Unterforderung: Viele Betriebe setzen ihre Beschäftigten falsch ein
Gut 40 Prozent der Beschäftigten in deutschen Unternehmen fühlen sich nicht ausreichend gefordert. Insgesamt sinkt die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen. Andererseits steigt angesichts der weltweiten Krisen das Sicherheitsbedürfnis, sodass viele Menschen derzeit eher nicht kündigen würden.
Corona, Krieg, Klimawandel, wirtschaftlicher Abschwung – Beschäftigte in Deutschland haben in diesem Jahr viele Sorgen. Der Personaldienstleister Avantgarde Experts hat gemeinsam mit YouGov in der „Arbeitszufriedenheits-Studie 2022“untersucht, wie die Stimmung an den Arbeitsplätzen ist. Die Ergebnisse der Studie, in deren Rahmen über 1.000 angestellte Berufstätige ab 18 Jahren befragt wurden, zeigt überraschende Trends und Tendenzen.
Ein Grund, weshalb sich derzeit relativ wenige Beschäftigte nach einem neuen Job umschauen, liegt nach Interpretation der Studienautoren in den krisenbedingt veränderten Prioritäten. 59 Prozent der Befragten geben an, dass es ihnen wichtig oder sogar sehr wichtig sei, ihren Job „gesichert und auf längere Sicht“ausüben zu können.
Philipp Riedel, CEO von Avantgarde Experts, stellt dennoch fest, dass jeder Fünfte auch in diesen Zeiten einen Jobwechsel in Betracht ziehe. Das zeige, „wie viele Jobs fehlbesetzt sind.“In vielen Unternehmen gelinge es nicht, dass Fachkräfte die zu ihnen passenden Positionen fänden. Daher komme es schnell zu Unzufriedenheit, und der Anteil der unterforderten Arbeitnehmer, der schon jetzt hoch sei, werde weiter steigen.
Jeder vierte Beschäftigte ist der Ansicht, sein Potenzial im Beruf nicht voll entfalten zu können. Weitere 13 Prozent sagen, dass sie einen wertvolleren Beitrag für ihr Unternehmen leisten könnten als derzeit, und drei Prozent fühlen sich sogar komplett unterfordert. Damit bringen 41 Prozent der Beschäftigten nicht ihre volle Leistung. Zum Vergleich: 2017 waren es nur 17 Prozent.
Unter den 18- bis 34-Jährigen finden sogar 47 Prozent, dass ihr Potenzial nicht ausgeschöpft sei oder dass sie wertvoller für ihr Unternehmen sein könnten. „Die Unterforderung unter deutschen Mitarbeitern hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen“, kommentiert Riedel. Das betreffe am stärksten die jüngere Generation – all jene also, die noch mehrere Jahrzehnte Arbeitsleben vor sich haben und welche die Arbeitgeber in der Regel besonders gern an sich binden würden.
Langweilen sich deutsche Beschäftigte?
Zwar ist die Arbeitszufriedenheit im Vergleich zu 2019 (also vor der Pandemie) weiter gesunken, aber der Rückgang ist überraschend gering ausgefallen: 2022 gaben zwölf Prozent der Beschäftigten an, eher oder vollkommen unzufrieden zu sein, 2019 waren es elf Prozent. Mit ihren Arbeitsbedingungen eher oder sehr zufrieden sind 68 Prozent, vor drei Jahren waren es 72 Prozent. Riedel findet die geringen Veränderungen „erstaunlich angesichts der Vielzahl der Krisen und der wesentlich unstetigeren Umfeldfaktoren“.
Schon seit 2016 untersucht Avantgarde Experts die Arbeitszufriedenheit in Unternehmen. Die aktuelle repräsentative Befragung wurde vom Marktforschungsunternehmen YouGov unter mehr als 1.000 Personen unterschiedlicher Altersgruppen durchgeführt. Ziel war es, einen Überblick über die Arbeitszufriedenheit Erwerbstätiger in Deutschland zu gewinnen.