Herausforderung für Führungskräfte: „Corona hat die Menschen verändert“
Nach zwei Jahren Pandemie kehren viele Menschen in ihre Firmenbüros zurück. Doch Corona hat vieles verändert, und nicht alle Führungskräfte sind gut darauf vorbereitet, fürchtet die Dozentin, Trainerin und Buchautorin Andrea Grudda.
So aufregend die Corona-Ausnahmesituation anfangs war mit all ihren technischen, psychosozialen und organisatorischen Herausforderungen war, so gestresst und ermüdet wirken heute viele Beschäftigte von den zahllosen Online-Sitzungen im HomeOffice, beobachtet die langjährige Dozentin und Coachin Andrea Grudda. Sie zieht eine zum Teil ernüchternde Bilanz dieser zwei Pandemie-Jahre: „Corona hat die Menschen verändert.“
In einer virtuellen Konferenz zum Thema zitierte Grudda eine Studie, in der es heißt, dass 72 Prozent der Beschäftigten nicht mehr so leben und arbeiten wollen wie vor der Pandemie. Bester Beweis sei die jüngste Kündigungswelle, die vor allem in den USA zu beobachten ist – bekannt als „The Great Resignation“. Millionen Arbeitskräfte haben in Pandemiezeiten ihren Arbeitgeber gewechselt. Auch in Deutschland ist die Fluktuation stark angestiegen.
Grudda stellt fest, dass sich Mitarbeitende in ihren Home-Offices viel öfter grundsätzliche Fragen gestellt haben wie: Arbeite ich in der richtigen Firma, mit den richtigen Kollegen und Führungskräften? Wie und wo will ich künftig leben? Was ist mir wichtig? Den Beschäftigten sei klar, dass der Geschäftszweck ihres Unternehmens nicht zwangsläufig mit ihren Lebenszielen übereinstimmen könne. Umso wichtiger seien flexible, am besten auch reduzierte Arbeitszeiten, um Zeit für die persönlichen Dinge zu haben: Freunde, Familie, Hobbies und gesellschaftliches Engagement.
Laut Grudda haben die Arbeitgeber verstanden, dass vor allem jüngeren Beschäftigten Themen wie sinnhaftes Arbeiten, aber auch nachhaltiges, ökologisches Wirtschaften und soziales Engagement wichtig sind. Das gilt auch für die Atmosphäre im Unternehmen, wo sie ja einen Teil ihrer Lebenszeit verbringen sollen. Die Beschäftigten schauen sich genau an, mit wem sie arbeiten und wie Führungskräfte auftreten. Ihnen falle auf, wenn ein Chef eine dreimal so lange Redezeit wie die Kollegen aus dem Team beanspruche. Es reiche nicht aus, wenn Führungskräfte Sakko und Krawatte ablegten, Jeans und Sneakers anzögen und alle im Team duzten. Das funktioniere nicht, wenn sie letztendlich weiterhin die alte Rolle als Führungskraft spielten.
Was müssen Vorgesetzte ändern?
Kommunikation ist keine Einbahnstraße, sagt Grudda. Aus ihrer Arbeit als Trainerin weiß sie, dass Mitarbeitende mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement gesehen und nach ihrer Meinung gefragt werden wollen. „Chefs müssen lernen, zuzuhören und achtsam zu sein“, lautet ihre Empfehlung.
Solche Soft Skills fallen allerdings nicht vom Himmel, sie müssen erlernt werden. Da der allgemeine Fachkräftemangel aber auch die Führungsriege erfasst hat, kommt es oft vor, dass Menschen sehr schnell aufsteigen. Laut Grudda werden sie auf der Karriereleiter „hochgespült“, obwohl sie für Managementpositionen nicht geeignet sind und auch keine Grundausbildung in Sachen Führung genossen haben. Es wäre hilfreich, so die Expertin, wenn Manager regelmäßig zu Führungsthemen ausgebildet würden und eine vernünftige Einarbeitungszeit erhielten. Beides sei nicht die Regel. Die interessante, inspirierende, charismatische Führungskraft werde zwar offiziell gesucht, im beruflichen Alltag soll die Person aber dann doch eher Erfüllungsgehilfe der Geschäftsführung sein.