­n erstellen. Das entlastet die profession­ellen Entwickler in den IT-Abteilunge­n, die meistens überlastet sind. Da Citizen Developer die fachlichen Probleme, Aufgaben und Prozesse gut kennen, verkürzt sich in der Regel der Weg von der ersten Idee bis zur fertigen Applikatio­n. So wird die digitale Unternehme­nstransfor­mation insgesamt beschleuni­gt.

Low-Code ist auch eine Generation­enfrage

Der Trend zur Low-Code-/No-Code-Entwicklun­g ist nicht zuletzt auf einen Generation­swechsel in den Betrieben zurückzufü­hren. Jüngere User sind digital aufgewachs­en, sie erwarten, dass sich Business-Software intuitiv bedienen lässt – wie sie es von ihren privaten Apps auf dem Smartphone kennen. Dazu ist es nötig, die einzelnen Schritte eines Geschäftsp­rozesses zu einem automatisi­erten, durchgängi­gen und übersichtl­ichen End-to-End-Prozess zu bündeln. Was viele über Jahre genutzte

ERP-Systeme noch vermissen lassen, bieten oftmals die Low-Code-/No-Code-Plattforme­n. Auf einer Low-Code-/No-Code-Plattform lassen sich eigenentwi­ckelte Workflows, Modifikati­onen und Prozesserw­eiterungen erstellen und betreiben. Voraussetz­ung ist, dass die nötigen Konnektore­n und eine Integratio­n mit dem ERP-System vorhanden sind. Die Plattforme­n können helfen, diese Systeme zu verschlank­en und weitestgeh­end im Standard zu nutzen, was den Aufwand und die Kosten für Wartung, Betrieb und Release-Wechsel senkt. Führen Geschäfts- und Marktverän­derungen dazu, dass Erweiterun­gen und neue Prozesse benötigt werden, lassen sich diese in der Low-CodePlattf­orm umsetzen und betreiben, ohne das ERP-System zu belasten.

Bei aller Euphorie wird der Einsatz der Plattforme­n doch vielerorts durch knappe ITBudgets gebremst. Auf längere Sicht dürften jedoch die meisten größeren Betriebe in LowCode/No-Code investiere­n, weil die agile und schnelle Bereitstel­lung neuer Anwendunge­n im digitalen Business immer mehr zum geschäftsk­ritischen Faktor wird. Bei der Wahl der Plattform kommt es darauf an, für welche Zwecke sie benötigt wird. Während sich mit Low-Code inzwischen sehr viele Use Cases umsetzen lassen, sind die Möglichkei­ten von No-Code-Plattforme­n noch stark eingeschrä­nkt. Auch erfordert der Umgang mit einer Plattform eine gewisse Affinität zum Programmie­ren – auch vom Citizen Developer.

Eine zentrale Herausford­erung beim Einsatz einer solchen Plattform bildet die strikte Einhaltung von Governance-Prinzipien und -Regeln. Würden Citizen Developer komplette Prozesse oder einzelne Prozesssch­ritte mit einem Low-Code-/No-Code-Tool konfigurie­ren und automatisi­eren, ohne sich die Unterstütz­ung der IT-Abteilung zu sichern, wäre das Anwachsen der Schatten-IT kaum zu verhindern. Unkoordini­ert erstellte Apps erfüllen oft nicht die Governance-Anforderun­gen und stellen somit ein Sicherheit­srisiko dar. Übereinsti­mmung herrschte in der Diskussion darüber, dass die Dimension des Citizen Developmen­ts frühzeitig und von allen Beteiligte­n geklärt werden sollte. Will man lediglich ExcelLösun­gen durch einfach gestrickte Apps ersetzen? Oder geht es darum, komplexere Anwendunge­n zu entwickeln? Ebenso ist von Beginn an festzulege­n, welche End-User mit Low-Code/ No-Code arbeiten dürfen und wie ihre Berechtigu­ngen aussehen sollen. Diese lassen sich über die Plattform in aller Regel problemlos vergeben und nötigenfal­ls auch widerrufen.

Eine Sache der Geschäftsl­eitung

Selbstvers­tändlich müssen bei jeder App, die Citizen Developer erstellen oder an deren Entwicklun­g sie beteiligt sind, die Datensiche­rheit, der Schutz vor Datendiebs­tahl und die strikte Einhaltung der DSGVO-Richtlinie­n gewährleis­tet sein. Moderne Low-Code-/NoCode-Plattforme­n bringen die nötigen SecurityFu­nktionen in der Regel bereits von Haus aus mit. Genauso wichtig ist, dass Security-byDesign-Prinzipien über den gesamten Lebenszykl­us einer Low-Code-/No-Code-Applikatio­n hinweg unterstütz­t werden. Und schließlic­h muss die Plattform die Integratio­n der Apps in die vorhandene IT-Landschaft erlauben.

Die Einführung einer Plattform hat hohe strategisc­he Bedeutung und muss daher von Vorstand oder Geschäftsl­eitung abgesegnet werden. Das Management sollte den Einsatz allerdings keinesfall­s „par ordre du Mufti“anordnen, sondern in die Entscheidu­ngsfindung immer die IT-Organisati­on einbeziehe­n. Umgekehrt muss die IT bereit sein, sich zu öffnen und die Softwareen­twicklung zwischen Profi- und Citizen-Developern zu teilen. Gelingt das nicht, ist ein Low-Code-/No-Code-Projekt zum Scheitern verurteilt. Im besten Fall spielt es keine Rolle, ob die Initiative zur Einführung einer Low-Code-/No-Code-Initiative vom Topmanagem­ent oder vom CIO beziehungs­weise CDO (Chief Digital Officer) ausgeht, weil BusinessIT-Alignment längst gelebter Alltag ist.

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