Mit künstlicher Intelligenz will Fraunhofer Ampelsysteme renovieren
Fraunhofer arbeitet an KI-gesteuerten Ampelanlagen. Sie sollen nicht nur für einen besseren Verkehrsfluss sorgen, sondern Fußgängerinnen und Fußgängern auch ein sichereres Überqueren der Straße ermöglichen.
Die Fahrt zur Arbeit und nach Hause kann zur Tortur werden. Im Stopand-go-Modus rollen die Autos von einer überfüllten Ampelkreuzung zur nächsten, vor allem zu Stoßzeiten ist die grüne Welle eine Utopie. Dieses Problem will das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) jetzt mit intelligenten vorausschauenden Ampeln angehen, die durch künstliche Intelligenz (KI) gesteuert werden. Auch sollen die neuen Ampelanlagen Personen mit einem Handicap ein sichereres Überqueren der Straße durch eine längere Grünphase ermöglichen. Ein Pilotprojekt hat Fraunhofer in Lemgo realisiert.
Aktuelle Ampelsteuerungen sind regelbasiert, doch die starren Regeln passen nicht auf alle Verkehrssituationen. Zudem bilden vorhandene Sensoren – in den Asphalt eingelassene Induktionsschleifen – die Verkehrssituation nur grob ab. Diese Probleme will Fraunhofer mit hochauflösender Kamera- und Radarsensorik lösen. Die Anzahl der wartenden Fahrzeuge an der Kreuzung soll dabei spurgetreu in Echtzeit aufgenommen werden. Auch die durchschnittliche Geschwindigkeit der Autos und die Wartezeit werden erfasst.
Die Echtzeit-Sensorik wird mit Machine Learning kombiniert, um starre Steuerungsregeln zu ersetzen. Zum Einsatz kommt das Deep Reinforcement Learning, eine Methode des maschinellen Lernens, die intelligente Lösungen für komplexe Steuerungsprobleme finden soll. Dazu haben die Forschenden von Fraunhofer ein realitätsgetreues Simulationsmodell der Lemgoer Kreuzung, wo die Tests stattfinden, gebaut und die KI in diesem Modell unzählige von Iterationen trainieren lassen. Die Algorithmen ermitteln das beste Ampel-Schaltverhalten und die optimale Phasenfolge, um die Wartezeiten an der Kreuzung zu verkürzen, Fahrzeiten zu senken und den durch Staus entstehenden Lärm sowie die Kohlendioxid-Belastung zu senken.
Edge-Computer zur Steuerung
Die KI-Algorithmen laufen auf einem EdgeComputer im Schaltkasten an der Kreuzung. Sie lassen sich auch auf Verbundschaltungen testen, anwenden und skalieren – also auch für benachbarte Ampeln nutzen, die sich in einem Verbund befinden. Bei Fraunhofer geht man davon aus, dass der Verkehrsfluss durch KI um zehn bis 15 Prozent verbessert werden kann.
Mithilfe lernender Systeme sollen auch die Fußgängerampeln bedarfsgerecht gesteuert werden. Besonders verletzliche Personen wie Ältere oder Menschen mit Behinderung sollen davon profitieren. Ziel ist es, Wartezeiten zu verkürzen und die Sicherheit an Ampelkreuzungen durch längere Überquerungszeiten zu erhöhen. Aktuellen Studien zufolge sind die Grünphasen für diese Personen zu kurz.
Die derzeit installierten Taster, meist kleine gelbe Kästchen, liefern weder Informationen über die Anzahl noch das Alter oder gar das Gebrechen der Passanten. Durch die Implementierung von KI in Kombination mit hochauflösenden LiDAR-Sensoren soll der Prozess automatisiert und die Überquerungszeit automatisch an den Bedarf der jeweiligen Fußgänger angepasst werden. Die Verwendung solcher Sensoren anstelle von Kameras hat den Vorteil, dass Fußgänger als 3D-Punktwolken dargestellt werden und somit nicht identifiziert werden können. Die Datenschutzvorgaben werden also eingehalten.