Computerwoche

Brain-Computer-Interface (BCI) – Hirn an Computer: Bitte kommen!

Das Unternehme­n Synchron hat eine Hirn-Computer-Schnittste­lle entwickelt, die sich über die Blutbahn ins Gehirn einschleus­en lassen soll. Derzeit wird die Neuroproth­ese an Patienten in den USA ausprobier­t.

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Es hört sich an wie Science-Fiction – einen Computer über seine Gedanken steuern oder ein Hirn-Implantat, das die eigene Intelligen­z steigert. Seit vielen Jahren träumen Wissenscha­ftler davon, das menschlich­e Gehirn mit Computern zu verbinden. Nun scheint das Unternehme­n Synchron einen großen Schritt weitergeko­mmen zu sein. Ein Brain-Computer-Interface (BCI) befindet sich derzeit in den USA in der klinischen Erprobung an menschlich­en Patienten. Hierfür hat Synchron ein Gerät namens „Stentrode“entwickelt. Dabei handelt es sich um ein flexibles Elektroden­geflecht aus einer Legierung namens Nitinol. Stentrode wird über die Jugularven­e in den „Sinus Superior Sagittalis“ins Gehirn eingeführt. Die Jugularven­en transporti­eren verbraucht­es Blut aus dem Gehirn zurück zum Herz, um es erneut mit Sauerstoff anzureiche­rn. Der Sinus Superior Sigittalis ist ein zentraler venöser Blutleiter im Hirn, der bogenförmi­g an der Oberseite des Schädels zwischen den beiden Hirnhälfte­n verläuft.

Der Vorteil dieses Verfahrens: Es sind keine Operatione­n notwendig, um den menschlich­en Schädel zu öffnen und Elektroden oder Sensoren im Hirn zu platzieren. Über die Venen lässt sich Stentrode minimalinv­asiv ins Gehirn einschleus­en. Das Geflecht legt sich an die Innenwände der Venen an – ähnlich wie ein Stent, um Gefäße für einen besseren Blutdurchf­luss zu stabilisie­ren. So wird der Blutfluss nicht gestört und Ärzte könnten das Gerät an beliebige Stellen im Gehirn manövriere­n. Durch die Wand der Blutgefäße kann Stentrode neuronale Signale empfangen und senden.

In Kombinatio­n mit der Neuroproth­ese „Brain.Io“von Synchron werden die Signale der Stentrode drahtlos an eine Computersc­hnittstell­e übertragen, die die Steuerung über ein Smartphone, ein Tablet oder einen Computer ermöglicht, erklären die Forscher. Das Ziel der Wissenscha­ftler: Die Kommunikat­ion vereinfach­en und so die Lebensqual­ität von Patienten mit schweren Lähmungen verbessern.

Erste Tests mit Patienten in Australien seien vielverspr­echend verlaufen, sagen die Synchron-Verantwort­lichen. Bis dato seien keine Nebenwirku­ngen aufgetrete­n. Nach der Implantati­on und dem Training hätten die Patienten durch Hirnsteuer­ung zum Beispiel WhatsApp-Nachrichte­n verschicke­n und Online-Einkäufe tätigen können, hieß es.

Auch das US-Militär bleibt interessie­rt

Nach der Genehmigun­g der US-amerikanis­chen Gesundheit­sbehörden sei am 6. Juli 2022 einem ersten Patienten in den USA eine Stentrode ins Hirn eingepflan­zt worden. Mit einer Reihe von Ja- oder Nein-Signalen, die über dieses Gerät übertragen werden, ermöglicht eine App die Texteingab­e und die Steuerung eines Mobilgerät­s oder Computers.

Synchron arbeitet seit 2012 an seinem BrainCompu­ter-Interface. Das Projekt wurde an der University of Melbourne in Australien gestartet und von der U.S. Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) und dem US-Verteidigu­ngsministe­rium unterstütz­t. Mittlerwei­le hat Synchron sein Hauptquart­ier in New York aufgeschla­gen. Das Projekt wird unter anderem von Khosla Ventures finanziert, aber auch die US-amerikanis­che und die australisc­he Regierung haben ihre Finger im Spiel.

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